Man muss sich das auf der Zunge (oder wo auch immer) zergehen (oder zerfließen) lassen: Da bittet unser weiser, gütiger und in Ehren erblondeter Landesvater privilegierte Büchsenhelden zum blutigen Schlachtfest in den Groß-Gerauer Forst und verpasst dieser Tötungsorgie unter den tierischen Waldbewohnern noch ein (Pelz-)Mäntelchen von Wohltätigkeit. “Charity” sagt der aufgeklärte Flintenfreund von heute ja zu so etwas. Der Erlös, also die immensen Summen, die die ob ihrer Trefferquote wohl euphorisierten Pirschgänger beim anschließenden Schüsseltreiben in edler Großmütigkeit in den herum kreisenden Klingelbeutel stopfen, kommt dem Müttergenesungswerk zu gute. Was ja noch nicht mal so schlimm wäre. Aber: Träger dieser honorigen und sicherlich unterstützenswerten Organisation ist die “Elly-Heuss-Knapp-Stiftung”, benannt nach der Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten, Theodor Heuss. Und von keinem Geringerem als diesem stammt der bemerkenswerter Satz: “Jagd ist nur eine feine Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf. …” Tataa!!
Ein Kabarettist hätte sich das nicht besser ausdenken können. Man müsste drüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Wenn nicht vielleicht hunderte von Wildtieren am 4. November den Spaß einiger weniger – und viel Fun werden diese bestimmt haben – mit ihrem Leben bezahlen müssten. Aber die Viecher wissen ja noch noch nix von ihrem Glück… Während die anderen in aufgeregter Vorfreude schon ihre Waffen putzen. Apropos zahlen: Das es letztendlich der Steuerzahler sein wird, der für dieses fröhliche Herumgeballere löhnt, kommt erschwerend hinzu. Da wird der Kugelhagel, unter dem sich weg zu ducken Fuchs, Hase, Wildschwein, Waschbär und Reh kaum möglich sein wird, großzügig von der Öffentlichkeit subventioniert. Welcher Keiler unseren Landesvater geritten haben mag, für so etwas seinen Namen her zu geben, weiß wohl nur der Heilige Hubertus selbst.
Ein klein wenig fühlt man sich hier an Reinhard Meys “Diplomatenjagd” erinnert. Aber die diente ja letztendlich auch einer guten Sache:
Die Nacht bricht herein, und Schloß Hohenhecke
Bietet ein friedliches Bild:
Der Monsignore segnet die Strecke
Von leblosem, greisen Wild,
Schon fast vergessen,
Will doch keiner essen:
Die Veteranen,
Die zähen Fasanen,
Die Ente mit Rheuma,
Den Keiler mit Asthma.
Die Jagd wird begossen,
Und dann wird beschlossen:
Der Krempel wird, – weil man hier großzügig denkt, –
Dem nächsten Armenhaus geschenkt!
So wird auch den Ärmsten der Segen zuteil!
Es lebe das Weidwerk, dreimal Waidmannsheil!
Doch in Hessen wie in anderen Bundesländern, formiert sich inzwischen massiver Widerstand gegen die Bouffier-Safari. Es hagelt Protestschreiben und Aufrufe. Und es gibt es längst diverse Unterschriftenkampagnen gegen das geplante Gemetzel, beispielsweise auch auf der Online-Petitionsplattform “Change.Org”: https://www.change.org/p/absage-der-gesellschaftsjagd-im-forstamt-gro%C3%9F-gerau-am-04-november-2015?recruiter=7839577&utm_source=share_petition&utm_medium=facebook&utm_campaign=autopublish&utm_term=des-lg-no_src-reason_msg
Diese sinnfreie Waidshow ist ein Anachronismus!
Tierschützer, Naturfreunde, engagierte Bürger und vor allem Menschen, die nicht nur Trophäen und Wildsaubraten im Kopp haben, sondern die sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Mitgeschöpf Tier sehr wohl bewusst sind, fordern unisono: Blast diese sinnfreie Waidshow ab! Und sei es mit Jagdhörnern. Halali! Der Ministerpräsident möge dem unsäglichen Treiben ein Ende setzen und seine Treiber, die er rief, eigenhändig wieder aus dem Wald treiben! Diese Aktion ist ein Fehlschuss, ein Schuss, der daneben geht. Garantiert! Andernfalls wird das Echo der Detonationen den sonst doch mit so viel Gespür taktierenden CDU-Politiker noch lange in den Ohren liegen. Man kann auch Tinitus bekommen, wenn’s besonders laut knallt. Wer das Hetzen und Töten von Tieren als Event versteht, hat die moralische Entwicklung der vergangenen Jahre völlig verschlafen. Leute, aufwachen!!
Doch der „gütige Landesvater“ mag solche kritische Stimmen nicht gerne höre bzw. lesen. Er hat alle (oder doch die meisten) ihm unbequeme Einträge/Kommentare zum Thema auf seiner Facebook-gelöscht und bestimmte User, die ihm besonders heftig den Kümmel gerieben haben, obendrein gleich komplett gesperrt. Reife Leistung! Arthur Schopenhauer mag der Unions-Politiker vermutlich auch nicht. Der hatte mal in einem anderen Zusammenhang formuliert: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen“.
In Hamburg beispielsweise sind solche anachronistischen Society- und Diplomaten-Events inzwischen obsolet. Da, wie vorher in Niedersachsen, hatte der Großfürst, ähmm, nee, der Wirtschaftssenator auch immer wieder mal ganz gerne ein illustres Völkchen um sich versammelt, damit dieses während der Senatsjagd den ein oder anderen Bock schießen möge. Zuletzt 2013. Promis, Konsule, Wirtschaftsbosse, Ex-Ministerpräsidenten. 2007 soll sogar Joachim Weinlig-Hagenbeck, der zoologischer Leiter des Tierparks, Jagdkönig geworden sein. Angeblich gedeihen Wirtschaftskontakte besonders gut, wenn Männer gemeinsam auf Tiere schießen. Seit 2014 ist an der Alster aber Sch(l)uss mit lustig. Das Trommelfeuer der Gegner dieser feudalen Brauchtumspflege war zu heftig geworden. Könnte in Hessen auch passieren.
Zwischen Vitamin B und minimalistischem Catering
Wen Volker B. zu diesem Schützenfest gebeten hat, wer auf Strecke geht um Strecke zu machen, ist nicht bekannt. Das dürften aber kaum gemeine Feld-, Wald- und Wiesennimrods sein. Das Vorrecht, teilnehmen zu dürfen, erfordert Vitamin B. und lässt sich nur durch eine persönliche Einladung des gastgebenden Jagdherren in Anspruch nehmen. Dafür muss man schon mal Opfer bringen, nicht nur auf tierischer Seite. Das Catering ist nämlich minimalistisch. Die tapferen Pirschgänger werden mit Blechkuchen am wärmenden Streckenfeuer abgespeist, haben aber anschließend gegen einen bescheidenen Stehimbiss im feudalen 5-Sterne-Schlosspalast Kronberg nichts einzuwenden. Wenn’s denn sein muss… Beißen wir halt mal in diesen sauren Rehbraten.
Der Maître d’hôtel wird sein Bestes geben. Und er versteht sein Handwerk. Will sich ja gegenüber seinem Kollegen im Kreis Bad Segeberg nicht blamieren. Der hatte den einer Stärkung dringend bedürftigen Teilnehmern der letzten Hamburger Senatsjagd Wildkraftbrühe, geschmorte Rehkeule und Hirschkalbkeule in Wacholderrahmsoße serviert. Dazu werden getrüffelter Spitzkohl, Rotkohl, Salzkartoffeln und Kroketten gereicht. Das Dessert: Bratapfel mit Marzipan. Lecker und deftig, so, wie es der Waidmann mag! Wenn einem da das Wasser nicht im Munde zusammen läuft. Und das in den Augen….
Kritik vom Steuerzahlerbund
Inzwischen hat auch der Hessische Bund der Steuerzahler den Ministerpräsidenten dazu aufgefordert, das blutige Spektakel, an dem sich 120 Gäste “erfreuen” möchten, abzusagen. Die Organisation spricht von einem “fragwürdigen Vergnügen eines exklusiven Kreises”, das mit Steuergeldern finanziert werden solle. Die Kosten dafür würden nach Aussagen von Umweltministerin Priska Hinz zwar “nur” 20.000 Euro betragen, doch stünde es dem Regierungschef angesichts des enormen Hessischen Schuldenbergs gut zu Gesicht, beim Sparen als Vorbild voran zu gehen.
Die Hessische Umweltministerin, deren Haus die fragwürdige Treibjagd organisiert, hatte selbige wiederholt als “traditionelles Ereignis” gegen Kritik verteidigt. Die Tierschutzorganisation “Tasso” hingegen sieht das “Töten von Tieren im Rahmen eines Unterhaltungsprogramms für Lobbyisten” in der Tradition einer Feudalherrschaft stehen. So etwas passe weder in die heutige Zeitz, noch sei es mit einem modernen, demokratischen Politikverständnis vereinbar.
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