Rotorman's Blog

Tasmanien blättert für die Vernichtung von
50 Füchsen 47 Millionen Dollar auf den Tisch

Flagge

Die Jagd auf ein Phantom. Niemand hat bisher in Tasmanien einen lebenden Fuchs zu Gesicht bekommen. Dennoch gilt er als Risikofaktor. Weil er als Nahrungskonkurrent für die geschwächte Teufelspopulation auftreten könnte.

Von Jürgen Heimann

In anderen entfernten Winkeln dieser Erde hat es der Reineke auch nicht gerade leicht. Wo immer man auch hinschaut: Füchse sind nirgends wohl gelitten. Das gilt, von der rühmlichen Ausnahme Luxemburg, wo ein  ganzjähriges Jagdverbot herrscht, mal abgesehen, für ganz Europa. Und nicht nur da. Kleine Spritztour ans Ende der Welt. Landeerlaubnis auf dem International Airport von Hobart erteilt. Das ist die Hauptstadt Tasmaniens. Die Behörden des zu Australien gehörenden Inselstaates, auf dessen Boden unsereins wohl zeitlebens keinen Fuß setzen dürfte, toppen bei der Jagd auf den rotrockigen Räuber alles. Umgerechnet 36,7 Millionen US-Dollar soll die Regional-Regierung seit 2006  in die Ausrottung dieser Tiere investiert haben. Andere Quellen beziffern die Kosten der Kampagne auf 47 Millionen. Dagegen sind die zwei Millionen Euro Kopfgeld, die das von der Fläche her halb so große Mecklenburg-Vorpommern unlängst für die Erlegung von Wildschwein-Frischlingen und nicht-führenden Bachen ausgelobt hat, Peanuts.  

So viel Geld wie in Down Under hat noch kein Land für die Vernichtung einer einzigen Art in die Hand genommen. Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen, war diese Offensive aber bisher  erfolgreich. Zumindest dahingehend, dass man auf dem 48.400 Quadratkilometer großen Eiland  heute keinen Fuchs mehr zu Gesicht bekommt. Das war vor Beginn des Feldzugs allerdings auch schon so. Der Feind ist ein Phantom. Niemand in Tasmanien ist bisher einem lebenden Exemplar des Vulpes vulpes begegnet. Allerdings wurden schon mal drei von Autos überfahren. Abkömmlinge jener 20 Tiere, die Jäger Anfang des Jahrtausends in Absurdistan ausgesetzt haben sollen. So jedenfalls die Lesart der regierungsnahen Krisenmanager. Seitdem müssen sich die Räuber explosionsartig vermehrt  haben, von ihnen selbst und anderen unbemerkt. Was ein deutsches „Fachportal“ namens „Tier kompakt“ zu der alarmierenden Feststellung veranlasste, europäische Füchse würden Tasmanien übervölkern. Dadurch werde das biologische Gleichgewicht der dortigen Fauna hochgradig bedroht.

Keine Fake-News von Wodka-Television

Tasmanischer Teufel

Putzig, aber auch wehrhaft: Beutelteufel können, den Schwanz nicht mit gerechnet, bis zu 65 Zentimeter groß werden. Sie weisen auffallende Parallelen zu menschlichen Eigenschaften auf. Das gilt nicht nur für ihre Tischsitten. Bei Erregung verströmen sie einen höchst unangenehmen Körpergeruch. Foto: Pixabay

Fake-News? Wenn, wie zuletzt am 23. Dezember dieses Jahres geschehen, der TV-Sender „RT Deutschland“ so etwas verbreitet, liegt der Verdacht nahe, dass ja. Bei dieser obskuren „Institution“ handelt es sich um einen staatlich subventionierten russischen Propaganda-Kanal (ehemals „Russia Today“), der seit 2014 hierzulande auch in deutscher Sprache zu empfangen ist. Was die Iwans über dieses Medium an Haarsträubendem und Absurdem verbreiten, lässt dem kritischen Rezipienten schon mal die Fußnägel hochklappen. Doch in dem aktuellen Fall handelt es sich nicht um eine dieser berüchtigten  Fantasy-Stories, für die Wodka-Television so berühmt ist. Die britische BBC und die Süddeutsche Zeitung hatten das Thema nämlich schon lange Zeit vorher aufgegriffen, ebenso zahlreiche andere als seriös geltende europäische und internationale Medien.

Bio-Invasion im Bonsai-Format

Die Zahlen sind alarmierend und geben zu höchsten Befürchtungen Anlass. Die Regierung taxiert die Populationsgröße der Füchse in Tasmanien auf unglaubliche 50 bis 200 Exemplare (!!!). So viel schicken die taffen Weidleute eines durchschnittlich aufgestellten deutschen Hegerings an einem einzigen guten Tag ihrer demnächst wieder beginnenden Fuchsaktionswochen über den Jordan. Weshalb es auch ziemlich gewagt erscheint, in diesem Zusammenhang von einer „Bio-Invasion“ zu sprechen, wie es eine bekannte Nachrichtenagentur getan hat. Die erwähnte Süddeutsche Zeitung ließ einen Biologen sogar vor einer ökologischen Katastrophe warnen, sollte es nicht gelingen, den gefräßigen Gegner nieder zu ringen. Ein ziemlich schräger Film, der hier abläuft. Und das Script ist komplett Sch…. Gut, die Australier in ihrer Gesamtheit sind, was gebietsfremde Arten angeht, sowieso etwas schizophren und sehen in Aga-Kröten, Kaninchen, Ratten und Katzen eine existentielle nationale Bedrohung.

Kadaver-Tourismus vom Festland

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Sympathy for the devil: Der tasmanische Beutelteufel ist in Gefahr. Eine Seuche rafft die Bestände dahin. Weil die Behörden die Epidemie nicht in den Griff bekommen, soll der Fuchs den Kopf hinhalten.

Aufgeschreckt durch Horrormeldungen vom benachbarten Festland, wo mittlerweile  angeblich 30 Millionen Füchse ihr Unwesen treiben, drehen die Tasmanier inzwischen völlig am Rad  – und komplett durch. Und sie ballern mit Atomraketen auf nicht sichtbare Spatzen. Das hat zu der absurden Entwicklung geführt, dass Jäger die Kadaver in Australien erlegter Füchse inzwischen in Tasmanien abliefern, um die ausgesetzten Prämien zu kassieren. Auf dem siebten Kontinent waren die Buschschwänzigen einst von europäischen Siedlern eingeschleppt worden und müssen heuer für das Aussterben von 23 heimischen Tierarten den Kopf hinhalten.

Wenn falsche Kothaufen trotzdem stinken

240 Kilometer weiter südlich, auf „Tassie“, scheinen einflussreiche Kräfte, die in die Vernichtungsoffensive eingebunden sind und davon profitieren, stark daran interessiert, das Genozid-Programm am laufen zu halten. Wiederholt sind in diesem Zusammenhang Vorwürfe publik geworden, dass vermeintliche „Ranger“ falsche Fährten in Gestalt von „gefakten“ Kothaufen gelegt und platziert hätten, um so die Notwendigkeit einer weiteren Verfolgung der Invasoren  zu unterstreichen. Solche und ähnliche Anschuldigungen werden von der hiesigen Kommission für Korruptionsbekämpfung aber vehement zurück gewiesen. Das ändert aber nix an der Tatsache, dass der europäische Beutegreifer den Tassibans lieb und teuer ist und bleibt. Rechenbeispiel: Den niedrigen Wert des geschätzten Fuchbestandes zu Grunde gelegt und in Relation zur Summe gesetzt, die für seine  Bekämpfung ausgegeben wird, wäre jeder Reineke hier nominal 940.000 Dollar wert.

Tasmanischer Teufel auf dem Höllen-Trip

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Tasmanien im Kriegszustand. 50 Füchse (es können derer auch 200 sein) bedrohen den zu Australien gehörenden Inselstaat. Umgerechnet zwischen 36 und 47 Millionen US-Dollar lässt sich die Regierung die Vernichtung der Reinekes kosten.

Ja und da wäre ja auch noch der Tasmanische Teufel, den der Fuchs in die Hölle schicken möchte.  Diesen  putzigen und im Mittel 65 Zentimeter großen Raubbeutler mit den messerscharfen Zähnen gibt es nur noch hier, am A… der Welt. Nachdem diese Tiere noch bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zum Schutz der menschlichen Nutztierbestände extrem stark bejagt worden waren, stehen sie inzwischen unter Schutz und gelten offiziell als „everybody‘s darling“. Auch weil sie, wie der Fuchs, als Aasfresser in der Natur eine wichtige gesundheitspolizeiliche Funktion übernehmen und zudem als wichtige Devisenbringer dienen. Die Tourismusbranche setzt Millionen damit um.

Gewöhnungsbedürftige Tischmanieren in Satans Restaurant

Es gibt die Teufelchen als Plüschtiere, als Postkartenmotive, auf Werbepostern und leibhaftig  in veritablen „Teufels-Restaurants“, in denen Urlauber den aggressiven Kerlchen staunend beim Lunch zusehen können. Was immer ein besonderes Schauspiel ist. Die Tischmanieren der Viecher sind nämlich eher gewöhnungsbedürftig. Und das gilt nicht nur für ihr überlautes Schmatzen und andere das Mahl begleitende furchterregende Geräusche. Nicht nur in dieser Hinsicht erinnern sie mich an einen meiner Arbeitskollegen. Ihren Namen verdankt diese Spezies dem schwarzen Fell und ihren Ohren, die sich bei Aufregung rot färben. Bei Erregung verströmen sie einen höchst unangenehmen Körpergeruch. Kenne ich aus dem Büro.

Den Soundtrack liefern die Rolling Stones

Seuche

Der Anfang vom Ende: 1996 wurden im Norden der Insel erstmals Tiere gesichtet, die große Tumore im Gesicht aufwiesen. Seitdem breitet sich die Seuche immer weiter aus. 85 Prozent der Population sollen schon davon betroffen sein. Statt die Forschung nach einem Gegenmittel zu unterstützen, investiert die Regierung lieber in Nebenkriegsschauplätze. Foto: Menna Jones/ CC BY 2.5

Davon mal abgesehen: In Tasmanien soll es vorsichtigen Schätzungen zufolge noch 120.000 wild lebende teuflische Exemplare gegeben. Nix genaues weiß man aber nicht. Es wird angenommen, dass sich die Bestände aufgrund einer als DFTD (Devil Facial Tumour Disease) bezeichneten Seuche in den vergangenen Jahren  halbiert haben. Experten gehen davon aus, dass in spätestens zwei bis drei Jahrzehnten sowieso Schluss mit lustig ist. Dann könnte es den letzten der Mohikaner erwischt haben.

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei „DFTD“ um eine Art Gesichtskrebs. Innerhalb von drei bis sechs Monaten nach dem ersten Auftreten der Tumore ist Schicht im Schacht. Übertragen wird der Erreger auch durch Bisse, die sich die Tiere untereinander selbst beibringen. Beispielsweise beim Geschlechtsverkehr. Da schnappt das Weibchen schon mal heftig zu, so es mit dem Galan unzufrieden ist. Das ist kein Scherz. Weitere Parallelen zu menschlichen Verhaltensweisen siehe oben. Wer sich näher für das Problem, also das der Seuche, interessiert, hier gibt es detaillierte Informationen dazu. Sehr informativ und anschaulich beschreibt auch eine seinerzeit von Arte ausgestrahlte Geo-Reportage  diesen Teufelskreislauf:

Und an dieser Stelle betritt  jetzt, Simsalabim, der europäische Rotrock wieder die Bühne. Um die Population der verbliebenen Beutelteufel temporär zu stabilisieren, müssten, heißt es, vor allem die zwischen 50 und 200 Füchse, die der geschwächten Kolonie theoretisch den Rest geben könnten und als Nahrungskonkurrenten auftreten, drastisch bejagt werden, Für den eher unwahrscheinlichen Fall zumindest, dass  man mal einen von ihnen zu Gesicht bekommt. Den dazu passenden Soundtrack hatten die Rolling Stones ungewollt bereits 1968 geliefert: „Sympathy for the devil“. Diese verquere Logik mag auch uns in Germany irgendwie bekannt vorkommen. Hier wird Füchsen exzessiv nachgestellt, weil sie  angeblich seltene Niederwildarten ausrotten, und zwar vornehmlich solche, die der Mensch zuvor selbst „proaktiv“ dezimiert oder deren Lebensgrundlagen er erfolgreich zerstört hat.

Ach so: In Australien gilt der Beutelteufel bereits seit dem 14. Jahrhundert als ausgestorben. Die ersten europäischen Siedler, in deren späterem Gefolge dann auch der Fuchs als invasive Spezies nachkam, waren aber erst 1606 an der Nordspitze des heutigen Queensland an Land gegangen. Da waren die Teufelsbeutler längst Geschichte. Insofern wird es schon schwer werden, deren Verschwinden dem Pelzigen im Nachhinein noch in die Pfoten zu schieben. Die steile Kurve würden noch nicht mal die deutschen Jäger kriegen, und die sind beim Generieren von Rechtfertigungen für ihr Tun Weltspitze. Zu allen Zeiten der menschlichen Geschichte hat es Volksgruppen gegeben, die man (erfolgreich) für alles Übel der Welt verantwortlich machen konnte und entsprechend verfolgte. Juden, Sinti, Roma oder Rohingya beispielsweise. Warum sollte das übertragen aufs Tierreich anders sein? Tasmanien ist überall.

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