Rotorman's Blog

„Ebbelwoi“: Schon die ollen Römer wussten
das herzhaft-süffige „Stöffche“ zu schätzen

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Wehret den Anfängen. Voll hängende Apfelbäume wecken bei passionierten Stöffche-Sommeliers schon mal gewisse Begehrlichkeiten. Deshalb dieser Hinweis.

Da hat wohl jemand schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb die präventive, in einem dezent-freundlichen Hinweis verpackte Warnung, die Finger bei sich zu behalten. Entdeckt abseits des Ortsrandes am Stamm eines stattlich-knorrigen Apfelbaums, dessen Zweige sich unter der Last der Früchte biegen. Das weckt Begehrlichkeiten. Die Jagd nach dem (Roh-)Stoff, aus dem die Träume sind, hat begonnen. Und am Ende des Prozesses schwappt das Hessische Nationalgetränk im gerippten Glas: das beliebte “Stöffche”. Cheerio Miss Sophie!

Apropos gerippt: Hat jetzt nichts mit der aufreizenden und entsprechend strukturierten Unterwäsche zu tun. Die Beschaffenheit der speziellen und heute noch allgemein gebräuchlichen Apfelweingläser stammt aus einer Zeit, als die Menschen noch ohne Besteck zu essen pflegten. Damit ihnen die Trinkgefäße nicht aus den fettigen Händen rutschten, waren sie eben “aufgeraut” und hatten ein griffiges Muster.

Das Zeug schmeckt nicht jedem. Dem einen zieht’s die Schuhe aus, doch der andr’e schwört darauf. Entweder man mag es, oder man mag es nicht. Auch verträgt es nicht jeder gleich gut. Die einen fallen schon nach eineinhalb Gläsern ins Wachkoma, um in Folge, nach der Reanimation, stundenlang die Klobrille zu herzen. Der Plörre eilt schließlich ein sagenumwobener, verdauungsfördernder Ruf voraus. Schlachterprobte Turniertrinker hingegen stehen auch nach acht Einheiten stramm wie eine Eiche (oder halt wie ein Apfelbaum). Hierbei gilt: Nix haut einen Sämann um! Als Schutzpatronin dieser examinierten “Schobbepetzer” gilt übrigens Frau Rauscher aus der Klappergass’ in Sachsenhausen.

Früher ein minderwertiges Gelegenheitsgetränk für Arme

Schon die ollen Römer (und Griechen)  kannten dieses herzhafte Getränk, wie Plinius der Ältere (23. bis 79. n. Chr.) belegt hat. Die Germanen hingegen knipsten sich die Lichter zunächst noch mit Honigwein, Met genannt, aus. Erst viel später sollten ihre Nachfahren auf den richtigen Geschmack kommen. In Frankfurt, der Hauptstadt der bedeutendsten, geografisch zwar nicht genau eingegrenzten, aber Mittel- und Südhessen, Wetterau, Taunus und Odenwald einschließenden deutschen Anbauregion, ist es seit Anfang des 15. Jahrhunderts bekannt. Aber es dauerte noch 150 weitere Jahre, bis hier in Mainhattan die erste Schankerlaubnis dafür erteilt wurde. Damals galt der Booskop-Riesling  noch als minderwertiges Gelegenheitsgetränk für Arme. Lange her.

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In dieser Saison erwarten die Apfelbauern nur eine „durchschnittliche Ernte“, aber die Äste hängen mitunter brechend voll. Das ist aber regional verschieden. Die Früchte fallen aufgrund des trockenen Sommers etwas kleiner aus als beim letzten Male, haben aber mehr Substanz. Foto: Revererent/Pixabay

Gut, in Unter- und Moselfranken, in der Eifel, im Hunsrück, an der Saar und in Luxemburg lebt man auch nicht hinter dem Bembel. Hier kennt man den herzhaften, fruchtigen Durstlöscher als „Viez“. Wie der Apfelwein überhaupt viele Namen hat:  Saurer Most, Äppelwoi, Äppler, Appelwein, Ebbelwoi, Ebbelwei. Wobei die Linguisten bis heute darüber streiten, ob die korrekte Bezeichnung im Hochdeutschen “Apfelwein” oder “Äpfelwein” lauten muss. Es heißt ja auch an anderer Stelle “Kirschsaft” und nicht „Kirschensaft“, dann aber wieder “Bananenlikör” statt „Bananelikör“. Vom “Pflaumemus” spricht hingegen kein Mensch…Eher von Zwetschgehoink.

Dem unvergleichlichen Hessischen Original gegenüber stehen moussierende Varianten, Apfelschaumwein oder Apfelsekt genannt. In Frankreich heißt dieses Getränk “Cidre”. In Großbritannien, Irland, Schweden, Südafrika und den USA bestellt man “Cider”, in Spanien “Sidra”, im Baskenland “Sagardoa”, in Slowenien “Jabolčnik” und in Finnland “Siideri”.

Apfelweintrinker schützen die Natur

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Äbbelwoi-Fans sind Naturschützer und leisten einen wertvollen Beitrag zum Erhalt alter und ökologisch bedeutender Kulturlandschaften wie den Streuobstwiesen 🙂 Für dieses hehre Ziel darf man dann schon mal einen über den Durst trinken.

Man/frau findet den in Großkeltereien industriell hergestellten Stoff hierzulande ganzjährig im Handel, aber der Kenner bevorzugt die “Marke Eigenbau”. Die ist zwar mitunter nicht so langlebig, was aber nicht zuletzt auch von den eigenen Verbrauchsparametern abhängt. Auf jeden Fall schmeckt die Privat-Auslese deutlich besser, behaupten zumindest die ambitionierten Nebenerwerbs-Äbbel-Winzer. Und mehr “Umdrehungen” hat sie teils auch. Generell gilt zudem: Apfelweintrinker sind per se Naturschützer. Sie leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Erhalt alter und ökologisch so bedeutenden Kulturlandschaften wie den Streuobstwiesen.

Das HR-Fernsehen hat dem beliebten „Hessenwasser“, wie man es gewinnt, und mit was man es allen kombineiren kann einer sehr schöne, informative und pointierte Reportage gewidmet:

 

Mit den “Onkel Ottos” auf Entdeckungsreise durch das Hessische Ebellwoi-Land.

Als Faustregel für die Herstellung gilt: Drei Zentner Äpfel ergeben rund 100 Liter Apfelwein. Das hängt aber auch von Qualität und Konsistenz des Obstes ab. In diesem Jahr fallen die Früchte ob des trockenen Sommers eine Nummer kleiner aus als zuletzt, dafür haben sie aber auch mehr Substanz. Die bundesdeutsche Apfelbauwirtschaft erwartet zwar nur eine “durchschnittliche”, gegenüber 2014 sogar um 21 Prozent geringere, aber von der Qualität her sehr gute Ernte. Das erhoffte Resultat: geschmacksintensiven, vollmundig-süffig.

Ältere Obstsorten am besten geeignet

In vielen Orten gibt es von Gartenbauvereinen, Interessengemeinschaften oder kommerziell betriebene Obstpressen und -keltern, die in diesen Tagen langsam auf Touren kommen. Aber schon vorher sind wichtige Weichenstellungen, von denen Erfolg oder Misserfolg  der Mission abhängen, erfolgt. Das fängt bei der Wahl der Apfelsorte an (oft hat man ja gar keine) und hört beim Zeitpunkt der Ernte noch lange nicht auf.  Ältere, säurehaltige Sorten wie Schafsnase, Viezapfel, Bittenfelder, Kaiser Wilhelm,  Bohnapfel, Erbachhofer Mostapfel oder der Rote Trierer Weinapfel eignen sich für die Weinherstellung besonders.

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Ob als frisch gepresster Most, Rauscher oder fertig ausgegorener „Viez“, das Zeugs schmeckt in allen „Aggregatszuständen“. Allerdings nicht jedem. Foto: Schnorbsi/pixelio.de

Aber auch nach der Pressung beeinflussen viele Faktoren das Ergebnis. Die Dauer der Lagerung und Intensität des Gärungsprozesses, wie lange der Wein auf wie viel Hefe ruht, oder die Taktung  der Um- und Abfüllintervalle. Jeder Boskop-Sommelier hat so seine eigenen Tricks. Geschmackliche Veränderungen bewirken auch die Beigabe von Quitten, Mispeln, Schlehen, Birnen oder Speierling. Alles Geschmackssache, sagte die Frau und biss in die Seife… Oder es gibt, um die natürliche Süße des Fruchtzuckers zu verstärken, noch was an Saccharose obendrauf. Schwefel soll zur Stabilisierung der “Brühe” beitragen,

Apropos: Selbige ist, so Gärungs- Reifungs- und Lagerungsprozess “ordnungsgemäß” abgelaufen sind, in der Regel klar. Der Handel verkehrt das ins Gegenteil, in dem er dem Verbraucher künstlich “eingetrübten” Stoff offeriert. Dass soll dem Ganzen einen gewissen “Öko- und Bio-Touch” verleihen…

Auch als Mixgetränk äußerst beliebt

Äbbelwoi ist ja auch ein beliebtes Mix-Getränk. Sei es, das man, was ja noch als harmlos gilt, Sprudel, Cola, Limo oder gar Sekt dazu gibt, oder ihn als Heißgetränk mit Zimt, Zucker, Gewürznelken und einem Schuss Calvados (bleibt dann  ja in Familie) schlürft. Inzwischen kursieren die abenteuerlichsten Konstellationen und Rezepturen, angesichts derer sich einem schon mal die Fußnägel aufstellen. Apfelwein mit Buttermilch oder Malzbier zu mischen, muss ja jetzt nun wirklich nicht sein. Pervers! Inzwischen hat ja auch ein namhafter Schokoladenhersteller mit dem Faible für Quadratisch, Praktisch und Gut die Geschmacksnote „Ebbelwoi“ im Sortiment. Aber am besten schmeckt das Zeugs immer noch naturbelassen und pur. Deshalb nennt man dessen Verfechter auch “Puristen”.

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Von der Ernte bis zum Endverbraucher ist es ein langer, mitunter beschwerlicher Weg. Aber dann! Cheerio Miss Sophie!

Die wenigsten der Privat-Gärer verfügen über eigene Baumbestände. Also heißt es Klinkenputzen bei denjenigen, die dahingehend etwas besser aufgestellt sind, denen es aber, meist aus Bequemlichkeit und Überfluss, egal ist, was mit den Äpfeln geschieht. Aber gefragt werden wollen und müssen sie trotzdem. Es ist übrigens ein weit verbreiteter Irrtum, dass vom Baum gefallene Äpfel niemand gehören und sie quasi Freiwild, ähmm, Freiobst sind.

Man darf sie grundsätzlich nicht einfach aufheben und mitnehmen, ohne vorher eine Erlaubnis eingeholt zu haben. Auf die auf historische Gepflogenheiten zurückgehende  “November-Regel”, der zu folge solches ab 1.11. generell statthaft sei, würde ich mich da eher nicht berufen. Die ist nirgendwo gesetzlich verankert. Schlimmstenfalls riskiert man eine Anzeige wegen Diebstahls, Mundraubes oder Hausfriedensbruchs. Was teurer werden kann als ein paar Bembel Äppler bei Frau Rauscher.

Das zu erklären, war auf dem eingangs erwähnten Hinweisschild natürlich nicht genug Platz.  Geschweige denn, es poetischer zu formulieren. Beispielsweise dergestalt:

 Warnung! Apfeldieb, hab’ acht!

Dieser Baum wird überwacht,

mit Mikros, Kameras, Sensoren,

erwisch’ ich Dich, gibt’s auf die Ohren.

 

Hände weg von meinem Stoff!

Du riskierst ‘ne Menge Zoff,

klaust meine Früchte von den Zweigen,

verpass’ ich Dir drei Strafanzeigen.

 

Wegen Diebstahls, Mundraubs und:

Hausfriedensbruchs auf diesem Grund.

Kauf’ Dir das Stöffche doch bei Heil,

sauf’ Possmann, schmeckt zwar nicht so geil,

oder, was vielleicht auch machbar,

klau’ Äpfel Dir bei meinem Nachbar. !

Viel Erfolg!

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