Von Jürgen Heimann
“Leise kommst Du in mein Zimmer, betastest meinen nackten Körper, bis du die süßeste Stelle gefunden hast. Dann beginnst Du zu saugen”. Szenen, die sich in diesem Sommer millionenfach in deutschen Schlafzimmern abspielen dürften. Und das ist nicht der vielversprechende Beginn eines erotischen Romans. Scheiß Mücken! Legionen von ihnen hocken in den Startlöchern, haben sich bereits die Servietten umgebunden und freuen sich auf einen leckeren Umtrunk. Experten sagen eine Plage voraus. Der Generalangriff auf uns steht unmittelbar bevor. Das kann heiter werden.
Die Bajuwaren soll es besonders hart treffen. Während die Berliner Ende Juni in der Innenstadt schwimmen gehen konnten, hat das Volk jenseits des Weißwurstäquators andere Sorgen. Daselbst, prophezeien Fachleute, werden sich die Stechmücken in der aktuellen Saison explosionsartig vermehren und besonders massiv zuschlagen. Da dürften die Lederhosenfreunde und ihre zivilen Landsmänner und -frauen ganz schön zu kratzen haben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die derzeitigen Bedingungen sind für die Plagegeister – wir reden jetzt von den Moskitos, nicht den Blau-Weißen- aber auch in anderen Regionen der Republik äußerst günstig. Die warme und feuchte Witterung der vergangenen Wochen hat ihnen Vorschub geleistet. In den vielen Tümpeln, die nach heftigen Regenfällen entstanden sind, fanden die Larven ideale Voraussetzungen, um sich ungestört und prächtig zu entwickeln. Da kommt noch einiges auf uns zu.
Einen kleinen Vorgeschmack auf bevorstehende Stecherfreuden gab es bereits Mitte Juni am Ammersee. Dort musste ein direkt am Gewässer gelegenes Restaurant wegen zu großen Ansturms vorübergehend schließen. Aggressive Mücken waren zu Tausenden über die Gäste hergefallen. Einzelne Besucher kassierten bis zu 40 Stiche innerhalb kürzester Zeit. Die Begeisterung darüber hielt sich verständlicherweise in Grenzen. Nun hat man in Bayern langjährige Erfahrung im Umgang mit den aufdringlichen Insekten. Und auch damit, wie man sich ihrer erwehrt. Darauf gründet auch ein wesentliches ihrer folkloristischen Elemente: der Schuhplattler. Das ist so eine Art südpreußischer Sirtaki. Die Choreografie ist den Bewegungsabläufen bei der Abwehr eines entsprechenden Stechmückenangriffs nachempfunden. Der bekannte Mückenforscher Christoph Süß kann das mit diesem Video belegen:
OK. Zumindest Manuela braucht sich nicht zu wundern, wenn die lästigen Zweiflügler bei ihr Schlange stehen. Ihr Posting auf Facebook hat hohe Erwartungen geweckt: „Schlafe heute Nacht bei offenem Fenster“. 23.263 Mücken gefiel das, 4.885 von ihnen haben den Beitrag kommentiert, 563 ihn geteilt. Eine Mücke hat eine Veranstaltung erstellt, 16.863 haben ihr Kommen fest und verbindlich zugesagt. 13 sind noch unentschlossen. Das verspricht, Tanz der Vampire, eine Mega-Party zu werden!
Getrennt marschieren, vereint zuschlagen
Wir bekommen es derzeit mit drei Typen von Stechinsekten zugleich zu tun. Da sind einmal die letzten Exemplare der aggressiven Frühjahrsmücken, deren große Stunde eigentlich Ende April schlägt. Truppenmäßig unterstützt werden sie von der gemeinen Hausmücke. Das Adjektiv „gemein“ trifft es in diesem Zusammenhang voll. Diese Art ist hierzulande am weitesten verbreitet. Die wissenschaftliche Bezeichnung lautet “Culex pipiens”. Dann müssen sich Badegäste an Seen oder Flüssen noch gegen die Überschwemmungsmücken wappnen. Die pflegen ihre Eier in trockenen Gebieten abzulegen, die bei steigendem Wasserspiegel geflutet werden.
Die lästigen Blutsauger können ihren unfreiwilligen Wirten aber nicht nur das gastronomisch servierte Feierabendbier verhageln, sondern auch den lauen Terrassenabend oder die Nachtruhe. Dies allein schon durch ihr nerviges, hohes Sirren. Da reicht schon ein einziger Eindringling völlig aus. Und an einen geruhsamen Schlaf ist nicht mehr zu denken. Morgens sind die Opfer mit juckenden Einstichen übersät. Daraus hat die Mückenmama dann das Frühstück für ihren Nachwuchs in spe generiert. Der Einstich bewirkt meist eine allergische Reaktion der Haut, wodurch sich Quaddeln bilden. Ausgelöst werden diese durch Proteine, die ausgeschüttet und eingespritzt werden, um ein Gerinnen des Blutes zu verhindern.
Unstillbare Gier: Nur die Weibchen stechen
Bei fast allen Arten sind es die Weibchen, die sich als Vampire aufspielen. Und dagegen helfen auch keine Knoblauchknollen. Sie brauchen das Blut, damit sich ihre (befruchteten) Eier entwickeln können. Davon legen sie bis zu 800 an der Zahl. Pro Stich entnehmen die Biester dann etwa 0,005 ml. Ansonsten ernähren sie sich aber, wie ihre kleineren Männchen ebenfalls, von zuckerhaltigen Pflanzensäften, vorzugsweise Nektar. Von menschlicher Warte aus betrachtet gelten die Ladies dieser Spezies deshalb auch als die Bösen, während ihre Galane da als wesentlich angenehmere Zeitgenossen daher kommen. Eben weil sie nicht pieken. Aber wer kann die Geschlechter bei diesen Plagegeistern, die selten größer als 15 Millimeter werden, schon auseinander halten? Es trifft, Klappe, halt oft auch die Falschen.
Der Mythos vom süßen Blut
Es ist übrigens ein Mythos, dass die Stecher vornehmlich auf süßes Blut stehen bzw. fliegen. Vielmehr und in erster Linie lassen sie sich vom Schweißgeruch ihrer Opfer anlocken. Zersetzt sich Schweiß auf der Haut, entstehen Ammonium und Buttersäure – beide Stoffe wirken auf Mücken wie ein Magnet. Duftstoffe in Shampoos und Gels zeitigen die gleiche anziehende Wirkung. Deshalb in der Hochsaison am besten auf parfümfreie Mittelchen zurückgreifen. Und wer das Falsche isst, hat auch schon verloren. Reis gehört dazu. Er fördert die Freisetzung von Kohlenmonoxyd über Poren und Atem. Für Mücken eine Einladung zum Tanz und anderem. Kohl hingegen, und wir reden jetzt nicht vom verstorbenen Ex-Kanzler, soll die Viecher verprellen.
“Stanzen”, wie die Stechmücken in Süddeutschland auch genannt werden, sind keine guten Flieger. Schon die leichteste Brise wirft diese entomologischen Luftfahrer aus der Bahn und erschwert die Landung. Und mehr als Tempo 2,5 km im Horizontalflug sind bei ihnen eh nicht drin. Bei schwülwarmem Wetter, bedecktem Himmel und bei Windstille ist deren Aktivität am höchsten. Ihre Opfer lokalisieren die Viecher über Duftstoffe, die in Schweiß und Atem enthalten sind und die sie über viele Meter Entfernung wahrnehmen können. Der unangenehme Summton erfüllt allenfalls die Funktion von Tafelmusik. Er ist eher bei der Partnersuche wichtig. Beide Seiten passen bei der Annäherung die Höhe ihrer Töne, die im Frequenzbereich zwischen 550 und 600 Hertz liegen, einander an. Über diese Musik finden die Paare zueinander.
Moskito-Tussen leben länger
Die männlichen „Staunsen“ tanzen und surren allerdings nur einen Sommer. Die Lebenserwartung ihrer Frauchen indes ist, wie beim Menschen auch, wesentlich höher, weil sie sich über den Winter retten können, um im Frühjahr gleich wieder mit der Eiablage zu beginnen. Die kalte Jahreszeit verbringen die erstarrten Moskito-Tussen gerne in feuchten, ungeheizten Räumen. Wer Spinnen aus seinem Haus verbannt oder gleich platt macht, tut sich deshalb selbst keinen Gefallen. Solche Mücken, auch Gelsen oder Schnaken genannt, stehen bei den nützlichen Achtbeinern als Appetithappen nämlich hoch im Kurs.
Weltweit gibt es ca. 3.500 verschiedene Stechmückenarten. In Europa rund 104. In Deutschland etwa 50. Eine gängige Bezeichnung ist auch der Name “Moskito” (wörtlich: “Kleine Fliege”). Neben klassischen Stechmücken unterscheiden die Entomologen noch etwa 14.000 andere Arten blutsaugender Insekten: Flöhe, Läuse, Bremsen, Zungenfliegen und Wanzen beispielsweise. Lästig sind sie alle. Das gilt vor allem auch für Gnitzen, Griebel- und Sandmücken. Und nicht zuletzt für die erwähnten “Bremsen”, die sich, einmal auf Einkaufstour, kaum bremsen lassen. Diese aufdringlichen Vertreter gehören wiederum zur Gattung der Fliegen, sind deutlich größer als Mücken und haben eine besonders penetrante Art, um Mensch und Tier zu attackieren.
Die Bremsen sind nicht zu bremsen
Die von ihnen erzeugten Stichwunden sind relativ groß und auch deutlich schmerzhafter als die der Moskitos. Ein Mücken-Angriff bekommt das Opfer meist erst mit einiger zeitlicher Verzögerung zu spüren. Schlägt jedoch ein “Blinder Kuckuck” zu, merkt man/frau das unmittelbar. Mit weniger als 0,2 ml Blut begnügen sich diese hungrigen Biester auch selten. Die Einstichstellen “tropfen” oft nach. Die weit verbreitete Bezeichnung “Blinde Fliege” basiert vermutlich auf der falschen Annahme, die Tiere könnten nicht sehen, weil sie sich durch Handbewegungen kaum verscheuchen lassen. Aber diese “Brämen” blicken voll durch. Haben sie einmal angedockt, geben diese kleinen Monster freiwillig nie und nimmer klein bei, komme was da wolle. Sie sind einfach stur und im wahrsten Sinne des Wortes “verbissen”. Abschütteln lassen sie sich schon gar nicht. Im Gegensatz zu anderen Insekten kleben “Dasselfliegen” förmlich auf der Haut. Selbst von hektischen Bewegungen, wildem Umherschlagen oder Bespritzen mit Wasser zeigen sie sich völlig unbeeindruckt. Untertauchen im Schwimmbad nutzt auch nix. Nach dem Auftauchen sind die Draculas immer noch da. Da hilft nur die Holzhammermethode. Und Tschüß! Doch Vorsicht! Wie sagte einst Konfuzius? “Erst wenn eine Mücke auf Deinen Hoden landet wirst Du lernen, Deine Probleme ohne Gewalt zu lösen”.
Die Asiatische Tigermücke ist auf dem Vormarsch
Zunehmend Verbreitung in Europa findet auch die in den süd- und südostasiatischen Tropen beheimatete Asiatische Tigermücke. Eine brandgefährliche Spezies, die neben anderen Viruserkrankungen das mitunter tödliche verlaufende Chikungunya- , Zika und Denguefieber unter die Leute bringt. Auf der EU-Liste der invasiven Arten, die es auszurotten gilt, steht ihr Name jedoch nicht. Im Gegensatz zum bekanntermaßen noch blutrünstigeren und um ein Vielfaches gemeingefährlicheren Waschbären, der, glaubt man einschlägigen Jäger-Kreisen, ganze Landstriche leer frisst und den Naturhaushalt in Gänze bedroht. Man muss, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, halt Prioritäten setzen.