von Jürgen Heimann
Gut, wenn ich Rosa Höschen, Axel Schweiß, André Richtung, Karla Schnikof oder Ann Schaffen hieße, würde ich auch eine Namensänderung in Erwägung ziehen. Kostet, je nachdem, ob der Vor- oder der Nachname korrigiert werden soll, zwischen 2,50 und 1022 Euronen und muss im Standes- bzw. Einwohnermeldeamt des Vertrauens beantragt werden. Liegen (ge-)wichtige Gründe vor, wird dem Wunsch in der Regel auch entsprochen. Ist aber oftmals auch Ermessenssache und von der Tagesform des jeweiligen Sachbearbeiters abhängig. Aber bei Anna Bolika, Paul Ahner, Bernhard Diener, Fanny Knödel, Marion Nette, Ina Möse, Wilma Ruhe, Hans Wurst oder Nina Vagina sollte der Fall eigentlich klar sein. Eigentlich. Aber man weiß ja nie.
Aber das ist nur die Spitze des anthroponymischen Eisbergs. Und man fragt sich natürlich automatisch, was sich Vati und Mutti einst dabei gedacht haben mögen, ihren Nachwuchs mit so einer onomatologischen Erblast auszustatten. Vermutlich haben sie gar nicht (nach-)gedacht. Sonst hätte das Ehepaar Bogen ihre Tochter nie und nimmer Ellen genannt. Und den Crohns wäre auch etwas Besseres eingefallen als Maria. Die Armen sind meist fürs Leben ge- und bezeichnet, blicken aber immer in lächelnde Gesichter, sobald sie sich namentlich vorstellen. Das gilt für Rod Weiler, Jack Pott, Marga Milch und Erkan Alles ebenso wie für Will Kürlich, Harry Po, Jo Gurt und Philipp Pienen,
Anders verhält es sich mit den Ortsnamen, also jenen von Städten, Dörfern, Käffern und besiedelten Misthaufen mit und ohne Kreisverkehr. Deren Namen sind oft historisch gewachsen und, ursprüngliche Bedeutung hin oder her, im Laufe der Jahrhunderte in ihrer Syntax verändert worden, sodass ein Bezug zur ursprünglichen Etymologie heute nur schwer herstellbar ist. Aber egal: Entscheidend ist, was hinten heraus kommt bzw. was da auf der Ortstafel steht. Und das dient auch nicht immer und überall zur Erbauung der Bewohner.
Langsam Fucking in Oberösterreich
Wenngleich: Zumeist haben die sich längst an den Spott, der sich an ihrer Herkunft entzündet, gewöhnt. Aber der Blick der Hotel-Rezeptionistin, in deren Liste sich der Gast als aus Tuntenhausen kommend einträgt, spricht Bände. Und mal Hand aufs Herz und aus der Hose: Wer will schon in Fickhausen wohnen? Unabhängig davon, dass der Ort im Landkreis Cuxhaven durchaus seine Schokoladenseiten haben mag. Und die leben da auch keineswegs nur von Lust, Luft und Liebe.
By the way: Der kleine 93-Seelen-Flecken „Fucking“ in Oberösterreich ist längst zum Wallfahrtsort anglo-amerikanischer Spaßtouristen geworden. Ganze Busladungen von ihnen brummen heran, um sich in den unterschiedlichsten, meist ein- und zweideutigen Posen vor einer der insgesamt acht Ortstafeln fotografieren lassen. Die sind als Souvenirs so begehrt, dass die Kommune sich gezwungen sah, sie durch Einbetonieren, Anschweißen und Vernieten vor Diebstahl zu sichern. Nicht wenige Alteingesessene hadern mit dem berühmten Ortsnamen. Siehe auch: http://www.spiegel.de/video/fucking-dorf-in-oesterreich-streitet-ueber-ortsnamen-video-video-1191524.html
Zusätzliche Heiterkeit, wenn auch nicht unbedingt unter den Bewohnern selbst, löste eine unter dem Ortschld angebrachte Zusatztafel aus“ Bitte nicht so schnell…“. Spielt ja keine Rolle, dass Autofahrer damit ob der kreuzenden Schukinder zum Langsamfahren aufgefordert werden sollten. Seit eine Brauerei auch noch den Bölkstoff „Fucking Hell“ aus ihren Sudkesseln schöpft, kennt die Begeisterung der überwiegend trinkfesten, überwiegend aus England kommenden Turnierbrenner hier keine Grenzen mehr. Obwohl die Brauer gar nicht in Fucking, sondern angeblich irgendwo in Deutschland sitzen. Den Markennamen für ihr Gebräu haben sie sich inzwischen aber schützen lassen.
Würgen mit schmutziger Fantasie
Es bedarf meist wenig (schmutziger) Fantasie, um aus den entsprechenden Gemeindenamen einen sexuellen Bezug abzuleiten. Ein Lump, der Schlechtes oder Schlüpfriges dabei denkt. Gut, wir in Mittelhessen sollten uns da vielleicht auch etwas zurück halten. Immerhin gibt es bei uns ja auch das mit Langscheid in der Eifel verschwisterte Breitscheid. Und sogar ein Eiershausen. Und unsere Burbacher Nachbarn jenseits der Landesgrenze sind stolz auf ihren Ortsteil Würgendorf, in dem die Bewohner aber auch nicht zu einer häufigeren Kontraktion des hinteren Rachenraumes neigen als anderswo, oder überdurchschnittlich oft mit entsprechenden Reflexen gegen ihr ungenießbares Frühstück rebellieren. Auch weist die Kriminalstatistik für dieses Dorf keine exorbitant höhere Todesrate durch Strangulation aus als in anderen Gemeinden Nordrhein-Westfalens.
Zwischen Poppenhausen und Geilenkrichen
Dagegen klingt Poppenhausen, wie es beispielsweise in Unterfranken oder, weltbekannt durch den Segelflugzeugbau Schleicher, in der Rhön zu finden ist, schon etwas anzüglicher. Dabei leitet sich die Bezeichnung von einem früheren Personennamen („Boppo“ bzw. „Poppo“) ab, einer Kurzform von „Bodebert“ („der als Gebieter Glänzende“). Aber wen interessiert das in diesem Kontext schon?
Auf jeden Fall wehren sich die Bürger von Geilenkirchen vehement gegen wie auch immer geartete adjektive Rückschlüsse. Und welchen Präferenzen die Bewohner von Rammelsbach, Blasendorf oder Petting anhängen, diese Frage wäre bei Günther Jauch auch noch zu stellen. Wir setzen dann den Telefonjoker.
Grapschen in Tittenkofen
Anderes Beispiel: Die Bewohner von Hirzenhain nennt man “Hirzenhainer”. Und die von Nanzenbach “Nanzenbacher”, was allein für sich genommen schon schlimm genug ist. Aber es ist auch unverfänglich. Aber wie bitteschön soll man die Bürger von Ficker und Pups (beide Orte liegen, natürlich, wo sonst, in Bayern) rufen soll. Davon abgesehen soll sich das oberbayerische Tittenkofen, der Geburtsort der Kabarettistin Monika Gruber, unter Freunden gepflegter kapitaler Oberweiten großer Beliebtheit erfreuen. Das gilt auch für Busendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark, dessen Ortstafel aber erst durch ein entsprechendes Zusatzzeichen („Unebene Fahrbahn) an Höhen und Tiefen gewinnt. Und, nomen est omen, es gibt sogar ein „Mösendorf“ (in Oberösterreich) und ein Eichelhardt im Westerwälder Landkreis Altenkrichen.
Aber auch jenseits gewisser eindeutiger Zweideutigkeiten findet sich viel Kurioses auf der Landkarte. „Faulebutter“, „Fettehenne“ und/oder „Ludendorf“, dem Sitz der Geschäftsstelle der vereinigten Zuhälter im Rhein-Sieg-Kreis zum Bleistift. Und wer traut es sich zu, den Bewohnern von Katzenhirn im Unterallgäu Einsteins Relativitätstheorie erklären zu wollen? Selbige haben auch die Blödesheimer im Rheinhessischen bis heute nicht begriffen. Immerhin waren die aber so schlau, ihr Kaff in Hochborn umzutaufen, weil sie den Spott auf Dauer nicht mehr ertragen konnten. In Deppendorf bei Bielefeld und Dummendorf bei Lübeck zerbricht man sich noch heute darüber diese komplexe Theorie den Kopf. Dabei sind Alberts Überlegungen und Annahmen doch ganz simpel und lassen sich am Beispiel eines Motorradfahrers leicht veranschaulichen: Je schneller, desto weniger alt!
Apropos betagt: Leichendorf, Sargleben, Sargstedt, Sterbfritz, Verscheid oder Altenöd scheinen mir für die Mitglieder der geriatrischen Fraktion nicht unbedingt die richtigen Locations zu sein. um dort den Lebensabend zu verbringen. Was im Übrigen auch für Todesfelde, Kranzbach, Himmelreich und Ende gilt.
Pissen als Hauptstadt der Inkontinenzler
Und ziemlich ungesund lebt es sich in Husten, Niesen, Jucken, Brechen, Leiden, Kotzen, Elend, Aua, Schmerz, Eiterbach, Qual, Siechen, Magenbruch und Notschrei. Gilt auch für den Altmerdingsener Ortsteil Krätze. Dass von der Harnstein-Industrie geprägte Pissen bei Leuna hingegen gilt als heimliche Hauptstadt der Inkontinenzler, während Villeroy und Boch unlängst in Klobach den Grundstein für ein neues Sanitärwerk gelegt haben soll. Noch ein paar Beispiele? In Ostholstein befindet sich das Hauptquartier der Loser und Blindgänger: Luschendorf. Gehört zur Gemeinde Ratekau, zehn Kilometer nördlich von Lübeck gelegen. Derweil verwahren sich die Bewohner eines kleinen Hunsrück-Gemeinde dagegen, Trantüten und Lahmärsche zu sein. Das Kaff heißt Langweiler und ist staatlich anerkannter Fremdenverkehrsort! Die Bayern halten mit acht Gemeinden namens “Einöde” erfolgreich dagegen. Während ein Ortsteil der Gemeinde Meineweh in Sachsen-Anhalt tatsächlich Oberkaka heißt.
Kombinationen aus Personen-, Orts- und Straßennamen, ob konstruiert oder tatsächlich existent, zeitigen mitunter richtig spannende, krasse und teilweise auch grenzwertige Ergebnisse. Beispielsweise dann, wenn wir die eingangs erwähnte Rosa Höschen im Wuppertaler Stadtteil Dreckloch verorten, während ihr Verlobter, Paul. G. Ruch, aus Rammelsbach kommt. Aber die allerschönsten Geschichten schreiben da immer noch die Einwohnermeldeämter. Und ein Stöbern in den Telefonverzeichnissen unserer Republik kann auch ziemlich erheiternd sein.
Winfried Stecher aus Weibersbrunn
Eigentlich sei er eine Frohnatur, sagen die Nachbarn über Hans-Heinrich Sorgenfrei aus Kummerfeld, während über das Sexualleben von Siegfried Keusch aus Kloster Allendorf nur wenig bekannt ist. Über das Hobby von Georg Vögele aus 86874 Tussenhausen möchte ich nicht spekulieren, auch darüber nicht, womit Winfried Stecher aus 63879 Weibersbrunn am liebsten seine Freizeit verbringt. Bei Kurt Sauff aus Weingarten liegt es auf der Hand, während H. Saufhaus aus Brechen den Alkohol wohl nicht so gut verträgt. „Morgens einen Joint, und der Tag ist Dein Freund“ könnte sich Peter Hanf aus 84626 Drogen zum Lebensmotto auserkoren haben. Ilona Musch aus St. Blasien, Giesela Eier aus Klöden und Jens Arschwager aus Hodenhagen haben dahingehend die Aussage verweigert.
Wäre ich Herbert Axt, ich würde umziehen (oder den Beruf wechseln). Der Mann ist Physiotherapeut und praktiziert bezeichnenderweise in der Knochenhauerstrasse 15. Ingeborg Storch hingegen gilt als erfahrene Hebamme und wohnt wo? Im Storchenweg! Adebar, wie wunderbar! Über einen Adresswechsel hat garantiert auch B. Vögelfänger aus dem Amselweg 25 schon mal nachgedacht, während C. Fleischhammel am Schafstall 12 angeblich aber Veganer is(s)t. Alfred Grabsch wohnt in der Straße „Am Knie“, sein Nachnamensvetter Rudolf in der Pfotenhauerstrasse 18.