Rotorman's Blog

Wenn der Pelzkragen aus 100 % Polyester
besteht, hieß vermutlich die Katze genau so

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Alltag in chinesischen Angora-Farmen: Die Kaninchen werden an ihren empfindlichen Ohren aus dem Käfig gezerrt und von den Arbeitern mit den Füßen fixiert. Dann schnippt und schnappt die (oft) stumpfe Schere und hinterlässt tiefe Wunden. Foto: PETA-Asia

Das war’s denn wohl definitiv mit den bierseligen Terrassenabenden. Als Hardcore-Genießer hat man sich ja bis zuletzt dagegen gewehrt, die Gartenmöbel einzumotten. Aber bei dichtem Schneetreiben und Minusgraden macht das Feierabendbierchen im Open-Air-Ambiente wirklich keinen Spaß mehr. Saukalt ist’s über Nacht geworden. Und der Bedarf nach wärmender Kleidung steigt exorbitant. Sie soll ja möglichst auch noch mit modischem Chic garniert sein. Ein Königreich für einen schnieken, flauschigen Wollpulli. Doch durch dessen Fasern hindurch jault und wimmert es entsetzlich. Es geht nicht um die Qual der Wahl beim Kauf, sondern um die Qual derer, die für dieses kuschelige Oberteil unter entsetzlichen Schmerzen ihr Leben haben lassen müssen. Es geht um die langohrigen Rohstofflieferanten jenes Stoffs, aus dem die Behaglichkeit ist. Es geht um all die Millionen Angorakaninchen und –hasen, die, vor allem in China, nach einem kurzen lebenslangen Martyrium im wahrsten Sinne des Wortes “gerupft” werden, um anschließend in die ewigen Jagdgründe zu humpeln oder zu hoppeln. Oft können sie das aber nicht mehr aus eigener Kraft.Nun gehen die Herrschaften im gelben asiatischen Riesenreich schon mit ihrer eigenen Bevölkerung nicht besonders zartfühlend um. Aber mit “Nutztieren” haben die schon gar kein Fair-Play-Abkommen. Das sind nur Gegenstände, Sachen, dazu da auf der Welt, die Raffgier ihrer Besitzer zu befriedigen und deren Reichtum zu mehren. Bei dieser Art von Hobeln fallen nun mal auch Späne an. Die Tierrechtsorganisation PETA hat nach 2013 zum zweiten Male untragbare Zustände in den Zuchtfarmen Asiens aufgedeckt und dokumentiert. Die schockierenden, aufwühlenden Bilder gehen um die Welt und sollten all jenen, die wider besseres Wissen aus chinesischer Angorawolle hergestellte Klamotten durch die Gegend tragen, schlaflose Nächte bereiten. Und bei ihnen Hautausschlag hervorrufen!

Aber die Verbraucher werden auch verarscht und in die Irre geführt. Man könne der Herkunft vertrauen. Die Wolle stamme aus Zuchtbetrieben, die unabhängige Kontrolleure seines Unternehmens beim heldenhaften Außeneinsatz draußen vor Ort als “artgerecht” eingestuft hätten, versichert der smarte Textilberater treuherzig. Aber vielleicht weiß diese Verkaufs-F(l)achkraft das ja selbst nicht besser. (Obwohl über 90 internationale Unternehmen und Designer Angorawolle bereits ausgelistet haben, verwenden sie einzelne Modemarken für ihre Kleidung immer noch).

Den Glauben an die Menschen verloren

Begleitet von Tierärzten, Dolmetschern und dem Vertreter eines internationalen Modekonzerns, der mit “Artgerechtigkeit” wirbt, hatten PETA-Ermittler fünf Kaninchenfarmen in verschiedenen Regionen des chinesischen Festlandes inspiziert – unangekündigt. Was sie vorfanden, ließ sie den Glauben an die Menschheit und die Menschlichkeit  verlieren. Da bekommt die Redewendung “Jemanden das Fell bei lebendigem Leibe über die Ohren ziehen” eine ganz neue Bedeutungsschwere: “Die Kaninchen wurden an ihren empfindlichen Ohren aus den Drahtkäfigen gezerrt. Die Arbeiter traten auf ihre Ohren, um sie so zu fixieren. Dann wurden die Tiere gewaltsam geschoren. Jene besonders bedauernswerten Exemplare, die lebendig gerupft worden waren, lagen anschließend völlig apathisch in ihren winzigen Zellen”. Das reicht eigentlich schon. Mehr wollen wir gar nicht hören bzw. lesen!

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Wohlfühl-Oase: Angora-Kaninchen entspannen in chinesischen Zucht-Farmen. Die Temperaturen liegen oft über 37 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit beträgt 80 Prozent und mehr. So lässt es sich aushalten. Alles für unseren modischen Chic. Foto: PETA-Asia

Wenn diese skandalösen Zustände eines belegen, dann auch das, dass all die Audit- und Zertifizierungssysteme, mit denen uns der Handel umgarnt, nicht das Material wert sind, aus dem die jeweiligen Siegel, die auf dem Produkt pappen, hergestellt sind. Sie haben allenfalls Beruhigungsfunktion und Alibi-Charakter, sollen dem Käufer ein gutes Gewissen verschaffen –  und dem Verkäufer eine gute Einnahme.

Ein PETA-Sprecher: “Angeblich artgerechte zertifizierte Angorawolle gibt es genauso wenig wie artgerechten Pelz, Daunen oder Schafwolle. Millionen Tiere in der Bekleidungsindustrie leiden unter extremen Zuchtformen, leben in qualvoller Gefangenschaft und werden letztendlich gewaltsam getötet. Vegane Bekleidungsmaterialien sind die einzig humane Option. Bei den zahlreichen tierfreien Natur- und Zellulosefasern, die von vielen Firmen in modernen Modekollektionen eingesetzt werden, kann man/frau sich mitfühlend und modisch zugleich kleiden”.

Hunde- und Katzenfelle falsch etikettiert

Aber es sind, siehe oben, nicht nur die Karnickel, die einen ziemlich hohen Preis für unsere Gutgläubigkeit und unseren Tragekomfort zahlen. Millionen und Abermillionen von Hunden und Katzen geht es ebenso. In der aktuellen Saison ist in den Läden ja kaum mehr ein wärmendes Kleidungsstück ohne Pelzbesatz, Pelz-Kragen oder Pelz-Kapuze zu bekommen. “Aus 100 Prozent Polyester” steht aber drauf. Haha!! Kleiner Scherz. Vielleicht hieß die Katze, die das Zeug (unfreiwillig) abgegeben hat, in ihrem früheren, glücklicheren Leben ja mal so – eben “Polyester”. Die Tierschutzorganisation Animals’ Liberty: “Millionen Hunde und Katzen sterben jährlich in China für die grausame Pelzindustrie. Und trotz des bereits 2009 erlassenen EU-Importverbots gelangen immer noch (bewusst falsch etikettierte) Hunde- und Katzenfelle nach Europa und werden z.B. als Kunstpelz verkauft und zu Fellkragen, Mützen-Bommeln, an Winterstiefeln, Schuhen oder als Dekofiguren verarbeitet”. Dies werde aus Kostengründen so praktiziert, da selbst ein echtes Hundefell aus China billiger zu “produzieren” sei als ein gut gemachter gewebter Pelz.

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Die tiermedizinische Versorgung in den Folterfabriken der chinesischen Angora-Industrie ist gleich Null. Aber diesem Hoppler scheint es blendend zu gehen. Das sind auch keine Wunden, sondern „Face-Painting“ So etwas muss der asiatische Rammler von heute haben, um der Damenwelt zu imponieren. Foto: PETA-Asia

Es gibt bei uns in Deutschland keine Kennzeichnungspflicht, nach der Echtpelzprodukte mit Tierart und Herkunft deklariert werden müssen, wie es zum Beispiel in der Schweiz seit März 2013 der Fall ist. Bisher fehlen Angaben teils komplett, teils werden sie mit Fantasienamen umgangen: “Loup d’Asie”, “Gaewolf”, “Bio-Wolf” und “Corsac Fox” stehen zum Beispiel für Hundefelle und Hundeleder, “Lipi”, “Maopee” und “Goyangi” für solche von der Katz.

Es gibt zwar Kriterien und Merkmale, anhand derer ein einigermaßen geübtes Auge ein Original von der Fälschung unterscheiden kann. Aber das ist nicht jedem gegeben. Hunde- und Katzenfelle können heutzutage problemlos so eingefärbt werden, dass sie aussehen wie z.B. ein  Waschbärenfell. Ebenso ist es möglich, Imitate wie echt aussehen zu lassen und umgekehrt. Auf der sicheren Seite ist, wer keinen Tipps, Aussagen, Siegeln und Etiketten Glauben schenkt und solche Produkte ganz einfach links liegen lässt – ob die nun echt oder gefakt sind. Andernfalls ist er auch nur ein (williges) Rädchen im großen industriellen Getriebe der Schöpfungsverachtung.

Qualvolles Leben, entsetzliches Sterben

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Ganz bestimmt ein Simulant. Das Karnickel tut nur so. Das Tier sieht doch eigentlich ziemlich zufrieden aus. Gut, die etwas schnelle Atmung bei offenem Mund kann auf Stress, Hitze und Atemwegserkrankungen hindeuten. Aber so etwas kommt unter den übermütig quiekenden Woll-Lieferanten für den europäischen Markt nur gaaanz selten vor …. Wirklich! Foto: PETA-Asia

Weil, und das darf man nicht vergessen: Die Tiere werden bis zum “Grand Finale” unter schlimmsten Bedingungen gehalten. Dann kommt der Scharfrichter und erlöst sie von ihren Qualen. Aber es ist kein gnädiger, schneller oder schmerzfreier Tod. Die Opfer werden erdrosselt, vergast, erschlagen oder abgestochen. Um das Fell nicht zu beschädigen, wird  z. B. ein dezenter Stich in die Leiste gesetzt. Dann blutet die Kreatur unauffällig und ohne viel Spuren auf ihrem kostbaren “Frack” zu hinterlassen aus. Stromstöße sind noch materialschonender, ziehen aber den Todeskampf in die Länge. Oft ist das Tier noch gar nicht tot, wenn die Häutung beginnt.

Eine beispiellose Sauerei! Und das gilt nicht nur für das entsetzliche, unvorstellbar grausame Leid, das das brutalste auf diesem Planeten wandelnde Raubtier, der Mensch, seinen Mitgeschöpfen antut. Es gilt auch für die gezielte Verbrauchertäuschung. Kunden, die sich ganz bewusst für Kunstpelz entscheiden, müssen sicher sein können, dass sich hinter “100 Prozent Polyester” nicht “70 Prozent Hund und 30 Prozent Katze” verstecken. Gegen die Bedingungen in China können wir wenig ausrichten. Aber vor dem eigenen Haus kehren schon. Der Anreiz zum Kauf von Waren, deren Herkunft und Zustandekommen zwielichtig sind, könnte schwinden, wenn auf dem Etikett “Tierart: Hund. Herkunft: China. Art der Haltung: Käfig” stehen müsste. Es kann doch, verdammt noch mal, nicht so schwer sein, das gesetzlich zu regeln!

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