Belastbare statistische Zahlen gibt es zwar nicht, aber es sollen, je nach Quelle, zwischen 200.000 und 300.000 Katzen sein, die Jahr für Jahr in Deutschland von Jägern erlegt werden. Das gleiche Schicksal teilen 20.000 bis 30.000 Hunde. Die Tierrechtsorganisation PETA spricht gar von 400.000 Katzen und 65.000 Hunden, die jährlich im Kugelhagel der grünen Zunft sterben. In der Lesart der treffsicheren Waidmänner ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz, für die Tierfreunde ein durch nichts zu rechtfertigendes Gemetzel. Mit selbigem könnte, zumindest in Hessen, bald Schluss sein, wenn denn die Landesregierung mit ihrem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorsatz, diese umstrittene Praxis auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls gänzlich zu verbieten, Ernst macht.
Gegen eine entsprechende Novellierung des Jagdgesetzes laufen die Nimrods, deren Engagement eigenem Bekunden zufolge vor allem der „Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes“ gilt, natürlich Sturm. Aber nur deshalb, wie Tierschützer meinen, weil die Grünröcke um ein weiteres ihrer museumsreifen Privilegien fürchten. Wie dem auch sei, für Mittwoch, den 4. März, hat die Oberhessische Jägervereinigung ab 19 Uhr zu einer hochkaratig besetzten Podiumsdiskussion in die Grünberger Gallushalle eingeladen. Plakatives Thema: „Raubsäuger – Artenschutz – Fallenjagd“. An der Veranstaltung wird u.a. auch die Hessische Umweltministerin teilnehmen.
„Tierschutzwidrig und überholt“
Tierschützer aus der Region wollen im Vorfeld ab 18 Uhr vor dem Tagungsort gegen die „tierschutzwidrigen, überholten Jagdpraktiken“ protestieren und ihrer Forderung nach Abschaffung selbiger Nachdruck verleihen. Initiiert haben diese Aktion der Verein „TierfreundLich“ e.V. und der Verein IG Tierschutz in Mittelhessen e.V.
Das Vorrecht, vermeintlich wildernde Miezen und Bellos zu eliminieren, leitet sich noch aus dem auf dem Preußischen Jagdgesetz von 1848 gründenden Reichsjagdgesetz aus dem Jahre 1934 ab. Den entsprechenden Passus hat die Legislative der Bundesrepublik weitestgehend unverändert in ihre Gesetzestexte übernommen. So dürfen Jagdausübungsberechtiget (oder auch deren Jagdgäste) Katzen immer noch unter Feuer nehmen, so diese 300 Meter von der Ortsbebauung entfernt auf frischer Tat „jagend“ angetroffen werden. Diese Voraussetzung ist nach dem Buchstaben des Gesetzes auch gegeben, wenn die Muschi lauernd vor einem Mausloch hockt. Natürlich gilt dieses Tötungsrecht auch bezogen auf Hunde, und zwar dann, wenn der Bello draußen in Wald und Feld „außerhalb der Einwirkung von Begleitpersonen Wild nachstellt“.
Zumindest im Falle der Stubentiger lässt sich die Hatz auf diese nur bemüht begründen und rechtfertigen. Da wird argumentiert, dass diese schließlich in erheblichem Maße unter den Singvögeln wüten würden, was ja auch stimmt. Nur, dass Katzen-Abschüsse dem Artenschutz bei den Gefiederten, aber auch bei Reptilien, Amphibien, Eichhörnchen, Fledermäusen und anderen Kleinlebewesen dient, scheint eine gewagte, abenteuerliche These. Lovis Kauertz, der Präsident der Organisation „Wildtierschutz Deutschland“, macht folgende Rechnung auf: Insgesamt gebe es in Deutschland etwa 6 Millionen Katzen, die als Freigänger und potentielle Vogeldiebe unterwegs seien. (Einer Statistik des Industrieverbandes Heimtierbedarf zufolge sind es sogar 8,2 Millionen Exemplare). Durch den jagdlichen Eingriff würden aber weniger als 5 Prozent dieses Bestandes getötet, was aus Sicht des vermeintlichen Artenschutzes natürlich vollkommen ineffizient sei.
Die Katzenjagd dient nicht dem Artenschutz der Vögel
Heruntergebrochen auf Hessische Verhältnisse wird das noch deutlicher: Im Bundesland des rot-weißen (Wappen-)Löwen wurden im Jagdjahr 2013/14 nach Angaben des Umweltministeriums 434 Katzen durch Jäger erlegt, was allerdings nur heißt, dass diese 434 Katzenabschüsse offiziell gemeldet haben . Kauertz und seine Kollegen vermuten, dass die entsprechende „Strecke“ tatsächlich mindestens um das Zehnfache höher war und ist. Nun seien aber 434 oder, je nachdem, welche Zahl man zu Grunde lege, selbst 4340 Tiere in Relation zu den in Hessen lebenden etwa 250.000 bis 300.000 „verwilderten“ Katzen vollkommen irrelevant in Bezug auf jeglichen Artenschutz. Wenn landesweit zwei Prozent der Katzen getötet würden, habe das überhaupt keinen Einfluss auf irgendwelche Bestandsstabilisierungen unter den Beutepopulationen. Einmal ganz abgesehen davon, dass die gängige Praxis nicht nur im Widerspruch zu geltendem Tierschutzrecht stehe, sondern auch einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Katzenhalter darstelle.
Nun muss man fairerweise anführen, dass die Mausis, die ja auch nur ihrem angeborenen Jagdinstinkt folgen, in unserer heimischen Vogelwelt schon beträchtlich wüten, die wildlebenden wie die handzahmen. Siehe auch: http://www.rotorman.de/miez-miez-schlummerle-peterle-und-co-als-gnadenlose-vogeljaeger-im-garten/
Aber das ist kein Phänomen, dem mit Blei beizukommen wäre. Einer in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zufolge fallen Katzen jährlich weltweit zwischen 1,4 bis 3,7 Milliarden Vögel und Kleinlebewesen zum Opfer. Die errechneten Zahlenwerte auf die Kopfzahl der in Deutschland gehaltenen Katzen (8,2 Mio.) umgelegt, wären das pro Jahr etwa 200 Millionen Piepmätze. Die Natur ist schon grausam. Aber sie gleicht dies wieder aus, die Jungtierverluste unter Vögeln beispielsweise durch verstärkte Bruttätigkeit derselben. Nach Berechnungen des Deutschen Rates für Vogelschutz kommen in Deutschland jedes Jahr über 300 Millionen Jungvögel zur Welt. Es ist zudem nicht bekannt, dass Arten in Deutschland durch Katzen ausgerottet worden sind.
Auch die Fallenjagd ist auf dem Prüfstand
„Der konservativen Jägerschaft ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, eine grundlegende an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Novellierung der Jagdgesetzgebung zu verhindern“, sagt Lovis Kauertz. Kann sein, dass sich das jetzt ändert. Und es stehen ja noch mehr wildtier-regulative Anachronismen zur Disposition. So beispielsweise die Fallenjagd. Bis dato dürfen Eigentümer bzw. Nutznießer von Wohn- und Gartengrundstücken, die nach dem Bundesjagdgesetz eigentlich zu den „befriedeten Bezirken“ gehören, auf denen die Jagd verboten ist, in Hessen Kaninchen und „Beutegreifer“ fangen, töten und sich „aneignen“. Sie haben das Recht, Fallen aufzustellen, und zwar ohne zuvor eine ausdrückliche behördliche Genehmigung dafür eingeholt oder den Nachbarn informiert zu haben. Wenn sich neben Waschbären, Füchsen oder Mardern zufällig dessen Katze in einen solchen Hinterhalt, der seinen potentiellen Opfern oft per Köder schmackhaft gemacht wird, verirrt, ist das halt persönliches Pech oder, je nach Sichtweise, als Kollateralschaden zu verbuchen.
Und weil das immer noch so ist, fordern Tierfreunde vehementer denn je: Schluss mit der Jagd auf Haustiere!
In Baden-Württemberg ist man da schon ein Stückchen weiter. Das am 1. April in Kraft tretende neue Jagd- und Wildtiermanagementgesetz verbietet das unkontrollierte Abschießen streunender Hunde und Katzen. Dagegen wollen die Jäger, ebenfalls am Mittwoch, vor dem Landtag protestieren.