Rotorman's Blog

Händewaschen mit grüner Seife: Saufen
für den Regenwald, kacken gegen Tetanus

Das Krombacher Regenwald-Projekt 2008 am Start

Der Klassiker: Saufen für die Rettung des Regenwaldes. Jährlich werden etwa 100 Milliarden Quadratmeter Tropenforst abgeholzt. Um das auszugleichen, müssten die deutschen Schluckspechte täglich den Inhalt von 274 Millionen Kästen Krombacher vernichten.

Von Jürgen Heimann

Nein, ohne “Fair Trade”, ohne Güte-, Qualitäts- und ISO-zertifiziertes Nachhaltigkeitssiegel läuft heute nix mehr. Wir, die Verbraucher, entscheiden an der Supermarkt- und Kaufhauskasse, wie es dem Planeten weiterhin geht – und retten ihn natürlich. Einschließlich seiner Bewohner. Wir saufen für die Rettung des Regenwaldes, kacken bzw. lassen kacken, damit schwangere Frauen in Entwicklungsländern gegen Tetanus geimpft werden können, und knabbern Erdnüsse, um die Finanzierung einer Krabbelgruppe im Himalaya für praktische bildbare Kinder aus sozial schwachen und obdachlosen nepalesischen Roma-Familien zu sichern. Wahlweise kann es auch die Unterstützung einer Initiative zur Alphabetisierung HIV-infizierter Pygmäen im Süden Kameruns sein. Egal. Da halten wir es mit den Pfadfindern: Jeden Tag eine gute Tat – mindestens….

Auch wir sind mit dem “CSR”-Virus infiziert, der uns anfällig macht für hohle und leere Versprechungen. Hinter diesem Kürzel verbergen sich nicht etwa die “Charakterlosen Sardonischen Rüpel”, die Jugendorganisation der AfD. CSR bedeutet “Corporate Social Responsibility” was übersetzt so viel wie “Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung” bedeutet. Böse Zungen sprechen auch von “Greenwashing”. Das ist eine noch subtilere Methode der Verbrauchertäuschung. Man wäscht sich grün und sauber und zieht ein entsprechend gefärbtes Wams an. Aber es ist und bleibt eine Katzenwäsche. Sich einer solchen zu unterziehen gehört längst zum guten Ton. Da machen alle mit. Die Deutsche Bundesbahn ebenso wie unsere Kranich-Airline, die Deutsche Bank, Medienverlage, Versicherungen, Discounter, Modeketten und, und, und.  Mal ist es offensichtlich, dass dem Kunden etwas auf die Backe gemalt werden soll, dann wieder mal kommt man erst nach einem zeitintensiven Fakten-Check darauf, dass das Ganze eine Pferdefuß hat. Der Klimalügen-Detektor  ist dahingehend eine wahre Fundgrube, wer in dieser Hinsicht mal wieder besonders dreist oder auch besonders subtil-geschickt  vorgegangen ist.

Titel

Händewaschen mit grüner Seife. Für die ökologisch-korrekte Ganzkörper-Reinigung gibt es viele Möglichkeiten.

Konzerne leisten auf dieser grünen Schiene einen freiwilligen Be(i)trag zu einer wo und wie auch immer verorteten nachhaltigen, sozialen Entwicklung. Und weil man, wenn man Gutes tut, auch darüber reden sollte, wird dieses Engagement entsprechend vermarktet. Den Kunden wird suggeriert, dass sie, sollten sie das Produkt eines bestimmten Unternehmens favorisieren, ihrerseits einen Beitrag für eine bessere Welt leisten. Da werden kleine ökologische Modellprojekte hochgejubelt, als hinge davon die Zukunft des Universums ab.

Mit Krombacher das Kongo-Becken renaturieren

Die Krombacher-Brauerei hat gezeigt, wie das funktionieren kann. Aktuell investiert sie ja in Fischotter und Schreiadler und fördert entsprechende Artenschutz-Initiativen von NABU, WWF und Deutscher Umwelthilfe. Ihr bereits 2002 gestartetes Regenwald-Projekt aber gilt bis heute als der Klassiker schlechthin. Das Ganze entpuppte sich nebenbei als die erfolgreichste Verkaufsförderungskampagne in der Geschichte der Kreuztaler Hopfen-und Malz-Gurus. Gut, wenn sogar Günter Jauch (gegen eine Gage in Höhe von einer Million Euro) in TV-Spots glaubhaft und treuherzig versicherte, durch den Verkauf eines jeden Schächtelchens dieser Marke werde im Herzen Afrikas ein Quadratmeter Regenwald gerettet, musste ja was dran sein. Da springen wir dann über unseren eigenen Schatten und hauen uns todesverachtend selbst dieses Gebräu rein.

McDonalds Logo

Ein neuer, grün-eingefärbter Hintergrund, und schon wird der Big-Mac zu einem hochwertigen Nahrungsmittel. Zumal er sowieso deutlich weniger Kalorien hat als das Salatdressing aus dem gleichen Stall. Und der Strom, der bei uns aus der Steckdose kommt, ist sowieso sauber. Entweder CO2-neutral oder aus „weißer Kohle“ erzeugt. Wir waschen unsere Hände in ökologischer Unschuld.

Erstes Etappenziel  damals war es, 25 Millionen Quadratmeter Regenwald zu schützen. Das klingt gigantisch, relativiert sich aber, wenn man sich vor Augen hält, dass wir hier von 25 Quadratkilometern sprechen, also einer Fläche von fünf mal fünf Kilometern Kantenlänge. Jeder halbwegs trainierte Jogger umrundet ein solches Grundstück in zwei bis drei Stunden auf einem Bein, ohne sonderlich aus der Puste zu kommen. Aber immerhin verstehe ich jetzt, was meine Kumpels meinten, als sie, vom letzten Wacken-Festival zurückgekehrt, stolz verkündeten, an einem einzigen Wochenende das halbe Kongobecken renaturiert zu haben.

Wenn Bier und Sponsorengelder in Strömen fließen

Egal: Die Masche ließ den Umsatz der Familienbrauerei im ersten Jahr um acht Prozent nach oben schießen. Da war es zu verschmerzen, dass das Oberlandesgericht Hamm die Initiative als wettbewerbswidrig einstufte. In Folge wandten sich die brauenden Gutmenschen Klimaschutzprojekten in Indonesien zu. Wieder flossen Bier und entsprechende Sponsorengelder in Strömen. Letztere zunächst mal und zwecks weiterer Verteilung wieder in die Taschen des WWF, dem Partner der Kreuztaler. Beim “World Wide Fund For Nature” handelt es sich um die größte internationale Natur- und Umweltschutzorganisation. Eine, die den großen Panda-Bären als Logo führt. Aber der WWF ist ja inzwischen bedingt durch grenzwertige Allianzen und fragwürdige Geschäftspraktiken so unumstritten und sakrosankt auch nicht mehr. Reden wir erst gar nicht von den passionierten royalen Großwildjägern in den präsidial-administrativen Reihen dieser Organisation.

Babys kacken für schwangere Mütter in Afrika

1-Pampers

Wer seinen Nachwuchs in Pamperswindeln kacken lässt, sorgt dafür, dass in der Dritten Welt Babys gegen Tetanus geimpft werden können.

Da kann der “Gülle-Hülle”-Hersteller Pampers nicht ganz abseits stehen. Bei ihm schlägt das soziale Gewissen. Seit 2006 beteiligt sich das zu Procter & Gamble (Lenor, Blendax, Always, Gillette ) gehörende Unternehmen am Weltimpfprogramm von UNICEF. Pro verkaufter Windel-Packung werden 0,054 Euro an das Kinderhilfswerk der UN gespendet. Dieser Betrag entspricht den Kosten für eine Impfdosis. Es ist natürlich reiner Zufall, dass der Mutterkonzern auch eine eigene Pharmasparte besitzt, zu deren Sortiment ein Kombi-Impfstoff gegen Tetanus gehört. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Diese Werbeaktion spült also gleich doppelt Geld in die Unternehmenskassen. Und wenn der Verbraucher nicht mitzieht, dann ist er eben auch dafür verantwortlich, dass schwangere Mütter in Afrika nicht gegen Tetanus geimpft werden können.

Die Spielregeln für Profitsteigerung und Imagepflege

Aber hüten wir uns, dieses System in Bausch und Bogen zu verdammen, zumal es ja durchaus auch positive Nebeneffekte hat, nur halt nicht in dem Ausmaß, wie man uns das in der Regel glauben machen will. Wenn Umsatzsteigerung und Imagepflege damit erkauft werden, dass andererseits  Menschen in Not geholfen wird, warum nicht? Gilt auch für Umweltschutzprojekte. Man sollte nur die Spielregeln durchschauen. Und es gilt unverbrüchlich: Profitorientierte Unternehmen (und das sind so gut wie alle) haben nichts zu verschenken, sei ihr Schafspelz noch so weich. Aber sie sehen sich zunehmend unter Zwang, sich ein grünes Wams anzuziehen. “Greenwash” ist vor allem eine Reaktion der Unternehmen auf den wachsenden Druck, die durch sie selbst verursachten Umweltbelastungen zu reduzieren und dient erst in zweiter Linie der Verkaufsförderung. Dafür wiederum gibt es verfeinerter Instrumentarien (siehe oben).

Strom aus „weißer, saubrerer Kohle“

Julian HerzogWikimediaCC BY-SA 3.0Greenwashing-770x513

Das soll noch mal einer behaupten, unsere Kraftwerke wären umweltschädlich. Nirgendwo grünt es so üppig wie in deren unmittelbaren Nachbarschaft. Das sind Klimaschützer, die Tag und Nacht für die Einhaltung des Kyoto-Abkommens rauchen.

Dieses (branchenübergreifende) Spiel beherrschen andere auch  – und zum Teil viel besser. Beispielsweise die Autohersteller. Und vor allem die großen Energieversorger wie EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall . Von denen kriegen wir schon mal “aus weißer, sauberer Kohle” gewonnene Elektrizität, oder sogar “CO2-neutralen Strom”. Das klingt doch deutlich besser als “Kernenergie”, was ja letztendlich auch nur eine euphemistische Weiterentwicklung des negativ besetzten Begriffs “Atomstrom” ist. Unvergessen die uneigennützige Anzeigenkampagne gegen Atomausstieg und für eine Laufzeitverlängerung uralter Meiler. Ein Plakat, das in Form eines Atomkraftwerkes zurechtgestutzte Bäume auf einer grünen Wiese zeigte. „Wer diesen Klimaschützer abschaltet, schaltet den Treibhauseffekt ein“ war darunter zu lesen. Die müssen die Öffentlichkeit und die Kunden für ziemlich blöd halten, was diese zum Teil aber auch tatsächlich zu sein scheinen.

 Ein sanfter Energieriese, der Windräder pflanzt

Die Jungs (und Mädels) in der PR-Zentrale von RWE sind dahingehend überhaupt ziemlich kreativ. Unvergessen die 2009 von ihnen initiierte Kampagne mit dem ein klein wenig an „Shrek“ erinnernden Energieriesen, der durch herrliche Landschaften tappte und ein Windrad nach dem anderen in den Boden pflanzte. Damit lieferte die Agentur Matt und Jung ihr bisheriges Meisterstück in Volksverdummung ab.  Der lustige Spot lief auch in vielen Kinos. Aber er war, wenn man sich die Mühe machte, die Hintergründe zu recherchieren, eigentlich gar nicht zum Lachen. Der Konzern RWE war zu dieser Zeit verantwortlich für 20 Prozent der jährlichen Gesamtmenge an CO2 in Deutschland und bezog nur etwa 2 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Energien. Und die Windräder, die der sanfte Riese in die Landschaft steckte, produzierten bei RWE gerade mal 0,1 % des gesamten Stroms. Greenpeace hatte den Trailer damals übernommen und mit einigen realen Fakten angereichert. So kann Satire auch funktionieren – mit der schlichten Wahrheit. Das Ergebnis ist hier zu sehen:

Oder nehmen wir den um die gesunde Ernährung der globalen Menschheit so besorgten Fastfood-Riesen McDonald’s. Der sah sich spätestens nach dem Film „Supersize Me“ in Erklärungsnöten. Wer diese schockierende Doku gesehen hatte, musste zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass Essen aus dem Hause mit dem goldenen „M“ einfach nur Scheiße ist. Für die Gesundheit genauso wie für die Umwelt. Und das nicht nur ob der Unmengen an Verpackungsmüll. Die Erkenntnis, dass sich die Menschen auf Dauer nicht mehr jeden Dreck andrehen lassen, war für den Multi, der auf Billigfleisch, Chemikalien und Ausbeutung setzt, ziemlich schmerzlich und ernüchternd. Und die Reaktion darauf bestand natürlich nicht in darin, Besserung zu geloben und es künftig ganz anders machen zu wollen. Bei der Image-Rettung setzte man, Tusch, Taataa, auf „grüne PR“. Ein grünfarbener Hintergrund im Logo ersetzte den bislang rotfarbenen Background. Und damit waren die Spatzen gefangen. Das  Salatdressing dieses Anbieters enthält jedoch nach wie vor mehr Kalorien als ein Burger. Säfte und Milkshakes werden aus Konzentraten und Pulvern zubereitet und die Rohstoffe weiterhin unter Missachtung von Mensch und Umwelt in den Erzeugerländern Asiens, Afrikas und Südamerikas hergestellt.

Wie Coca-Cola zum gesunden Öko-Drink wurde

Coca-Cola-Life1

Da kann man getrost zugreifen. “Coca-Cola life“ ist gesund und enthält deutlich weniger Zucker als seine Brüdern und Schwestern aus dem gleichen Haus. Nur noch 34 Gramm pro halbem Liter. Also, statt wie gewohnt 18 Stück Würfelzucker nur noch 11.

Coca-Cola beherrscht dieses Spiel natürlich auch. Mit einer klebrigen Plörre, die auf den halben Liter 54 Gramm Zucker enthält, lassen sich auf Dauer keine Rekordumsätze mehr generieren. Zumindest auf dem europäischen Markt nicht. Den Ami-Verbrauchern ist das ja eh egal. Eine erste Verzweiflungstat war daher 2006 die Coke Zero – versehen mit einem  schwarzen Etikett. Als Zielgruppe hatte man explizit figurbewusste Männer im Visier. Für Frauen gab es bereits seit Anfang der 1980er Jahre die Coke Light im silber-roten Design. Beide Sorten enthalten keinen Zucker, dafür den Süßstoff Aspartam. Der wird künstlich aus Eiweißbausteinen zusammengesetzt und ist damit als Aushängeschild für die Gesundheitsbewegung aber auch nicht so ganz tauglich. Das soll, geht es nach dem US-amerikanischen Konzern, jetzt Coca-Cola Life werden. Denn die grün verpackte Flasche wirbt mit dem Image des natürlich Gesunden. Der Verbraucher assoziiert mit der Farbe Grün biologische, ökologische und gesunde Produkte. Zudem enthält die Limonade den pflanzlichen Zusatz Stevia, der vor gut fünf Jahren von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als unbedenklich freigegeben worden ist und seitdem zunehmend als gesunder Zuckerersatz angepriesen wird.

Doch der Schein trügt. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen hat die pappige Limo genauer unter die Lupe genommen und warnt: Schon eine Halbliterflasche der grünen Cola überschreitet die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Zuckermenge pro Tag. Zwar sind dank des Zusatzes von Stevia nur noch 34 Gramm Zucker pro halbem Liter enthalten. Heißt: Statt 18 Stück Würfelzucker nur noch 11. Doch: “Eine Zuckerbombe mit ein bisschen weniger Zucker ist immer noch eine Zuckerbombe”, behauptet  zumindest Anneke von Reeken, Referentin für Ernährung und Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale.

Dubiose  „Güte-Siegel“ zur Verkaufsförderung

WWF

Wenn sogar der WWF oder die Tierschützer von „Vier Pfoten“ ihren Segen gegeben haben, kann man bedenkenlos zugreifen. Foto: graslutscher.de

Die vermeintliche oder tatsächliche Qualität eines Produktes alleine entscheidet heute kaum mehr darüber, ob es auch tatsächlich angenommen wird. Auch nicht der Preis. Dafür müssen ganz andere Kriterien erfüllt sein. Und es ist ein Buch mit sieben Siegeln, das über die Siegel. Deren Zahl wird immer unübersichtlicher. Doch ohne solche Aufpapperl steigt die Chance, als Ladenhüter zu enden, rapide. Nicht selten sind die entsprechenden “Zertifikate” die Aufkleber nicht wert, auf denen sie gedruckt wurden: Mal erfinden Unternehmen ihre eigenen Labels, mal stammen die Auszeichnungen von dubiosen Organisationen – und leider viel zu oft halten sie auch schlichtweg nicht das, was sie versprechen. Aber “Bio”, “nachhaltig”, “ökologisch wertvoll”, “biologisch abbaubar”, “hundertprozentig kompostierbar”, “kontrollierter Anbau” oder etwas in der Richtung muss mindestens drauf stehen, sonst lässt der Käufer das Zeugs links liegen. Oft jedenfalls. Und da kann es ungemein hilfreich sein, wenn eine der Nachhaltigkeit und dem Tierschutz verpflichteter Globalplayer wie der World Wide Fund für Nature eine Delikatess-Bio-Salami mit seinem Logo adelt. Oder eine Organisation wie “Vier Pfoten” der Lyoner Hähnchenwurst bescheinigt, dass die, aus denen sie hergestellt wurde, zu Lebzeiten tierfreundlich aufgezogen und gehalten worden sind.

Tropenholz im Klopapier

Klopapier

Mitunter finden sich in nachhaltig zertifiziertem Klopapier schon mal Spuren von Tropenholz. Da hat man sich beim beim Hinternabwischen schnell mal den Chikungunya-Virus eingefangen. Und das ist echt Scheiße!

Es geht um ein Milliardengeschäft. In Deutschland wird sich der Umsatz mit grünen Produkten, Dienstleistungen  und Technologien laut Bundesumweltministerium bis 2020 auf 3,1 Billionen Euro verdoppeln. Doch mit dem rasanten Aufstieg der “grünen Industrie” nehmen auch die schmutzigen Abgase und Rülpser zu. Scharlatane, Trittbrettfahrer und Betrüger tummeln sich in dem boomenden Markt, dem ein ziemlich hohes Täuschungspotential innewohnt. Da gibt es “kompostierbare Plastiktüten”, die sich aber standhaft weigern, zu verrotten. Noch nicht einmal ansatzweise. Archäologen des Jahres 2470 werden daraus Rückschlüsse auf unsere Ernährungsgewohnheiten ziehen. Da finden sich Spuren von Tropenholz in nachhaltig zertifiziertem Klopapier. Und wir fangen uns beim Hinternabwischen den Chikungunya-Virus, das O’Nyong-nyong-Fieber oder gleich einen Trichuriasis ein.

Wenn der Ehefrau über Nacht ein Drei-Tage-Bart wächst

Modische Hemden von fragwürdiger Herkunft werden frech als Bioprodukte angepriesen und vertickt. Dabei sind die Klamotten vermutlich von einem achtjährigen zur Zwangsarbeit verpflichteten Waisenbuben in Bangladesch zusammengeflickt worden. Während einer 13-Stunden-Schicht unter Androhung von Prügel durch den pädophilen Vorarbeiter in einem schmutzig-feuchten Kellerraum in den Slums von Dinajpur. Das Zeug ist mit so viel per- und polyfluorierten Chemikalien durchtränkt, dass die Belegschaft der Beiersdorf AG von dem Verkaufserlös des Stoffes nur für diese Kollektion ihre nächste Weihnachtsfeier bestreiten könnte. Und Nonylphenolethoxylate (NPE) gibt’s als Zugabe. Die können nicht nur krebserregend sein, sondern sind auch hormonell wirksam. Also sollte der Käufer nicht überrascht sein, wenn ihm plötzlich Titten wachsen. Oder die Ehefrau morgens mit einem von weißen Strähnen durchwirkten Drei-Tage-Bart unter der Bettdecke hervorlächelt.  Dann ist sie über Nacht nicht nur gealtert. Vielleicht, Entwarnung, leidet Frauchen aber auch nur am polyzystischen Ovarsyndrom. Der einzige Punkt, der den Zusatz “Bio” in diesem Zusammenhang rechtfertigt, war der Grafiker – ein Biologiestudent, der nebenbei als Plakatgestalter jobbt und die Schaufensterbeschriftung entworfen hatte.

BuchAuch im Drogeriebereich müht man sich tapfer, dem Wunsch des Verbrauchers nach naturbelassener Kosmetik zu entsprechen, zumindest verbal. Plakative Begriffe wie “natürlich”, “mild” und “schonend” sind obligatorisch. Da schimmert dann viel Naturkompetenz und Reinheit durch und in der Nase verbreitet sich der Duft einer blühenden Feldwiese. Generell gilt: Nicht von den schönen Bildern blenden lassen. Verpackungen mit allen möglichen Früchten als Motiv (Granatapfel, Zitrone, Kiwi, Orange, Hagebutten) und Blättern jeglicher Art (Aloe Vera, Gingko) auf der Vorderseite sind grundsätzlich erst mal kein Garant für Natürlichkeit. Die Verpackung ist die schnellste und billigste Variante, um ein Produkt „grün“ erscheinen zu lassen, ohne den Inhalt anzupassen. In diesem Zusammenhang sei das bereits 2009 erschienene Buch “Ende der Märchenstunde” der Journalistin Kathrin Hartmann als Lektüre empfohlen.  Sie führt anschaulich vor Augen, “wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt” (Untertitel).

Natürlicher Honig aus dem Chemielabor

“Mit 100 Prozent natürlicher Olive” steht da dick und fett auf der Hautcremeflasche. Oder “mit 100 % natürlichem Honig”. Wir sollen darüber vergessen, dass der Rest eben nicht natürlichen Ursprungs ist, sondern stattdessen aus dem Chemielabor stammt. Ein Blick auf die (verdächtig klein gedruckte) Liste der Inhaltsstoffe zeigt denn auch: Der auf der Vorderseite groß angepriesene Olivenzusatz ist nur in homöopathischer Dosierung vorhanden. Und über die in dem Kunstsoff, aus der die Flasche gefertigt ist, enthaltenen Weichmacher und/oder toxischen Schwermetalle wie Antimon sehen wir hinweg, weil wir sie sowieso nicht sehen.

Beispiele

Grün ist „in“. Damit unser ökologisches Gewissen sauber bleibt. Orientierungshilfen bieten da die einschlägigen „Qualitätssiegel“.

Nehmen wir unsere Kleidung. Ohne Synthetikstoffe läuft da längst nix mehr. Kaum ein Textil, dass keine Kunststofffasern enthält. Die sind billig in der Herstellung, bequem und angenehm zu tragen, strapazierfähig, formtreu und nahezu „unkaputtbar“. Das Zeug lässt sich aber kaum recyceln,  sondern überdauert Jahrhunderte. Das wissen die Hersteller, und den meisten Verbrauchern ist es egal. Die großen Modeketten legen bis zu 14 neue Kollektionen pro Jahr auf. Da sind dann auch mal entsprechend beworbene  Kreationen aus „100 % recyceltem Polyester“ dabei. Leuchtturm- und Prestigeprojekte, die nur der Augenwischerei dienen. Es handelt sich um “Sondermodelle”, deren Material in der Regel aus PET-Flaschen gewonnen wird und wurde.

Was Naturschützern an die Leber geht

Um noch mal auf die aus reinem Felsquellwasser gebraute  Krombacher-Plörre  zurück zu kommen. Wenn wir uns damit die Lichter ausblasen, haben wir zwar am nächsten Morgen einen dicken Kopp‘, doch die Erkenntnis, am Abend zuvor Gutes getan zu haben, hilft über den brutalsten Kater hinweg. Für einige Quadratmeter vor der Rodung bewahrten Urwald kann man schon mal etwas leiden. Nun werden jährlich mehr als zehn Millionen Hektar Tropenforst abgeholzt. Das sind 100 Milliarden Quadratmeter. Um allein diesen Verlust einigermaßen auszugleichen, müssten die Deutschen 274 Millionen Kisten Krombacher saufen – täglich. Eine Sisyphus-Aufgabe, die in den nächsten Jahren noch vielen jungen Naturschützern die Leber und das Leben kosten dürfte.

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