Es war ein musikalischer Vielseitigkeitsritt, ein klangvolles Kontrastprogramm und, wenn man so will, ein Spagat zwischen den Stilen und Epochen. Hier die federhafte Leichtigkeit verspielter barock’scher Kammer- und Salonmusik, dort der von virtuoser Improvisationskunst getragene Groove eines Jazz-Trios in nicht gerade standesgemäßer instrumentaler Besetzung. Und zwischendrin eine über die Jahrhundert-Grenzen hinweg führende Zeitreise durch den Kosmos der klassischen (und zeitgenössischen) Gitarrenkunst.
In Sachen Vielfalt durften keine Wünsche offen geblieben sein, als sich der Kulturkreis Eschenburg-Dietzhölztal am Sonntagabend im Ewersbacher Kronberg-Form von seinen 250 Gratulanten verabschiedete. Gratulanten deshalb, weil die von Organisation in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag begehen kann, in dessen Rahmen dieses als Jubiläums-Konzert deklarierte Hörerlebnis eingebettet war. Musik, betonte der Eschenburgs Rathauschef Götz Konrad als Gastgeber und Vorsitzender des Veranstalterkreises, zähle zu den bedeutendsten und emotionalsten Musen. Man brauche sie nicht unbedingt, aber sie sei eine schöne Dekoration für das Leben. Und es sollte dann auch ein äußerst dekorativer Abend werden.
Die Stoßrichtung des KKED hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert etwas gedreht. Ging es Anfangs noch darum, Kultur von außerhalb zu importieren, um den Menschen (und ihre Gästen) in der Region Adäquates bieten zu können, ist man in jüngster Zeit mehr und mehr dazu übergegangen, dahingehend aus eigenen Ressourcen zu schöpfen. Hierzulande gibt es kreative und künstlerisch begabte Kräfte en Masse. Selbigen eine Plattform zu eröffnen, darin sieht der Kulturkreis inzwischen seine eigentliche Aufgabe.
Und wenn man die regionalen Grenze nur großzügig genug auslegt, dann hätte auch das “Trio Pulcinella” dahingehend ins eher lokal fixierte Konzept gepasst. Die Kammermusikanten mit dem Hang zur Heiterkeit kommen nämlich aus Marburg. Und dass der begnadete Jazzgitarrist dieses Abends sogar aus Italien stammt (aber in Siegen wohnt), auch darüber kann man wohlwollend hinweg sehen.
Zwischen Sperrmüll-Blues und Eichhörnchen-Step
Dass man/frau in der Besetzung Blockflöte/Oboe, Querflöte und Klavier auch packenden Blues, Swing und Ragtime spielen kann, diese doch verblüffende Einsicht verdankt das Publikum den “Pulcinellas” aus der oberhessischen Universitätsstadt. Andrea Rüppel (Querflöte) und Pianist Peter Groß waren zwar schon wiederholt im Dietzhölztal zu Gast gewesen, doch für den neuen Dritten im Bunde, Matthias Friedrich, war es eine Premiere. Und der begnadete Flötist und Oboist aus Heidelberg erwies sich als echte Bereicherung. Natürlich kamen die fidelen Drei nicht darum herum, aus dem Fundus von Georg Philipp Telemann, dem produktivsten Komponisten barocker Kammermusik, zu schöpfen, doch später geborene Kollegen wie beispielsweise William Y. Hurlstone oder William Popp hatten es auch ganz schön drauf. Von dem 2001 gestorbenen Hans-Georg Lotz, dem Erfinder des “Sperrmüll-Blues” oder des “Eichhörnchen-Steps”, ganz zu schweigen. Mit ihren überwiegend poetischen, atmosphärisch dichten Instrumentalstücken glückte den Gästen ein beschwingter Einstieg in den Abend.
Small-Talk, Häppchen und ein Gläschen Prickelndes in der Pause gehören zu einem solchen Jubiläums-lastigen “Event” einfach dazu. Ebenso gebietet es der gute Ton, auch diejenigen, die seinerzeit die Gründung des Kulturkreises angeschoben hatten, zu Wort kommen zu lassen: die früheren Bürgermeister Otto Schlemper (Eschenburg) und Werner Dreißigacker (Dietzhölztal). Und sie machten keinen Hehl daraus, dass sie mit dem, was ihre Nachfolger aus dieser Organisation gemacht haben, höchst zufrieden sind.
Im faszinierenden Kosmos klassischer Gitarrenkunst
Und bevor es in die Halbzeitpause ging, gehörte die staunende Aufmerksamkeit des Auditoriums drei Künstlern, die direkt aus der Nachbarschaft, aus Haiger, kommen und zu den Besten ihres Fachs zählen: Familie Monno. Johannes, der Vater, der als Gitarrenprofessor an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart lehrt, hatte seine Tochter Paulina und den erst zehnjährigen Sohn Rafael mit auf die Bühne gebeten. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Meist zu zweit, aber auch schon mal als Trio, jagten die fingerfertigen Saitenzauberer durch den faszinierenden Kosmos der klassischen Gitarrengunst. In diesem von längst verstorbenen Titanen wie John Dowland, Mauro Giuliani, Fernando Sor oder auch Radamés Gnattali bewohnte Universum leuchten die Sterne hell. Man musste die Komponisten, deren Werke die als “Monno, Du, Trio” angekündigten Haigerer im Gepäck hatten, nicht unbedingt namentlich kennen, um ermessen können, wie brillant und virtuos ihr reiches Erbe hier verwaltet und weiter entwickelt wurde. Puristisch instrumentiert, nur mit ihren Akustischen “bewaffnet”, verbeugten sich die sympathischen Musiker vor den Göttern ihrer Zunft. Und einen Platz im entsprechenden Olymp hat schon zu Lebzeiten die Komponistin, Gitarristin und Musikpädagogin Maria Catharina Linnemann sicher, deren in Noten gefasste Reiseimpressionen zum Schönsten gehören, was an Zeitgenössischem aus dieser Ecke klingt. Fazit: Das war eine in Saitenklang gefasste Sternstunde.
Kreative, impulsive Strukturen
Und dann wurde es etwas lauter, ein klein wenig. Und anders. Das schon mehr. Und divergenter. Cool, sauber akzentuiert, virtuos serviert, spannend, unberechenbar und für nicht wenige durchaus auch erst einmal gewöhnungsbedürftig. Das roch nach Jazz – und war auch Jazz, in einer mitreißenden, teils durchaus auch unkonventionellen Spielart. Patrick Zapf proudly presents: sein Bruderherz Oliver an den Drums und den italienisch-stämmigen Ausnahmegitarristen Mario Mammone. Und es war eine Premiere. In dieser Konstellation waren die Drei zuvor noch niemals öffentlich aufgetreten. Das Repertoire bestand im Wesentlichen aus Kompositionen des Pianisten und Keyboarders. Patrick Zapf zählt Joe Zawinul, Chick Corea und Herbie Hancock zu seinen großen Vorbildern. Seine Werke zeichnen sich durch moderne, kreative und impulsive Strukturen aus, bei denen das polyrhythmische Element mal mehr, mal weniger dominiert, die aber allen Beteiligten Raum für improvisierte Linienschreibung lassen. Wobei seinem Fender Rhodes natürlich auch in Ewersbach eine Schlüsselrolle zukam.
Nun mag es ja durchaus sein, dass diese Art von Musik nicht nach jedermanns Geschmack ist. Aber muss man/frau deshalb zwischendurch in störender Erhebung den Saal verlassen? Das gehört sich nicht und zeugt von wenig Respekt gegenüber den (unbestreitbaren Leistungen) der Künstler – auch wenn deren Vorträge vielleicht nicht in die eigene klangliche Vorstellungswelt passen. Aber den Saal leer zu spielen, wie sich Patrick Zapf auszudrücken pflegte, gelang ihm und den Seinen trotzdem nicht.