Von Jürgen Heimann
Kennenlernen würde ich die Damen, die so rührend um mich bemüht sind und mir ständig nette E-Mails schreiben, ja schon mal ganz gerne. Sie heißen Karolin Holtzmann, Sophia Hoch, wahlweise Sofia Schwarze, Simone Wiesenmüller, Julia Scherer, Klaudia Waechter, Jana Schreiber und Vanessa Abend. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Nahezu täglich bekomme ich seit ein paar Monaten Post von ihnen und ihren offenbar reizenden Kolleginnen. Wobei sich ihr Output in jüngster Zeit noch einmal deutlich erhöht hat. Aber es ist schwer, an die Ladies ran zu kommen. Weil sie sich wie ein Phantom allen Annäherungsversuchen entziehen. Das ist wie verhext. Keine Sau kennt Sophia Schwarze aus der Grünauer Straße 30 in 21683 Stade. Und auch Gabriele Farber aus der Wallstraße 25 in 53506 Hönningen gibt Rätsel auf. Mir wie ihren Nachbarn. In dem pfälzischen zur Verbandsgemeinde Altenahr (Landkreis Ahrweiler) gehörenden 1047-Seelen-Kaff gibt es nämlich keine Wallstraße, geschweige denn eine farbige Gaby…
Und eine Grünauer Straße 30 in der niedersächsischen im Elbe-Weser-Dreieck gelegenen Kreisstadt Stade findet das Navy auch nicht. Da brauchen wir erst gar nicht nach Sophia Ausschau zu halten. Während sich die Handvoll Rednecks im Mecklenburg-Vorpommer‘schen Allershagen, in dem Marie Fink zu wohnen vorgibt, schon glücklich schätzen würden, wenn sie eine ordentliche Hauptstraße hätten. Im unweit von Rostock gelegenen suburbanen Outback hat es für die spärlich gesäten Einwohner gerade mal zu einer Alten Dorfstraße gereicht. Von einem Kurfürstendamm 58, der vermeintlichen Wohnadresse von Mariechen, ist man hier Lichtjahre entfernt. Einen solchen gibt es in Berlin, ebenso einen Los-Angeles-Platz. Den hat Ute Müller aber eben mal im Vorbeigehen in Hamburg verortet, wo man jedoch vergeblich danach sucht. Das gilt auch für sie selbst. Irgendwas ist hier faul….
Karibische Träume mit Katja, Claudia und Ute
Was Katja Diedrichsen aus Bachenberg, Claudia Eberswaldt aus Neualbenreuth, Diana Burmgarner aus Gudensberg und Sabine Drescher aus Keidelheim mit ihren Kolleginnen gemeinsam haben? Sie gibt es nicht. Das diese fiktiven Tussen verbindende Band läuft in Panama zusammen, im Südosten des Landes, in der Avenida Perez in Chitre. Wobei Panama, die Geburtsstätte des gleichnamigen Hutes, ja gleich schon mal ziemlich vertrauenserweckend klingt. Wir träumen von endlosen weißen Stränden, Sonne, Ex- und Erotik. Sehen uns mit einem Glas Carta Vieja oder Ron-Abuelo-Rum in der Hand auf der Dachterrasse eines 5-Sterne-Hotels stehen und den malerischen Sonnenuntergang im karibischen Meer beobachten. Und von dem Zeugs muss man schon einiges intus haben, um die sicherlich gut gemeinten Offerten der BSDF-Society richtig würdigen zu können.
Diese ehrenwerte Gesellschaft residiert in Suite 604 des dortigen Business-Centers. Unter dieser Adresse ist auch die „neue-buv.net“ eingetragen, auf deren Internetseiten man immer landet, egal welchen Link, den Chantal, Tatjana, Carmen oder Brigitte freundlicherweise mitgeschickt haben, man anklickt. Wer wäre denn nicht daran interessiert, 80 Prozent bei der Krankenversicherung zu sparen – bei gleichzeitiger Verdreifachung des Leistungsumfanges? Und eine Pflege-Ergänzungsversicherung, die im Falle eines natürlich nicht selbst verschuldeten Siechtums eine Rund-um-die Uhr-Betreuung durch eine frühere Miss Universum im Wechsel mit einer nur leicht verblühten Ex-Weinkönigin aus der Südpfalz garantiert, ist ja auch nicht von der Bettkante zu weisen. Zumal es noch ein zusätzliches monatliches Taschengeld von 1500 Euro obendrauf gibt und man den Dienstwagen mit Chauffeur auch nicht als geldwerten Vorteil deklarieren muss.
Grippeschutzimpfung mit Hostessen-Betreuung
Die private Berufsunfähigkeitsversicherung verdreifacht das monatliche Salär im Bedarfsfall sogar noch. Und mit der stattlichen Summe, die mir die Lebensversicherung ausgezahlt hat, nachdem ich einen tödlichen Unfall überlebt habe, schwimme ich im Geld, das dann keine Rolex mehr spielt. Was lacostet die Welt? Mit der Zahnzusatzversicherung kann ich mir sogar die handgeblasenen und mundgetöpferten, biologisch natürlich abbaubaren Ersatzimplantate aus sortenreinem südafrikanischem Platin der Güteklasse 1 locker leisten. Die werden dann aus ästhetischen Gründen noch mit chinesischem Porzellan aus der Ming-Dynastie überzogen. Und die Antwort auf die Frage, wie es den Zähnen nachts ginge, muss nicht mehr lauten: Wir schlafen getrennt! Beim Grippeschutz-Impfen ist natürlich Chefarztbehandlung garantiert, dreitägiger, der Rekonvaleszenz dienender Aufenthalt in einem Schweizer Chalet mit Hostessenbetreuung inklusive. Was will man(n) mehr?
Versicherungs-Lotto: Nur wer Pech hat, gewinnt
Die Herrschaften von „news-tarifvergleich.co“, „pflegeversicherung-sparen-online“, „testsieger-vergleichen-2016.co“. oder „persoenlicher-tarif.com“ wollen, das sei zu ihrer Ehrenrettung ausdrücklich erwähnt, nichts verkaufen. Sie bieten völlig uneigennützig und dem philanthropischen Ideal verpflichtet einen unverbindlichen, kostenlosen und objektiven Assekuranz-Vergleich an, aus dem man sich, individuell auf die persönlichen Verhältnisse zugeschnitten, die optimalste Lösung heraussuchen kann. Die Logos honoriger Branchengrößen wie Gothaer, Allianz, Axa oder Signal-Iduna sind in die Seiten implementiert und künden von Seriosität und Vertrauenswürdigkeit. Motto: “Bist bei Barmenia Du versichert, hast Du endlich ausgekichert”! Und wem das noch nicht reicht, der Verweis auf Empfehlungen der Stiftung Warentest, von Öko-Test oder Focus-Money beseitigt alle eventuell noch verbliebenen Restzweifel. Nun weiß man ja, dass Versicherungen wie Lotto sind, bei dem nur der gewinnt, der Pech hat. Dass die Assekuranz-Konzerne andererseits schadenfroh sind, kann man ihnen aber auch nicht nachsagen. Aber man braucht sie halt. Und wir wollen ja nix verallgemeinern. Das ist alles nur pauschal gemeint. Nur damit das niemand falsch missversteht….
Vertrauensvolle Geschäftspartner in Suite Nr. 220
Na, denn mal los. Abgefragt werden aus Panama lediglich ein paar persönliche Daten: Name, Beruf, Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse. Das war‘s schon. Ich hab’ ja nix zu verbergen. Meine Bankverbindung, die Geheimnummer der Kreditkarte oder den Zugangscode für Paypal wollen die gar nicht wissen. Das beweist, dass man diesen Leuten vertrauen kann, zumal sie auf eine 100-prozentige Kundenzufriedenheit verweisen. Ich habe natürlich zugestimmt, dass meine Eingaben nur dann an Dritte weitergegeben werden, „wenn dies zum Zweck der Durchführung eines etwaigen Vertrags mit dem Nutzer erforderlich ist“. Gleiches gilt für die Speicherung und Verarbeitung der von mir freiwillig hinterlegten Informationen. Eine anderweitige Verwendung findet nämlich nur mit meiner vorherigen ausdrücklichen Einwilligung statt. Das ist doch schon mal beruhigend.
Dass die entsprechenden Server der „neue-buv.net“ in den USA stehen und ein Privacy-Service in Kanada die Anonymität der Domain-Inhaber schützt, muss doch nicht gleich misstrauisch machen, oder? Und dass die im Business-Center im panamesischen Chitre residierenden Anbieter immer mal die Bürofluchten wechseln, sich mal in Suite 220, dann mal in jener mit der Nummer 117 oder der 310 für ihre Klienten krummlegen, ist vielleicht Zufall und muss nichts bedeuten. Vermutlich wird in dem Objekt gerade renoviert und das Service-Team eilt den Handwerkern nur voraus.
Das große Fressen der Adressen
Auf den einschlägigen Spamwatch-Seiten im Web wird allerdings ausdrücklich vor dieser mit BASF weder verwandt noch verschwägerten BSDF-Mischpoke gewarnt. Es handele sich um eine windige Briefkasten-Firma, der es alleine um das Sammeln persönlicher Daten gehe. Die Adressen würden natürlich weiter verkauft. Muss man eigentlich immer alles gleich schlecht reden? Gut, das mit dem Adresshandel ist ein riesiger Markt, auf dem sich fast alle größeren Unternehmen bedienen, um ihr Direktmarketing noch effizienter gestalten zu können. Aber warum sollte man den Großen Haien der Branche wie Acxiom Deutschland, ABIS, Adress-Base oder der Deutschen Post Direkt GmbH das große Meer zum Geldfischen alleine überlassen? Soll sich doch auch die Mittelamerika-Connection ein bisschen was hinzuverdienen. Die Leute dort unten haben es ja auch nicht leicht und den (Panama-)Kanal langsam voll.
Wenn einem in Folge die Herr Kaisers von der Hamburg-Mannheimer und deren freundliche Mitbewerber die Bude einrennen, braucht man sich allerdings nicht zu wundern. Wenn der Briefkasten von Beate-Uhse-Werbung oder solcher aus dem Hause Pedigree-Hundenahrung überquillt, auch nicht.
Sprachbehinderte Gorilla-Waisen mit Laktose-Intoleranz
Und wer garantiert denn, dass sich nicht auch die Russenmafia oder der „IS“ ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen und mich zwecks Aufbaus einer engeren Geschäftsbeziehung kontaktieren? Oder die alpine Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger auf dem großen Brocken? Der zwielichtige Bursche neulich an der Haustür, der vorgab, für notleidende und unter einer Laktose-Intoleranz leidende, orientierungslos durch die namibische Tiefebene irrenden sprachbehinderten Gorilla-Waisen mit künstlichem Darmausgang zu sammeln, kam mir gleich verdächtig vor.
Verkehrsrechtsschutz für elektrischen Outdoor-Rasenmäher
Etwas an Unwägbarkeit bleibt also. Wälzen wir das Restrisiko also sicherheitshalberauf unseren kranken Nachbarn ab. Das ist der, der auf älteren Fotos immer viel jünger aussieht und dessen Brüder alle Fritz heißen. Außer Karl. Der heißt Otto und ist ein Snob. Lässt sich sogar die Petersilie mit Fleurop ins Haus schicken. Ich habe unter seinem Namen, also dem von Fritz, mal Interesse an einer Verkehrshaftpflicht für batteriebetriebene Outdoor-Rasenmäher bekundet und nach den Konditionen für eine Hochwasser-Versicherung mit Selbstbeteiligung in Nouakchott gefragt. Das liegt in der Sahel-Zone. Außerdem den regelmäßigen Newsletter bestellt und am Preisausschreiben von Victoria’s Secret teilgenommen. Hauptgewinn: Drei Paar lichtfeste und beheizbare Allwetter-Stützstrümpfe in den Farben Pink, Grün und Cyan aus freilaufender Bodenhaltung. Natürlich habe ich mit Freuden zugestimmt, künftig über weitere interessante Angebote informiert werden zu wollen. Beraterbesuche sind selbstverständlich willkommen. Und gegen ein informatives Schwätzchen am Telefon habe ich, also mein Nachbar, dieser alte Lethargiestratege, auch nichts. Jederzeit gerne.
Der Kerl kann sich, kein Witz, jetzt sogar gegen den Abstieg seiner Lieblingsmannschaft versichern. Hat er auch getan und bekommt, falls die Gurkentruppe tatsächlich aus der Bundesliga fliegt, als Wiedergutmachung eine kleine finanzielle Entschädigung. Sofern er die Rechnung, die demnächst bei ihm eintrudeln wird, innerhalb von 30 Tagen begleicht. Für Darmstadt 98 und Ingolstadt sind die Tarife aktuell allerdings etwas hochpreisig, dafür gibt’s die entsprechenden Policen für Bayern und RB Leipzig für einen Apfel und ein Ei – noch. Der gute Mann von nebenan steht auf Borussia Dortmund. Ich habe mich in seinem Namen für Schalke entschieden und auch Beratungsbedarf für eine Schwangerschafts-Risiko-Versicherung angemeldet.
Mit dem Letta-Bahnticket für 40 Euro auf die Cayman-Inseln
Als passionierter Tierschützer, der noch nicht einmal Pudelmützen trägt, wird er sich über ein dreimonatiges Probe-Abo von Jagd & Hund sicherlich freuen. Und er darf sich demnächst als großzügiger Gastgeber eines orgiastischen Tupperabends bewähren, weiß es aber noch nicht. Die Auslagen dafür sind zu vernachlässigen. Zumal da ja noch der 25.000-Dollar-Bargeld-Sofortkredit der Cayman National Bank winkt, den ich für ihn beantragt habe. Die vertraglichen Konditionen, auch was eventuelle Sicherheiten anbelangt, wird ein Beauftragter des Geldinstitutes vor Ort mit ihm selbst klären. Ein Teil der Summe kann dann wiederum bei der Meridian International Trust-Fonds Bank auf den Jungferninseln in Pfefferspray- und Latex-Anleihen reinvestiert werden. Die unterschriftsreifen Unterlagen kommen demnächst per Post. Da war auch noch ein Letta-Bahn-Ticket zum Schnäppchenpreis drin. Gab’s auf einem Mitreiseportal. 40 EUR für eine IC-Fahrt nach Rom hin und zurück im Schlafwagenabteil. Das Ticket kommt per Nachnahme.
Man sieht, es ist so einfach, seine Mitmenschen glücklich zu machen und etwas überraschende Farbe in ihren tristen Alltag zu bringen. Und jetzt warten wir mal ab, was passiert. Wenn dann demnächst ein Lastzug mit Braunkohle-Briketts seine Ladung vorm Nachbarhaus löscht, obwohl der Hausherr erst kürzlich seine neue Pellets-Heizung in Betrieb genommen hat, ist das sein Problem, nicht meins.