Von Jürgen Heimann
Der Ausbau der Straße „Unterm Klein-Loh“ in Hirzenhain (zur Stadtautobahn) ist in vollem Gange. Der vehemente Protest der betroffenen Anwohner hat den Start der umstrittenen Maßnahme nur geringfügig verzögern können. Nachdem das Eschenburger Gemeindeparlament in seiner jüngsten Sitzung das Vorhaben noch einmal (gegen das Votum der CDU-Fraktion) mit den meisten Stimmen von SPD und FWG mehrheitlich gebilligt und alle Einwände dagegen beiseite gewischt hatte, dröhnen hier inzwischen die Bagger, Raupen und Lkw.
Die gewählten Volksvertreter interessierte nicht, dass sich bis dato mehr als tausend Bürger per Unterschrift gegen das Projekt ausgesprochen haben. So funktioniert kommunale Basis-Demokratie und Bürgernähe. Per Wähler-Kreuzchen ins hohe Haus gehievt, sehen sich viele der somit zu Abgeordneten geadelten Politiker aber jenen, die ihnen diesen „Karrieresprung“ erst ermöglicht haben, nicht mehr verpflichtet. Was auch einige und zum Teil haarstäubende Debattenbeiträge in der jüngsten Sitzung beweisen.
Nicht nur viele Hirzenhainer haben auf den entsprechenden Unterschriftenlisten gezeichnet, sondern auch Unterstützer aus den Nachbarorten, aus Eiershausen, Eibelshausen, Simmersbach, Wissenbach und Roth. Ja sogar im Marburg-Biedenköpfischen Hinterland fand das Anliegen der Bürgerinitiative „Unterm Klein-Loh“ entsprechendes Gehör. Weil: All jene, die ihren „Friedrich-Wilhelm“ auf die Kladden gesetzt haben, wissen, dass ihnen früher oder später Ähnliches blühen kann. Die Gemeinde macht was sie will. Da haben die Betroffenen nicht mit zu reden.
Indes: Die Unterschriften-Aktion läuft weiter. In vielen Geschäften und öffentlich zugänglichen Stellen in Eschenburg liegen Listen aus, in denen man/frau sich eintragen kann, sofern ihnen die Vorgehensweise der kommunalen „Obrigkeit“ nicht passt. Und es ging und geht ja von Anfang an nicht nur darum, gegen den Luxusausbau der kleinen Hirzenhainer Anliegerstraße zu protestieren und diesen gegebenenfalls in der ursprünglich geplanten Form zu verhindern. Nein: Oberstes Ziel ist und bleibt es, die Straßenausbaubeiträge hessenweit generell abzuschaffen. Weil diese eben die ungerechteste und unsozialste Form von Abgaben sind, die Bürger und Steuerzahler zu leisten haben. Dabei handelt es sich schlicht und ergreifend um Abzocke. Einige wenige bezahlen dafür, damit die Allgemeinheit die Verkehrswege nutzen kann.
Gemeindestraßen gehören der Gemeinde. Und die ist verpflichtet, ihre Straßen instand zu halten. Was sie aber regelmäßig nicht tut. Das zeigt auch das Beispiel „Unterm Klein-Loh“ Die kaum frequentierte Wegstrecke hat man über viele Jahre hinweg verkommen lassen. Gut, es wurden hier einmal drei Gemeindearbeiter mit einem Eimer Teer gesichtet. Zwei sahen zu, wie der dritte Kollege die größten Löcher notdürftig verfüllte. Das war’s aber dann auch schon.
Aus Rathaus- und Bauamtssicht ist das sogar nachvollziehbar. Hier weiß man sehr genau, dass, wenn die Fahrbahn einmal grundsaniert werden muss, die Anlieger laut Satzung sowieso 75 Prozent der anfallenden Kosten übernehmen müssen. Warum also sollte man sich zwischendurch in größere Unkosten stürzen? Verkehrssicherungspflicht hin oder her. Dass auf diese Weise nebenbei Existenzen vernichtet werden könnten, nimmt man/frau in Kauf. In Hirzenhain sollen einzelne Hausbesitzer mit bis zu 44.000 EUR an Straßenausbaubeiträgen belastet werden. In Eichzell im Landkreis Fulda soll ein Grundstückseigentümer gar 130.000 Euronen berappen. Aber im Grunde genommen ist die Höhe noch nicht einmal so ausschlaggebend. Denn auch5.000 € können für eine Witwe, die ihr Häuschen für die Altersvorsorge aufgespart hat, verdammt wehtun. Solche Einwände stören die Verantwortlichen in diversen hessischen Rathäusern aber offensichtlich einen Sch…. Dass sie mit dieser Positionierung den sozialen Frieden in ihrer Gemeinde gefährden und dazu beitragen, dass die Bevölkerung den Glauben in die Politik (in diesem Fall der kleinen) vollends verlieren, scheint sie nicht zu kümmern.
Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben die Straßenausbaubeiträge (STRABS) per „Order di Mufti“ kraft entsprechender Landtagsbeschlüsse schon flächendeckend abgeschafft. In Hessen haben 183 Städte und Gemeinden ( z.B. Hanau, Haiger, Hüttenberg, Hungen, Nidda, Homberg, Limburg) dies aus freiwilligem Entschluss schon selbst getan, ohne dass es bisher eine landesweite Regelung gibt. Für eine solche kämpft aber die landesweit operierenden Arbeitsgemeinschaft Hessischer Bürgerinitiativen für ein Straßenbeitragsfreies Hessen seit Jahren. 65 Bürgerinitiativen haben sich in dieser Organisation zusammengeschlossen. Auch die Hirzenhainer gehören inzwischen dazu. Unterstützt wird ihr Anliegen u.a. auch vom Hessischen Bund der Steuerzahler, dem Verband der Wohneigentümer Hessen, dem Deutschen Mieterbund, dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft und dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer.
Aus sieben hessischen Landkreisen liegen Resolutionen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vor, die von allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern unterschrieben wurden. Der Landkreis Fulda ist da ebenso vertreten wie der Vogelsbergkreis, der Landkreis Hersfeld-Rotenburg, der Landkreis Marburg-Biedenkopf, der Werra-Meißner-Kreis, der Rheingau-Taunus-Kreis und der Odenwaldkreis.
Aktuell liegt im Hessischen Landtag wieder eine Beschlussvorlage vor, die „STRABS“ im Land generell abzuschaffen. Diesmal (und seit 2019 zum zweiten Male) von der Fraktion der Linken formuliert. Die finanziellen Ausfälle, so sieht es der Antrag vor, sollen den Kommunen aus einem 70 Millionen Euro schweren Sonderausgleichsfonds erstattet werden. Der Haken an der Sache: Nur Kommunen, die ihre Satzungen vor Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes geändert und die Straßenausbaubeiträge abgeschafft haben, bekommen Kohle aus diesem Topf. Eschenburg wird dabei vermutlich leer ausgehen bzw. dürfte doppelt drauf zahlen. Die Gemeinde müsste dann bereits eingezogene Beiträge rückwirkend zurück erstatten und bliebe auf den Gesamtausbaukosten sitzen. Ist es das, was Bürgermeister Götz Konrad, einer der vehementesten Verfechter des bisherigen Betragssystems, will? Da könnten ganz schöne Sümmchen beisammen kommen. Damit ließen sich bestimmt acht Baby-Planschbecken im Eibelshäuser Panorama-Bad locker finanzieren….