Was er denn bisher gemacht hätte? Er sei „Creative Associate Chief Accountant-Manager-Assistant bei einem Subdivided E-Commerce Volatility Investment Provider“ gewesen, antwortet der Kandidat selbstbewusst. Auszüge aus einem Bewerbungsgespräch, dem zu lauschen ich unlängst das Vergnügen hatte. Der Name unserer international operierenden Firma tut nichts zur Sache. Wir stehen auf so etwas. Während Medizin und Wissenschaft vom „Acquired Language Deficiency Syndrome“ (ALDS) reden, was so viel wie „Erworbenes Sprachschwäche-Syndrom“ bedeutet, finden wir selbst und unsere „Chiefs“ „Denglish“ einfach nur cool, pardon, kühl.Nichts gegen ein paar kleine Anglizismen. Die haben wir quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen und sie sind schon längst in der deutschen Sprache aufgegangen. Man könnte auch sagen, sie seien darin integriert. Aber dann wären wir auf einer anderen Baustelle, der der Fremdwörter. Anglizismen und Fremdwörter haben jedoch eines gemeinsam: Ihre verstärkte Verwendung soll Modernität sowie sprachliche und intellektuelle Kompetenz vortäuschen, die in Wahrheit oft gar nicht vorhanden sind. Das Prinzip: Deutsche Begriffe werden durch wichtigtuerische, nichtssagende Phrasen ersetzt.
Endfuffziger im Coldwear-Fleece-Dress
Es ist wie eine Seuche, die sich schleichend, aber unerbittlich-konstant ausbreitet. Und das Gefährliche daran: Wir merken kaum, dass wir uns da einen Virus eingefangen haben. Nicht nur Jugendliche sind anfällig dafür. Die Bereitschaft, sich zunehmend englischer Begriffe zu bedienen, ist inzwischen generationsübergreifend. Etwas seltsam klingt es dann schon, wenn sich der in Ehren ergraute Endfuffziger, der mit der perfekt gestylten Frisur und dem echt chic designten Coldwear-Fleece-Dress am Service-Point beim Customer Care der deutschen Powerschwätzer nach der Speed-Performance seines Handshields erkundigt. Anschließend eilt er zum Kick-Off-Meeting des neuen Live-Workshops, um als Highlight vor den versammelten Board-Chiefs ein Statement über die Frequently Asked Questions (FAQ) des neuen Masterplans abzugeben. Vorher hatte er sich als Mitglied der „Forward-thinking Community“ noch schnell das Netbook upgegradet. Wie das funktioniert, konnte er ja dem Download-Special des Software-Supportes entnehmen. Das ersparte ihm einen Call bei der Live-Hotline, und das klingt zugegebenermaßen wesentlich besser als die Übersetzung „Kundentelefon“.
Früher hieß der „Facility Manger“ noch Hausmeister
Man kann’s auch übertreiben! Und genau das passiert – immer öfter. Wir bilden uns etwas auf unsere neue Assembly-Line ein, haben selbstverständlich einen „Product-Support“ und auch zuständige Leute für „After-Sales“. Wir leisten uns einen „Lean-Manager“ und, was ganz Hohes, einen „Chief Executive“. Und dann haben wir noch einen „Director Human Resources“, was abends an der Bar deutlich „tougher“/“taffer“ klingt als der profane „Personalchef“. Nicht zu vergessen der „Purchasing Manager“, der aber in Wirklichkeit auch nur ein schlichter Einkäufer ist und in der Rangliste unwesentlich unter dem „Area Manager South-West“, also dem Gebietsverkaufsleiter für Sachsen-Thüringen, steht. Einen „Facility Manager“ haben wir selbstverständlich auch. Früher war das der Hausmeister. Er war auch zuständig, sollte auf dem stillen Örtchen einmal das „Toilet Cleaning Set“ gefehlt haben. Also, wenn die Klobürste nicht da war, hat er für Ersatz gesorgt.
Und das alles ist ja noch längst nicht das Ende der Fahnenstange bzw. der Point of Return. Wir „meeten“ tagtäglich bis zum Abwinken, gehen in den „Conference-Call“, checken unsere E-Mails und daten die To-Do-List up. Nicht immer ist das Feedback, das uns im Laufe des Tages erreicht, „friendly“. Deshalb marschieren wir nach Dienstende in den Pub oder in den Coffee-Shop, um zu Relaxen und zu Chillen. Vorher haben wir aber noch etwas Small-Talk mit der Security (Pförtner) gemacht. Uff!! Da wir’s einem ganz schwindelig. Wenn das Goethe und Schiller wüssten, sie würden uns als Wiedergänger nachts im Albtraum (Nightmare) heimsuchen, um uns die/den Faust nebst Glocke um die Ohren zu hauen.
„Herrenunterhose mit kurzem Beinteil“ klingt aber blöd
Noch ein paar Beispiele gefällig? Leibwächter heißen neuerdings nur noch „body guards“. Wir fahren nicht mehr Fahrrad, sondern „biken“, feiern nicht mehr Weihnachten, sondern „X-Mas“ und zappen mit der Fernbedienung auch nicht zum Nachrichtenkanal, sondern holen uns unsere Infos beim „news channel“ . Andererseits: „Herrenunterhose mit kurzem Beinteil“ klingt ja nun echt bescheuert, wenn man sich mal an „Boxer-Shorts“ gewöhnt hat. Und „Kompaktschallplattenspieler“ würde auch keiner sagen, wo es doch den „CD-Player“ gibt. Gegen „Fairness“, „Trainer“, „Interview“, „Doping“ und „Slang“ ist eigentlich auch nichts einzuwenden, aber müssen wir unsere „Snacks“ für zwischendurch wirklich im „Back- und Coffee-Shop“ kaufen, in „Outdoor Jackets“ schlüpfen, uns im „Sun-Point“ die Haut vergerben lassen und unsere Revue-Körper mit „Body Shaping“ und „Power Walking“ stählen? My dear Mr. Singing Club! I only understand railstation.
Ach so, der eingangs erwähnte Stellenbewerber hat den Job bei uns natürlich bekommen. Zu nix zu gebrauchen, aber zu allem fähig ist er jetzt als „Acting vice assistant“ des „Department Managers for Strategical Abstraction Analyses“ (SAA) tätig und in dieser wichtigen Funktion verantwortlich für „Customer Care and Subcontractor Support “. Keiner weiß, was das ist, klingt aber gut, gell?
NACHTRAG!!!
Einen Beitrag zum Thema liefert, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, der bekannte Wirtschafts- und Finanzjournalist Michael Vaupel. Er macht dies am Beispiel einer Firma fest, die sich, wie viele andere auch, voll dem Zeitgeist moderner Planungs- und Managementstrukturen verpflichtet fühlt. Die Lösung aller Probleme liegt im Einsatz externer Unternehmensberater. Das sind übrigens Leute, die Dir auf der eigenen Uhr sagen, wie spät es ist …
Ein chinesisches und ein europäisches Unternehmen entschlossen sich dazu, ein Ruderboot-Rennen der beiden firmeneigenen Teams zu organisieren. Beide Teams übten lange und hart, um ihre bestmögliche Performance zu erreichen. Am Tag der Entscheidung gewannen die Chinesen mit einem Kilometer Vorsprung. Die Europäer, die sehr enttäuscht waren, entschieden sich, nach dem Grund für diese Niederlage zu suchen. Ein Management-Team wurde mit der Ursachenforschung betraut und sollte anschließend Verbesserungsvorschläge entwickeln. Die Schlussfolgerung war: Die Chinesen hatten acht Leute, die ruderten, und einen, der steuerte, während die Europäer acht Leute, die steuerten, und einen, der ruderte, hatten.
Deshalb beauftragte das europäische Management einen „Consultant“, und bezahlte eine große Summe für eine zweite Meinung. Auch dieser Berater meinte, dass zu viele Leute steuerten, während nicht genug Leute ruderten. Um eine weitere Niederlage zu verhindern, wurde die Management-Struktur des Ruder-Teams komplett reorganisiert; es gab vier „steering supervisors“ (steering = steuern), drei „area steering superintendants“ und einen stellvertretenden „area steering superintendant“. Es wurde auch ein neues Performance-Mess-System eingeführt, das der Person, die ruderte, einen größeren Anreiz bot, alles zu geben. Das wurde “Ruder-Team Quality First“-Programm genannt. Dieses Programm bestand aus Meetings, gemeinsamen Abendessen und kostenlosen Kugelschreibern für den Ruderer. Es wurde auch darüber diskutiert, ob neue Paddel, ein ganz neues Ruderboot, zusätzliche Übungstage und einen Bonusplan angeschafft bzw. eingeführt werden sollten.
Im nächsten Jahr gewannen die Chinesen mit zwei Kilometern Vorsprung. Das gedemütigte Management entließ den Ruderer wegen schlechter „Performance“, es stoppte die Entwicklung eines neuen Ruderbootes, verkaufte die Paddel und beendete die Investitionen in neues Material. Das Geld, das dadurch gespart wurde, wurde an das Topp-Management als Bonus ausbezahlt. Im Jahr darauf wurde das europäische Ruderboot-Team nach Indien „outgesourced“.
Natürlich ist das nur eine frei erfundene Geschichte. Denn selbst ernannte Top-Manager, die sich selbst hohe Bonuszahlungen zugestehen und gleichzeitig Arbeitsplätze abbauen (obwohl die Mitarbeiter ihr Bestes geben und eigentlich auch ohne diese sehr produktiv arbeiten könnten) und die die eigenen Fehlentscheidungen mit wohlklingendem “Denglish” beschönigen – die gibt es in Europa natürlich gar nicht. Oder doch?
Gut, dass die beiden Dichterfürsten das nicht mehr erleben müssen. Sie würden uns sonst die (den) Faust nebst Glocke um die Ohren hauen.