Rotorman's Blog

Ruhe in Rost! Frevel oder Kunst? Die
morbide Faszination verrottenden Blechs

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Da mag sich dem “normal” gepolten und empfindenden Liebhaber klassischer alter Automobile der Magen umdrehen. Die Beweislage ist erdrückend: ein klarer Fall von frevelhafter Häresie. Für den ehrfurchtsvollen Oldie-Versteher und Seinesgleichen ist es die Hölle. Doch Fröhlich bleibt fröhlich und zieht sein Ding unbeirrt durch. Mit Vornamen heißt er Michael. Wie der Erzengel, der Satan einst aus dem Himmel gescheucht haben soll. Nicht wenige Leute in diversen Behördenstuben würden auch diesem exzentrischen und kreativen Lebemann einen solchen nachhaltigen Platzverweis gönnen, doch bislang hat der fidele Lebenskünstler alle diesbezüglichen Intrigen und Vorstöße parliert.

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Parade blecherner Trostlosigkeit: Vorne links die zivile Version eines Willys-Jeep. Foto: Markus/Ingrid Novak

Der 65-jährige Paradiesvogel ist Schöpfer, Kurator und Besitzer des wohl außergewöhnlichsten Fahrzeugmuseums in Deutschland. Wobei die Bezeichnung “Museum” in diesem Kontext etwas irreführend sein dürfte. Was auf dem privaten Waldgrundstück am Rande des Neandertals bei Düsseldorf geschieht, dort, wo die Düssel einen eleganten Linksschwenk in Richtung Erkrath macht, wäre mit “kontrollierter Kompostierung von Technikgeschichte” treffender umschrieben. Alte Liebe rostet eben doch! Asche zu Asche, Blech zu Rost, Rost zu Staub. Hier geht so mancher PS-Traum langsam aber sicher und konstant den Weg alles Irdischen. Der Sieger des ungleichen Duells steht aber heute schon fest: Die Natur. Sie wird das zweckentfremdete Terrain zurückerobern – früher oder später. Und das ist auch Sinn und Zweck des Ganzen.

Provokativer Märchen- und Zauberwald

Nennen wir dieses provokative Gesamtkunstwerk am Düsseldorfer Stadtrand der Einfachheit halber euphemistisch einen “Autoskulpturenpark”. Ein automobiler Märchen- und Zauberwald mit morbidem Charme. Die Exponate dort sind nicht ganz so alt wie unserer Vorfahren, die dort, nur einen Stein(zeit)wurf entfernt, vor etwa 30.000 Jahren ausgestorben waren und denen das Tal seinen Namen verdankt. Aber 65 Jährchen haben auch sie auf dem Chassis, alle. Wie ihr stolzer Eigner. Trotz des jämmerlichen Anblicks, den die Ausstellungsstücke bieten, sie sind eine Hommage an den Jahrgang 1950 – Fröhlichs Jahrgang. Und inzwischen eine Attraktion. Besuchergruppen unterschiedlichster Provenienz und, natürlich, Fotografen geben sich die Klinke des unscheinbaren, auf eine einsame Seitenstraße mündenden Tors in die Hand. Gäste sind willkommen – allerdings nur nach vorheriger Absprache und gegen Entrichtung eines Obolus.  Zwei schöne Videos auf youtube vermitteln einen umfassenden Eindruck von der Atmosphäre des Blechfriedhofs: http://www.youtube.com/watch?v=ynltfw2CnOs und
http://www.youtube.com/watch?v=yGHDpt1C9M4

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Die „Ausstellungsstücke“, wie dieser Borgward Hansa, passen sich im Farbton mehr und mehr ihrer Umgebung an. Irgendwann werden sie eins mit ihr sein. Foto: Markus/Ingrid Novak

Die hier versammelten Traumwagen i.R. sind von ihrem Besitzer bewusst und bedacht zwischen hohen Bäumen und dichtem Gebüsch geparkt worden, um sie verrotten zu lassen. Schätze im Wert von vielen Hunderttausend Euronen wurden hier in den Sand bzw. den Waldboden gesetzt, sich selbst überlassen und somit dem Verfall preisgegeben. Und um selbigen noch zu forcieren, besprüht Fröhlich die Karossen ab und an ganz fröhlich auch mit Milchsäure. Das soll helfen. Lack und Chrom, in dem man sich spiegeln kann, sucht man vergebens. Hier gibt es nichts, das funkelt und glitzert. Die einst sicherlich noblen Karren sind von Moos, Laub und Pilzen überwuchert. Schwere Äste drücken an manchen Stellen auf und durch ihre dünn gewordene, von Patina überzogene (Blech-)Haut. Die Autos mögen zwar einmal über massive Rahmen verfügt haben, hatten jedoch, wie hier ersichtlich wird, garantiert keinen Korrosionsschutz. Und für sie ist es auch kein Dornröschenschlaf, denn sie werden nie mehr erwachen. Da hilft noch so vieles Knutschen nicht. Die beiden Fotografen Markus und Ingrid Novak aus Ehringshausen haben es versucht – vergeblich….

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Ein für Rallyes modifizierter Porsche 356, und als solcher kaum mehr zu erkennen. Der vom Rost zerstörte Lack erinnert ein klein wenig an Blätterteig. Foto: Markus/Ingrid Novak

Das Ganze wirkt surreal, bizarr, geheimnisvoll und etwas unheimlich, gleichzeitig aber auch faszinierend. Bei einigen Wracks sind mit viel Fantasie noch Teile und Farbgebung der Ursprungslackierung zu entschlüsseln; sie haben aber überwiegend die Note der sie umgebenden, mehr und mehr von ihnen Besitz ergreifenden Landschaft angenommen: Grün und Rotbraun. Die ollen Kisten sind zu skurrilen Gebilden mutiert. Einige sind ausgeschlachtet und ihrer Innereien beraubt, andere noch komplett verglast, wenngleich die Scheiben milchig sind und einen Blick ins Innere erschweren. Ja, und die Instrumentierung ist hier und da auch noch vollständig. Aber funktionieren tut natürlich nix mehr. Räder, so vorhanden, sind tief in die Erde versunken, Scheinwerfer hängen trübe aus ihren Höhlen.

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Vergammelte Raritäten: Hinten links ein britischer Lagonda. Von dieser Serie wurden zwischen 1948 und 1953 nur 510 Stück gefertigt. Vorne ein Opel Olympia. Fotos: Markus/Ingrid Novak

Ganz sicher ist diese außergewöhnliche Location im Niederbergischen kein Platz für puristische Oldtimer-Freaks. Q-Tip-Felgenputzer, Swizöl-Polierer und solche, die ihre Garagen mit Teppichboden auslegen, machen besser einen großen Bogen drum herum. Deren Urteile fallen denn auch entsprechend aus: In den einschlägigen Foren ist von Dekadenz, Schwachsinn und “überheblicher Spinnerei eines reichen Sacks” die Rede, um nur die harmlosesten Kommentierungen anzuführen. Gut, Fröhlich braucht den Cent nicht zweimal herum zu drehen. Er hat es als erfolgreicher Modedesigner und Betreiber eines florierenden Autohauses für ausgefallene Wünsche zu Wohlstand gebracht. Und er kann mit seiner Kohle schließlich anstellen, was er will. Und sei’s drum, dass sein Tanz um das goldene Kalb “Automobil” anderen choreografischen Gesetzmäßigkeiten folgt.

Paraies für Rostromantiker

Sein mitten in der Düsseldorfer Innenstadt angesiedeltes Unternehmen heißt nicht von ungefähr „Fantastic Car Design“. Nomen est Omen! Das ist auch so eine Art Ideenküche für die Konstruktion neuer Phantasiegefährte bzw. de Modifikation existierender Modelle. Da entstehen mitunter die skurrilsten Autokreationen. Daneben strahlen aber die Oldtimer so blitzeblank, wie der Kunde das mag.

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Innenschau: Etwas trostlos wirkt dieser Anblick schon. Laub und Spinnenweben überziehen das Cockpit. Die Natur ist auf dem Vormarsch. Foto: Markus/Ingrid Novak

Was der Mann hingegen im Privatforst vor den Toren Erkraths geschaffen hat, ist eher ein Paradies für dem Morbiden zugeneigte Rostromantiker. Zumal es sich hier, wird der Besitzer nicht müde wird zu betonen, ja eigentlich auch um gar  keine Fahrzeugausstellung handelt, sondern um Kunst. Sinn und Zweck selbiger wäre es in diesem aktuellen Fall, die Vergänglichkeit der Maschine aufzuzeigen. Was hier auch zweifelsohne gelingt. “Blech-Friedhof” wäre deshalb auch die treffendere Bezeichnung.

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Autsch! Ja nee, ist klar. Kein, Wunder, dass die Reise an einem Baumstamm endet. Das Lenkrad ist ja auch an der falschen Seite. Endstation eines Morris Minor aus der 2er Serie. Foto: Markus/Ingrid Novak

Es sind insgesamt 50 vom Zahn der Zeit angenagte Fahrzeuge, die in dem 20.000 Quadratmeter großen “Wald der toten Wagen” still vor sich hin rosten. Und alle sind sie irgendwann im Laufe des Jahres 1950 vom Stapel, pardon, Band gelaufen – wie ihr Besitzer. Da findet sich ein Porsche 356 und ein mit Grünspan überzogener Rolls-Royce Silver Wraith, an dessen Fahrertür eine Sonnenbrille hängt. Ein weiterer Rolls stammt aus dem Fuhrpark der britischen Königin. Den hat der Mann goldfarben umlackieren lassen. Am Lenkrad der royalen Karosse  eine Queen-Elizabeth-Puppe, im Fond Prinz Charles, der sich gerade mit einer Sex-Puppe vergnügt. (Die Besenkammer von Bum-Bum-Boris war gerade anderweitig belegt). Die Installation heißt übrigens “Fuckingham Palace Shuttleservice”.

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Ein Citroen 11 CV. Gehörte mal einem misstrauischen Polizeichef in der französischen Provinz. Weil Fröhlich den horrenden Preis anstandslos akzeptierte, nahm der Flic die Karossen komplett auseinander, weil er vermutete, irgendetwas Wertvolles müsste da noch drin verborgen sein. Foto: Markus/Ingrid Novak

Zu den Parade-Exponaten gehört ein einstmals weißer, aber inzwischen grünspaniger Jaguar XK 120, wie er weltweit nur 7373 hergestellt worden ist. Fröhlich hat ihn mit Joghurt eingerieben, damit sich Bakterien schneller ansiedeln und sich effizienter durch Karosserie und Polsterung fressen und präsentiert ihn in einer eingefrorenen Rennszene auf einem nachgebauten Teilstück der Nürburgring-Nordkurve. Er hatte diesen britischen Roadster-Traum mit den geschwungenen Kotflügeln bereits 1983 für damals 100.000 DM der Formel-1-Legende Stirling Moss abgekauft und ist selbst Rennen damit gefahren, was ihm noch im Jahr des Erwerbs den Sieg beim Oldtimer-Grand-Prix einbrachte. Heute wäre das einstmals edle Teil 150.000 Euro wert Mit dem Erwerb des Boliden war zugleich der Grundstock für die außergewöhnliche Sammlung gelegt. Doch die Idee dazu reifte erst viel später.

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Schattiges Plätzchen: Dieser BMW 340 ist eines der letzten in Eisenach gefertigten Exemplare. Foto: Markus/Ingrid Novak

Gegen den Jaguar wirkt der profanen VW-Bus “Bulli“ richtig bieder. Aus dem Trabi wenige Meter entfernt wächst ein Baum. Der Ivan lässt mit einem Moskovich grüßen. Mit selbigem ging weiland die DDR-Stasi auf Delinquentenjagd. Die Franzmänner sind u.a. mit einem tief im Gestrüpp feststeckenden Citroen 11 CV vertreten, der einmal einem Polizeichef in der französischen Provinz gehört hat. Einem weiteren Citroen wird eine bewegte Geschichte als Gangster-Limousine nachgesagt. Der rote (?) Fiat Topolino nebenan scheint frontal gegen einen Baum geknallt. In einer Baumkrone hängt ein Willys Jeep, der in Korea einmal mit dem Lastenfallschirm abgeworfen worden war. Und der AWZ aus DDR-Beständen wird mehr und mehr zum Treibhaus für Mooskulturen. Den schwarzen Buick hat Fröhlich für 17.000 Mark einem Studenten abgekauft. Inzwischen gehört auch ein Nachbau der Berliner Mauer mit entsprechender Graffiti zum Interieur. Fahr- und Motorräder sind schmückendes Beiwerk.

Eine Ente als Altglas-Container

Und die unzähligen leeren Sektflaschen in der “Ente”? Sind der Schlüssel zum Verständnis des Ganzen. Der 2 CV diente den Gästen während der Einweihungsparty des Parks vor 15 Jahren als Mülleimer. 500 waren geladen, mehr als tausend gekommen. Auf diesen Tag, seinen 50, hatte Fröhlich lange hingearbeitet, um Papas Rat, dem Anlass entsprechend etwas ganz Verrücktes zu tun, zu beherzigen. Der Oldiefriedhof war insofern eine Art Selbstgeschenk. Die “Ausstellungsstücke” hatte er, der ja an der Quelle saß, im Laufe der Vorjahre nach und nach zusammengetragen, ohne ihre spätere Bestimmung damals schon zu kennen. Informationen zu dem Mann und seine blechernen Skulpturen hier: http://www.michaelfroehlich.com

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Asche zu Asche, Rost zu Staub: Die entsprechende Ziellinie ist nicht mehr allzu weit. Diese Karosse zählt zu den Gesichtsältesten der ungewöhnlichen Sammlung. Foto: Markus/Ingrid Novak

Es gibt übrigens ein Pendant zu diesem Blechpark, ein skandinavisches und noch größeres. In Schweden, an der Grenze zu Norwegen. Dort bei Båstnäs, einem kleinen Gott verlassenen Flecken im Värmland, gammeln in der rauen Einsamkeit mitten in der Pampa, versteckt zwischen und unter hohen Bäumen, annähernd tausend alte Rostlauben, Limousinen, Coupés und Cabrios aus den 1950er bis 1970er Jahren vor sich in. Die wohl beeindruckendste Schrottansammlung des europäischen Nordens. Diese automobile Pinakothek ist allerdings natürlichen Ursprungs, keine künstlich angelegtes Fahrzeug-Mausoleum.

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Stilleben aus Rost und Verfall: Da gibt es nichts mehr, in dem sich die Strahlen der Sonne spiegeln könnten. Foto: Markus/Ingrid Novak

Die Überbleibsel einer 1986 stillgelegten Werkstatt mit Autoteilehandel. Die Betreiber, ein Gebrüderpaar, hatten sich Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Gesetzeslücke zunutze gemacht. Es war damals  zwar verboten, Autos nach Norwegen zu exportieren, aber für Ersatz- und Einzelteile galt das nicht. Also wurden die zerlegten Wagen einfach jenseits der Grenze wieder zusammengebaut. Ein lukratives Geschäft.
Obwohl der dortige Tourismusverband dieses kaum zu überblickende Pkw-Sammelsurium als Attraktion bewirbt, dürften seine Tage gezählt sein. Umweltaktivisten und Behörden scharren immer vehementer mit den Hufen. Im schweizerischen Kaufdorf hatten sie bereits 2008 Erfolg. Dort wurde ein Oldiefriedhof, auf dem 782 Autos 78 verschiedener Marken aufgebahrt waren, der Umwelt zu  Liebe zwangsgeschlossen. Die Automobile kamen unter den Hammer.

Die Aufnahmen zu diesem Bericht stammen von dem Fotografenehepaar Markus und Ingrid Novak aus Ehringshausen. Mehr über ihre Arbeit hier:  Markus Novak und Ingrid Novak

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