Ihren Namen verdanken diese Sechsfüßer dem auffälligen Werkzeug am Hinterleib, das an den Giftstachel von Skorpionen erinnert. Doch im Gegensatz zu selbigen sind die Skorpionsfliegen mit ihrem für ihre Art charakteristischen rüsselartig verlängerten Kopf völlig harmlos und ungefährlich. Auch wenn es nicht immer und überall zutrifft, dass sie keiner (anderen) Fliege etwas zu Leide tun (können). Aber wenn schon, dann sind es zumeist verletzte oder tote Insekten, die auf dem Speisezettel dieser zur Familie der Schnabelfliegen zählenden Spezies stehen. Daneben bereichern aber auch Nektar, Früchte (z. B. Himbeeren) oder der Honigtau von Blattläusen ihre Haute Cuisine. Mit einem solchen meist nach oben gekrümmt getragenen „Stachel“ ausgestattet sind bei dieser weltweit in etwa hundert verschiedenen Arten vorkommenden Gattung nur die Männchen. Dabei handelt es sich um deren Genitalsegment, während das Hinterleibsende bei den Damen zugespitzt ist und als Legeröhre verwendet wird. In Mitteleuropa gibt es fünf verschiedene Arten, wobei die etwa 18 Millimeter lange Gemeine Skorpionsfliege die am meist verbreitete ist. Es sind hoch interessante Vertreter (und Vertreterinnen) aus dem faszinierenden und schier unüberschaubar großen Reich der Insekten. Und da gilt in mehrfacher Hinsicht.
Guten Appetit: Es ist angerichtet
Einige Arten lassen sich „bekochen“ und bedienen sich, Mahlzeit, auch schon mal in der Vorratskammer von Webspinnen. In deren Netzen tun sich die hungrigen Fliegen an den dort festgesetzten Beutetieren gütlich. Kleptoparasitismus nennt man so etwas. Und der ist im Tierreich weiter verbreitet als man denkt. Raubmöwen, Fregattvögel, Seeadler oder Diebsspinnen reiten auf (die) ähnliche Tour und lassen andere für sich arbeiten. Die Skorpionsfliegen haben dabei eine bestimmte Technik entwickelt, die sie davor bewahrt, an den klebrigen Fäden der Netze hängen zu bleiben. Sie balancieren geschickt auf den einzelnen „Strängen“ und setzten Mitteldarmsaftsekret ein, um sich, so erforderlich, wieder davon zu lösen. Warum die Mundräuber das ungestört tun dürfen und nicht von den achtbeinigen Hausherren und –herrinnen, die das natürlich mitbekommen, attackiert werden, bleibt ein großes Geheimnis der Natur.
Relativ umfassend erforscht ist hingegen das Fortpflanzungsverhalten dieser Tiere. Und hier gibt es durchaus Parallelen zum Balzverhalten des Homo sapiens. Während sich der auf Brautschau befindliche Zweibeiner vor dem Rendezvous ja auch meist mit einem mehr oder weniger dezenten Eau de Cologne bzw. After Shave besprüht, verfolgt der Skorpionsfliegen-Galan mit der Produktion eines körpereigenen Boten- und Duftstoffes den gleichen, durchsichtigen Zweck, nämlich den, das paarungsbereite Weibchen anzulocken.
Während sich die olfaktorische Reichweite beim Menschen, abhängig von Hersteller und Art des Parfüms, auf einen meist ziemlich kleinen Radius beschränkt, ist der Fliegenkavalier mit seiner Armani-Plörre in einem Umkreis von acht Metern nicht zu überriechen, zumindest für seine Angebetete nicht. Fährt die drauf ab, nähert sich das Insektenmännchen ihr mit typischen Auf- und Abbewegungen des Hinterleibs. Die Menschen bedienen sich, um sich entsprechend zu artikulieren, in solchen Situationen mitunter eines vergleichbaren, körperbetonten Bewegungsvokabulars, wenngleich in vertauschten Rollen.
Um die Paarungsbereitschaft der Lady anzuregen, hat es sich für Skorpionsfliegen-Herren als zielführend erwiesen, der Dame seines Herzens und Begehrens ein totes Insekt zum Verspeisen anzubieten. Wahlweise tun es als Geschenk auch mehrere Speichelkügelchen. Wir Menschen laden unsere Angebetete stattdessen zum Lieblingsitaliener ein oder bestechen sie mit und durch einen Strauß roter Rosen. So weit sind wir doch eigentlich gar nicht auseinander…