Von Jürgen Heimann
Cocktail-Party in der Nobel-Lounge des For Season. Weiß der Himmel, wie man zu dieser Einladung gekommen ist. Wir fühlen uns geehrt. Ungezwungener Small-Talk in kleinen Gruppen. Da geht es dann um adäquate Debugging-Strategien zur Optimierung stringenter Konzepte oder auch ergonomische Flowmethoden als Top Requirements äquivalenter Parallelität. Alles klar. Aber dann kommt die Gretchenfrage: Und was machen Sie so? Wenn die Rede auf die berufliche Profession kommt, sieht man sich als einfacher, von mentaler Insuffizienz gebeutelter Bub vom Dorf schnell in die Defensive gedrängt. Als praktisch-bildbarer Sachbearbeiter eines mittelständischen Familienbetriebs, der Zubehör für recycelbare, selbstleuchtende Senftubenschraubverschlüsse produziert, lässt es sich gegen all die hypen und coolen Head of’s und Fuck-offs, diese geschniegelten „Content-Manager“, „Frontend-Application Engineers“ und gelackten „User-Interface-Designer“ kaum anstinken.
Wie man aus dieser Nummer wieder herauskommt, und zwar mit Glanz und Gloria? Nix einfacher als das. Ein paar undurchsichtige Konstrukte aus dem Phraseologie-Baukasten, gemixt mit einigen Anglizismen, durchgerührt und gut geschüttelt, und der als „Cash Relation Officer“ getarnte Sparkassenangestellte macht keinen Stich mehr. Und die gebührenpflichtige Überweisung kann er sich sonst wo hin stecken.
Coole Jobs aus dem Phraseologie-Baukasten
Wie wär’s beispielsweise mit “Executive Assistant of Cross Functional Monitoring”? Oder darf es auch ein “Central Deputy of Synergy Corporate Finance” sein? Der “Dynamic Associate for Foreign Interaction” hört sich aber auch nach was an, ebenso der “Primary Agent of NextGeneration Recruiting”. Aber ich denke, das Tätigkeitsfeld eines “National Developer of Visionary Ligitation and Fraud” sagt mir doch letztlich mehr zu, weil es spannend und abwechslungsreich ist. Keinen blassen Dunst, was das alles zu bedeuten hat. Klingt aber cool.
Keiner würde in dieser erlauchten Runde zugeben wollen, sich seinen kargen Lebensunterhalt als einfacher aber ehrbarer Maler und Lackierer verdienen zu müssen. Doch mal ehrlich: Fachkraft für Farbenverteilungstechnik klingt da doch gleich viel besser. Und so steigt auch ein braver Dachdecker zum Hochflächen-Design-Ingenieur auf. Aber die anderen beherrschen das Spiel auch. Der “Technical Horticultural Maintenance Officer”, mit dem man sich eben noch so angeregt über Naturdüngung und ökologischen Senfgurkenanbau bei abnehmendem Neumond unterhalten hat, entpuppt sich als (schlichter) Gärtner, der keineswegs immer der Mörder sein muss. Während der “Stock Replenishment Adviser”, wenn man mal nachhakt, auch nur die Regale bei Aldi auffüllt. Da braucht sich der Postbote nicht zu verstecken und darf sich als “Dispatch Services Facilitator” zu erkennen geben. Auf Deutsch nennt er sich übrigens “Briefbeförderungstechniker”. Derweil mutiert die unermüdliche Hausfrau zum “Domestic Engineer”. Ihr zur Hand geht der “Crockery Cleansing Operative”. Das ist der Tellerwäscher.
Der Zivilversager als Krisenmanager
Der ewige Oberfeldwebel der Bundeswehr, abschätzig auch “Zivilversager” genannt, ist streng genommen eine “Fachkraft für Internationales Krisenmanagement”. Und unter uns gesagt, aber nicht verraten: Ein “Foot Health Gain Facilitator” ist nichts anderes als jemand, der sich um die verkrümmten und verkrüppelten Hufe seiner Mitmenschen bemüht: nämlich ein Fußpfleger. Beim Spritfassen an der Tanke unseres Vertrauens ist der “Petroleum Transfer Engineer” behilflich. Früher sagte man Tankwart dazu. Und der Fensterputzer geht elegant als “Vision Clearance Engineer” durch. In der Werkskantine tischt Helga auf. Sie ist “Education Centre Nourishment Production Assistant”. Die Sekretärin vom Abteilungsleiter spielt sich als “Head of Verbal Communications” auf, und auf der Nachhausefahrt im Bus kontrolliert der “Revenue Protection Officer” den Fahrausweis.
Noch weitere Beispiele? “Environment Improvement Technician” klingt nach einem ziemlich gut bezahlten Job, dabei kriegt die Stelleninhaberin gerade mal den Mindestlohn in Höhe von 8.84 Euro. “EIT” ist die neue Fachbezeichnung für Putzfrau. Und bei einem “Knowledge Navigator” handelt es sich schlicht und ergreifend um einen Lehrer. Der “Media Distribution Officer” kommt hingegen von der Presse. Das ist der Zeitungsausträger. Das langweilige Blatt, das er frühmorgens verteilt, wandert am Abend in die blaue Tonne. Die wird dann in zweiwöchigem Rhythmus vom “Waste Removal Engineer” geleert, dem Müllmann.
Flugkapitän, Lokführer, Rennfahrer oder Zirkusdirektor waren mal. Dem Sandkasten-Alter entwachsen, wollen die Kids von heute was ganz anderes werden. Vielleicht irgendwas mit Medien anstellen, Betriebs- oder Wirtschaftswissenschaften studieren, in Forschung, Medizin oder Raumfahrttechnik reüssieren. Vielleicht gibt’s auch irgendwann mal den Friedenspropellerpreis dafür. Und während des Studiums jobben sie dann, um sich das Dolce Vita zu finanzieren, als Infobroker. So nennt sich der BWL’ler, der nebenbei Zeitungsseiten archiviert.
Menschliche Vogelscheuche und Alibi-Konstrukteur
Wenn Ulf Muuß mal in Pension geht, könnte man sich auch um dessen Nachfolge bemühen. Der Mann ist am Flughafen Köln-Bonn als lebende Vogelscheuche im Einsatz. “Bird Controller” nennt er sich. Um die Piepmätze, die den Flugverkehr gefährden könnten, zu vertreiben, setzt er u.a. auf akustische Abschreckungsstrategien und bedient sich hin und wieder auch der Hilfe eines lebenden Frettchens. Eine andere Option wäre es, bei einer Alibi-Agentur als Ausredenerfinder anzuheuern. Das ist aber eher etwas für Leute, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Sie konstruieren glaubhafte Gründe, die dem Klienten den Rücken freihalten, wenn dieser beispielsweise zu einem Seitensprung ansetzt. Das Rund-um-Sorglos-Paket schließt beispielsweise auch das Verschicken gefälschter Einladungen zu Seminaren oder fingierte wichtige Anrufe ein.
Man/frau kann sich allerdings auch etwas Bodenständigeres aussuchen. Es muss ja nicht gleich Schnürsenkelbügler, Kirschkernschnitzer, Meditations-Träumer, Bienenflüsterer, Lückenfüller oder Waffel-Designer sein. Da finden sich noch viele andere tolle Jobs, die den tristen Rahmen des Üblichen sprengen. Beispielsweise der Kondom-Qualitätskontrolleur oder auch „Condom Quality Controller“. Den gibt es wirklich. Und viele weitere spannende Professionen, die den Traum, sein Hobby zum Beruf zu machen, Wirklichkeit werden lassen. Welche das sind, steht hier: