Rotorman's Blog

Eau de Kloak, Puffbenzin, Bibergeil: Von
Duft-Dealern und parfümierten Power-Usern

Schlimmer

Man(n) fragt sich, welche Emissionen schlimmer sind. Das Wort “Duft” kommt übrigens aus dem Althochdeutschen und bedeutet so viel wie Dunst und Nebel.

Von Jürgen Heimann

Wir wollen es mal so parfümieren, ähm, formulieren: Beate ist trotz fehlender Erfolgserlebnisse der felsenfesten Überzeugung, dass ihr Sex-Appeal proportional zur Millilitermenge des verwendeten Eau de Kloak steigt. Was ihren gebeutelten Kollegen, die das keineswegs dufte finden, gewaltig stinkt. Die riechen den Braten nämlich sofort, auch über weite Entfernungen hinweg. Die persönliche Duftnote eilt der Bukettschleuder immer mehrere Nasenlängen voraus. Betritt die in eine olfaktorische Burka gehüllte Dame das Büro, ist das wie ein Giftgasangriff. Was die Fliegen, die komatös von der Wand fallen, bestätigen können. Aus- und Absonderungen, die wie eine alles zudeckende und unter sich begrabende Puffbenzin-Wolke durch den Raum wabern und den wehrlos nach Luft japsenden Opfern den Atem rauben. 

Den 28. Juni hatte sich dieses wandelnde Klimarisiko im Kalender wieder besonders dick markiert. Dann ist jeweils “Weltdufttag”, der höchste Feiertag deodorisierter Stinkmorchel und -morchelinnen. Er wurde anno 2004 erstmals ausgerufen und wird seit 2013 mehr oder weniger global begangen. Wobei es, nebenbei bemerkt, zwischen Duft, Geruch, Mief und Gestank schon graduelle Unterschiede gibt. Aber das hat unserer mockernden Aroma-Tante bislang niemand plausibel machen können. Ebenso wenig wie den Unterschied zwischen Odor, Odeur und Malheur. Und dabei bleibt es sich zunächst einmal geschnupft wie gerochen, ob die Tusse bei Chanel, Dior, Bulgari, Betty Barclay oder Laura Biagiotti aus dem Vollen geschöpft hat.

Hipster-Pumper in Jogginghosen

Weniger ist mehr

Eau- de-Cologne-Heavy-User verfügen über ein ganzes Arsenal anrüchiger Kampfstoffe, die nicht immer mit der Genfer Konvention im Einklang stehen.

Nun sind die von überdurchschnittlich parfümierten Menschen ausgehenden Emissionen mindestens ebenso unangenehm wie jene, die von unterdurchschnittlich geduschten, Seife, Bade-Gel und Shampoo nur in homöopathischen Dosierungen nutzenden Zeitgenossen in die Welt gesetzt und verströmt werden. Gepflogenheiten, die von Rücksichtslosigkeit zeugen und die genauso anrüchig sind wie lautes Rumgenöle in der Fußgängerzone und das Tragen von Jogginganzügen auf einer Beerdigung. Man kann das genauso gut und ausgeprägt bei den Herren der Schöpfung beobachten bzw. erschnüffeln. Da gibt es nicht wenige Hipster-Pumper, die baden in Pre-, Between- und in After-Shave. Vor allem deshalb, um die  Ladies  anzulocken. Was häufig auch gelingt, aber anders als erhofft. Stimulieren, motivieren und animieren lassen sich dadurch vor allem Stechmücken- und Bremsenweibchen. Das sind unter ihresgleichen die wahren Stecher. Die fliegen auf so etwas.

Wilhelm Busch und das limbische System

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Weniger ist oft mehr. Und zwischen Duft, Geruch, Mief und Gestank gibt es durchaus graduelle Unterschiede.

Oft genug bedenken die Power-Nutzer nicht, dass Duft-Informationen durch das Riechen direkt und ungefiltert in das limbische System unseres Gehirns gelangen und, falls vorhanden, selbiges stimulieren. Im positiven wie durchaus auch im negativen Sinne. Dieser Bereich ist zuständig für die Erinnerung und emotionale Empfindungen. Olfaktorische Eindrücke beeinflussen das Unterbewusstsein viel stärker als Bilder oder Töne. Was sich ja auch der Handel zunutze macht. Düfte, ob sie nun als angenehm oder störend empfunden werden, können das Allgemeinbefinden wesentlich bestimmen. Sie lösen Glücksgefühle genauso aus wie Unwohlsein und Abwehr. Frei nach Wilhelm Busch bedeutet das: Geruch als ätzend wird empfunden, wenn er mit Gestank verbunden. Beate kann nicht verstehen, warum niemand in der Betriebskantine mit ihr an einem Tisch sitzen will.

2,6 Milliarden Euro für Anrüchiges

Besagter Weltdufttag ist natürlich eine umsatzfördernde Erfindung der einschlägigen Branche. Und die Aktion dient einzig und allein dem Zweck, Männlein und Weiblein in noch größeren Scharen in die Läden von Aurel, Douglas, Yves-Rocher und Co. zu treiben. Alternativ auch in die Body-Shops, zu dm oder  Rossmann. Ihr aller Motto lautet: Schnuppern Sie bei uns rein! Es geht diesen Duft-Dealern ja auch fast ausnahmslos ziemlich mies. Nur schlappe 2,6 Milliarden Euro hatten ihre deutschen um Wohlgeruch bemühten Kunden 2015 in die Riechläden getragen. Da ist bestimmt noch Luft bzw. Duft nach oben. Das Wort “Duft” kommt übrigens aus dem Althochdeutschen und bedeutet so viel wie Dunst und Nebel. Aber das nur nebenbei.

Achseldax für Fred Feuerstein

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Manche baden in Eau de Kloak. Ausbaden müssen es andere. Im modernen Büroalltag gibt bei einem anrüchigen Giftgasangriff wenig Fluchtoptionen.

Für Steinzeit’ler galt ein ausgeprägter Geruchssinn weiland als überlebenswichtig. Sie waren gewarnt, wenn sie die stechenden Ausdünstungen wilder Tiere erschnupperten und konnten rechtzeitig, bevor der Säbelzahntiger sich die Serviette umband, Reißaus nehmen. Diese Fluchtoption ist im modernen Büroalltag nur noch eingeschränkt verfügbar. Fred Feuerstein und Co. mussten für dieses Lebensversicherung damals einen hohen Preis zahlen und zu Hause in ihrer Höhle einen barbarischen Muff ertragen, was ihnen aber, weil sie es nicht anders kannten, wohl kaum etwas ausgemacht haben dürfte. Bis zur Erfindung von Achseldax und Deos sollte es von da an noch 3.000 Jahre dauern. Der Gestank ist geblieben, kommt halt nur in anderen Ausprägungen daher.

Die Tatsache, dass sich Hör- und Geruchssinn nicht abschalten lassen, gilt als großer Konstruktionsfehler der Evolution. Die Augen kann man zwar schließen, wenn es am FKK-Strand allzu dicke kommt, Ohren und Nase muss man/frau sich aber schon selbst und eigeninitiativ zuhalten. Was situationsbedingt in der Öffentlichkeit und/oder im Berufs- bzw. Privatleben nicht immer gut ankommt und auf andere vielleicht sogar brüskierend wirkt. Ganz davon abgesehen, dass durch solche aktiven, bewusst gesteuerten, der Eigenverteidigung dienenden Abwehrmechanismen Aktionsradius und Handlungsspielraum des angewiderten Widerständlers erheblich eingeschränkt werden.

Frustrierend statt aphrodisierend

Eau- de- Cologne-Heavy-User wie Beate gelten heute als Speerspitze einer Bewegung, die einst in den alten ägyptischen und indischen Hochkulturen ihren Anfang genommen hatte. Dort wurden  aromatische Substanzen als eine große Quelle der Inspiration geschätzt. Wobei inspirieren nichts anderes als einatmen bedeutet(e). Transpirieren ist wieder etwas anderes. Transkribieren auch. Bei uns im christlichen Abendland schmierte man sich bis dahin allenfalls labbriges Lavendelwasser an die Backe oder anderswo hin. Erst durch die Kreuzzüge gelangten höher entwickelte und raffiniertere Aroma-Kreationen ins christliche Abendland.

Deren Anwender glauben bis heute, durch eine zielgerichtete Odorierung auf der Ebene der geschlechtlichen Interaktion die eigene Attraktivität steigern zu können. Das kann funktionieren, muss aber nicht. Siehe Beate. Ihr Deodorant wirkt penetrant. Und die Wirkung ist nicht, wie erhofft, aphrodisierend, sondern frappierend und frustrierend. Also kontraproduktiv.

Die therapeutische Wirkung ist gleich Null

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Schnuppern Sie mal rein! Auf www.puffbenzin.de, der beliebten Online-Parfümerie für ambitionierte Bukett-Schleudern, finden ambitionierte Aroma-Multiplikatoren alles, was sie für einen olfaktorischen Super-Gau benötigen.

Das Pendel kann nämlich, wie man sieht und riecht, auch in die Gegenrichtung ausschlagen. Diese prinzipielle Systematik kennen wir aus dem Tier- und Pflanzenreich. Dort werden körpereigene Stoffe zum Locken, Blocken oder Bocken eingesetzt. Entweder zur Reviermarkierung, als sexuelle Verheißung  oder aber, wie beim Stinktier, zur Abschreckung von Feinden. Bei einigen Tierarten verspritzen die Weibchen sogar Urin, um ihren männlichen Artgenossen Paarungsbereitschaft zu signalisieren. So weit  ist es bei der verzweifelten Kollegin glücklicherweise aber noch nicht.

Aber dass sich die Käseresi “Bibergeil” auf die Orangenhaut tröpfelt, kann nicht ausgeschlossen werden. Dieses aus den Drüsensäcken der großschwänzigen pelzigen Nagetiere stammende Sekret findet ob seiner erotisierenden Note nämlich auch bei der Parfümproduktion Verwendung, wird aber heuer überwiegend synthetisch hergestellt. In den USA ist das Zeugs sogar als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen und wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein von der Medizin bei Krämpfen, hysterischen Anfällen und Nervosität eingesetzt. Bei Beate hingegen zeigt das Castorium dahingehend aber keine therapeutische Wirkung.

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