Von Jürgen Heimann
Unser wirtschaftlicher Wohlstand gründet auf Konsum. Nur wenn Verbraucher auch verbrauchen, geht es Industrie und Handel gut. Den Menschen mitunter auch. Den einen mehr, den anderen weniger. Nun ist es mitunter notwendig, die Nachfrage etwas anzukurbeln und den potentiellen Abnehmer in die richtigen Bahnen zu lenken. Dafür steht den Verkaufs-Strategen ein immer ausgefeilter werdendes Instrumentarium an psychologischen Tricks zur Verfügung, von denen wir wissen, dass es sie gibt, sie eben aber nicht immer gleich durchschauen. Dass wir entsprechend manipuliert werden, damit haben wir uns abgefunden. Das gehört zum Spiel, dessen Regeln man aber zumindest ansatzweise kennen sollte.
Gut, wer sich auf eine Kaffeefahrt einlässt und sich für 9,70 Euro aus dem mittelhessischen Outback an die Nordsee karren lässt, Mittagessen und Präsent inklusive, weiß von vornherein, dass es zum Kalkül der großzügigen Gastgeber gehört, ihm noch weitere Goldstücke aus dem Portemonnaie zu ziehen. Er lässt es zu. Die Reiseteilnehmer fühlen sich verpflichtet, sich für den preiswerten Abenteuerspaß erkenntlich zu zeigen. Das ist ein ganz wesentliches psychologisches Element bei der Planung solcher Touren.
Vogelfutter für die Schwarzwälder Kuckucksuhr
Die Moderatoren der im nicht ganz kostendeckenden Fahrpreis enthaltenen Produktpräsentationen gehören zur Elite ihrer Zunft. Das sind schillernde Verkaufskanonen, die selbst einem Bewohner der Sahelzone noch einen Schneeschieber andrehen – und den Eskimos eine Tiefkühltruhe. Einer von ihnen hat sogar einem Amerikaner eine original Schwarzwälder Kuckucksuhr aufgeschwatzt, nebst zwei Kilo Vogelfutter.
Da gehen auch die gegen Erdstrahlen und Wasseradern schützenden LED-beleuchteten Rheumadecken mit eingewebten Stanniolbändern und integriertem Selbstzerstörungsmechanismus zum Schnäppchenpreis von 370 Euro weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln. Und für ein Dampfbügeleisen aus garantiert biologischem Anbau, das auch mp3-Dateien abspielen und Video-Streams aus dem Internet laden kann, sind wir doch gerne bereit, zwei Hunnis und mehr auf den Tisch zu blättern. Die brave Hausfrau freut sich, arbeitet sie doch künftig beim Fernsehen: Sie bügelt vor der Glotze. Nicht zu vergessen das Angebot der Woche, das es exklusiv nur für die Teilnehmer dieser Reise gibt: den Frequenzresonator. Das leichtgewichtige Mind-Control-Wunder in MK-Ultra-Qualität kann man sich ausschließlich an diesem Tag zum Freundschaftspreis für nur 198 Euro sichern.
Orangen-Otto und Keks-Kurti als Showmaster
Gut, solche Kaffeeausflüge gehören jetzt eher zu den gröberen Klötzen des Verkaufens. Erlebnis-Shopping, das diesen Namen verdient, wird den Besuchern des Hamburger Fischmarktes zuteil. Da ist der Unterhaltungsspaß noch um ein Vielfaches größer als der Wert der erstandenen Ware. Wenn Aale-Dieter, der nebenbei tatsächlich auch als Verkaufstrainer jobbt, loslegt, bleibt kein Auge trocken. Er, daselbst seit 1958 zugange, ist der Star unter seinesgleichen, ob die nun Nudel-Norbert, Orangen-Otto oder Keks-Kurti heißen. Da ist es letztendlich egal, ob die von ihm angepriesenen schlangenförmigen Unterwasserbewohner hier vielleicht 25 Prozent teurer sind als beim stationären Gräten-Dealer in Altona. Was zählt sind Show und Entertainment. Das lassen wir uns denn auch gerne mal etwas (mehr) kosten. Aber das Ganze basiert schon auf einem ausgeklügelten, psychologisch fundierten System, wie diese SWR-Doku aufzeigt:
Die täglichen Versuchungen in den natürlich nach strengen Sheng-Fui-Gesichtspunkten ausgerichteten Konsumpalästen und Supermärkten der übrigen Republik sind da schon wesentlich diffiziler und filigraner gestrickt, die Fußangeln und Fallstricke besser versteckt und getarnt. Dass die “Quengelzone” hier zur Standardausstattung gehört, hat sich ja inzwischen sogar bis in den letzten Kuhdorf-Winkel herumgesprochen. Diese Bereiche befinden sich meist in unmittelbarer Kassennähe, wo in kindgerechter Augenhöhe überteuerte Leckerlis darauf warten, von genervten Müttern als Beruhigungspillen für ihre meuternden Bälger erstanden zu werden. Die Süßigkeiten standen zwar nicht auf der ursprünglichen Einkaufsliste, aber man/frau muss halt flexibel sein und sich der jeweiligen Situation anpassen. Zumal die Forschung längst herausgefunden hat, dass die Kunden 70 Prozent ihrer Kaufentscheidungen sowieso spontan im Geschäft treffen.
Gut geplante Spontankäufe durch rechtzeitiges Bremsen
Ein Supermarkt-Management, das sein außer- und übertarifliches Gehalt wert ist, überlässt, geht es um Umsatzsteigerung, nichts dem Zufall. Das fängt natürlich schon bei der Innenarchitektur an, führt über die Einrichtung, die vorgegebene Laufrichtung, die Warenanordnung bis hin zu allen kleinen Geschwindigkeitstrichtern und Showstoppern, die man zunächst gar nicht als solche identifiziert.
Die Bremszone, meist nur einige Quadratmeter groß, befindet sich in der Regel im Foyer und dient dem Zweck, den eiligen Kunden zu entschleunigen und in Kauflaune zu versetzen. In großen Kaufhäusern heißen diese Areale „Decompresition-Zones“. Nichts kann den erhofften Umsatz nämlich mehr ausbremsen als ein Kunde, der, weder nach links noch nach rechts schauend, im Dauerlauf durch die Regalreihen stürmt, um ganz unbeirrt seine Einkaufsliste abzuarbeiten. Damit der sich erst mal wieder beruhigt und ein Stück runterkommt, bremsen ihn ein paar Aufsteller und/oder grottenlahme Drehkreuze im Eingangsbereich aus. Ist diese Hürde genommen, kann es losgehen. Mit welchen psychologischen Stolperfallen die Kunden in Folge rechnen müssen, wo die Gefahr für einen „Spontankauf“ lauert , der ja gar keiner ist, sondern von langer Hand vorbereitet wurde, nur halt nicht von einem selbst, hier einige Beispiele: