Rotorman's Blog

Von guten und zutiefst bösen Mächten: Glaube
und Widerstand – Dietrich Bonhoeffers große Liebe

Die Requisiten waren spärlich, die Orchestrierung minimal. Doch das Kammer-Musical, bestritten von einer einzigen Person, der Pastorin, Theologin, Sängerin und Schauspielerin Miriam Küllmer-Vogt, ging unter die Haut. Heftigst. Eine Hommage an den großen Theologen und von Nazi-Schergen ermordeten Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. Foto: Michael Brück

Von Jürgen Heimann

Die Frau ist schon der Knaller. Wo andere Ensembles in Kompaniestärke auftreten, stemmt sie die Show ganz alleine. Fast. Ein  Klavierbegleiter ist auch noch mit an Bord. Aber damit wäre das personelle Aufgebot auch schon erschöpft. Die Künstlerin heißt Miriam Küllmer-Vogt, ist ausgebildete Pastorin, Theologin, Sängerin und Schauspielerin. Eine ziemlich außergewöhnliche Mixtur, wie ich finde. Und sie hat damit Erfolg. Mächtig sogar.

Ein Kammer-Musical mit nur einer Protagonistin scheint in Tagen, in denen eine Helene Fischer die größten Hallen der Republik mit einem erschlagenden Sound-, Light- und Visual-Effekt-Bombast überzieht, der ohne Mithilfe von mindestens zehn zutragenden Stage-Trucks und Dutzenden von Background-Sängern und Hupfdohlen erst gar nicht auf Touren kommt, hoffnungslos veraltet und aus der Zeit gefallen zu sein. Langweilig eben, bieder, trist. Schmalspur, Wie versucht, aber nicht gekonnt. Ist es aber nicht. Das Gegenteil ist der Fall.

Den Besuchern im evangelischen Gemeindehaus von Simmersbach knallten die Echos nach der letzten, von euphorischem Schlussapplaus begleitenden Final-Nummer noch lange durch den Kopf. Schon viel gesehen und erlebt, aber so etwas doch noch nicht. Da hatte in den zwei vorangegangenen Stunden „Bonhoeffers große Liebe“ aufgeleuchtet. Die jenes großartigen Mannes, Pfarrers und von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers, der ganze Generationen von Theologen und Demokraten durch sein selbstloses, mutiges und bestimmtes Wirken beeinflusst und geprägt hat. Der aufrecht und nackt, ohne vor seinen primitiven Peinigern zu buckeln, in den Tod ging, weil er eben wusste, dass eine weitgrößere Gestalt, als es sich diese primitiven  NS-Schergen in ihrer verqueren, grausamen Fantasie hätten vorstellen konnten, seine beschützende Hand auch in Folge über ihn halten würde. 

Dietrich Bonhoeffer ist eine inzwischen schon beinahe überhöhte Gestalt im christlichen Selbstverständnis der Kirche. Zu recht. Keiner vor und nach ihm hat das christliche Selbstbild so vehement vertreten und geprägt, kaum einer war bis zur letzten Konsequenz entschlossen, diesem alles zu opfern, auch sein eigenes Leben. Wohl jeder kennt seinen unsterblichen, von ergreifender Lyrik geprägten Hit „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Aber nur wenige wissen, was dieser großartige Mann durchlitten hat und was ihm die Kraft gab, bis zuletzt an seinen Überzeugungen fest zu halten.

Hallo? Kein Anschluss unter dieser Nummer. Dietrich B. kann nicht mehr abheben. Er wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenburg erhängt und hielt bis zuletzt an seinen Überzeugungen fest. Foto: Michael Brück

So direkt stand „Bonni“ noch nicht einmal im Mittelpunkt der Inszenierung. Es war eher eine Frau, seine Ex-Verlobte und große Liebe: Maria von Wedemeyer. In deren Rolle schlüpfte Miriam Küllmer-Vogt als ein Teil jener zwei Königskinder, die nie zusammen finden durften und konnten.

Ein kleiner Tisch mit Teetassen und einer Kerze, ein altes Radio und eine Kassette mit Briefen und anderen Erinnerungsstücken – das war’s denn auch schon an Requisiten. Innerhalb dieser minimalistischen Szenerie erzählte die Künstlerin ihre Geschichte, und die von Dietrich Bonhoeffer. Als 18-jähriger Teenie hatte sich das Mädel unsterblich in diesen bedeutenden und wesentlich älteren Mann verliebt. Doch die Beziehung hatte keine Chance, über die geschlossene Verlobung hinaus zu wachsen. Bonhoeffer, schon kurz danach von Gestapo-Schergen inhaftiert, musste (oder durfte) wenige Wochen nach Beginn dieser Liaison, am 9. April 1945 im KZ Flossenburg vor seinen Schöpfer treten.

Die letzten Briefe und Gedanken, die er zuvor in seiner gerade mal sechs Quadratmeter großen Zelle an seine große Liebe gerichtet und verfasst hatte, sind das poetische Gerüst, aus dem dieses minimalistische Musical seine Kraft und Spannung bezieht. Belebt und getrieben von einer Actrice, die so authentisch und überzeugend agierte, dass sich bei den Zuschauern die Nackenhärchen aufstellten. Ein großartiger Abend. Danke!!!!

Salute! Einen Toast auf „Bonni“. Miriam Küllmer-Vogt alias „Maria von Wedemeyer“ hält die Erinnerung an einen der bedeutendsten Theologen und Widerständlers gegen das NS-Regime wach. Fotos: Michael Brück.

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