Rotorman's Blog

Todesliste: Die EU-Kommission will 37 Tier- und
Pflanzenarten an den Kragen und die Wurzel

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Was die Eurokraten hinter den Kulissen des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission, ausgeheckt haben, gibt 37 Tier- und Pflanzenarten der Vernichtung preis. Foto: Pixabay

Von Jürgen Heimann

Es gibt eine von der Weltnaturschutzorganisation regelmäßig aktualisierte  “Rote Liste” (das “Red Data Book”), in der global vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten aufgeführt werden. Sie soll Gesetzgebern und Behörden als Grundlage für arten-, natur- und umweltschützerische Maßnahmen dienen. Und nun gibt es, ganz aktuell, auch eine “Schwarze Liste”, und auf der sind all jene Spezies vermerkt, die sich hierzulande ziemlich unbeliebt gemacht haben und denen es jetzt (massiv) an den Kragen, den Pelz, die Wurzel oder was auch immer gehen soll. Diese Kladde umfasst 37 Namen. Die EU-Kommission hat jetzt eine solche als Durchführungsverordnung veröffentlicht. Sie ergänzt eine Verordnung aus dem Jahre 2014, die bereits Haltung, Import, Verkauf und Zucht von auch als “Neobiota” bezeichneten Arten, die eigentlich von anderen Kontinenten stammen und sich in Europa schon mehr oder weniger ausgebreitet haben, erheblich einschränkte. Die neue Unionsliste ist am 3.  August in Kraft getreten und gilt für alle 28 Mitgliedsstaaten als verbindlich. Und das läuft in letzter Konsequenz auf einen kontinental begrenzten faunistischen und floristischen Genozid hinaus.

Im Visier der Eurokraten sind die sogenannten “invasiven, gebietsfremden Arten”, die, auf welchem Weg auch immer, von anderen Erdteilen zu uns gelangt sind, sich rasant vermehrt haben und inzwischen eine ernsthafte Bedrohung der hiesigen Ökosysteme, einheimischer Arten, der Wirtschaft und vor allem der Volksgesundheit darstellen sollen. Und weil das angeblich so ist, möchte man sie nun mehr oder weniger gnaden- und kompromisslos verfolgt und ausgerottet sehen. Wobei durchaus mit zweierlei Maß gemessen wird. Die aus Nordamerika stammende Regenbogenforelle, die die heimische Bachforelle verdrängt, ist völlig unbehelligt durch die EU-Maschen geschwommen. Vielleicht, weil sie so gut schmeckt….

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Der Waschbär zählt zu den beliebtesten Feindbildern. Er gilt als Bad Boy unter den Neozoen. Und deshalb soll es ihm jetzt mit Brüsseler Segen noch intensiver an den Kragen gehen. Foto: Pixabay

Wo eine Vernichtung auf breiter Front nicht möglich bzw. aussichtslos ist, auch weil bestimmte Arten (wie der Waschbär in Deutschland) längst etabliert und quasi heimisch geworden sind, soll ihre Population zumindest eingedämmt werden – durch “geeignete Managementmaßnahmen”.  Hinter den Kulissen ist monatelang darum gefeilscht worden, welche gemeingefährlichen Schöpfungen auf diese Hit-Liste des Todes gehören. Die fiese asiatische Tigermücke, die Erreger von über 20 für den Menschen äußerst gefährlichen Krankheiten wie Denguefieber und Gelbfieber überträgt, zählt ebenso dazu wie der äußerst giftige und schwere Verbrennungen bewirkende Riesenbärenklau. Aber auch der bis zu 20 Zentimeter große nordamerikanische Ochsenfrosch, ein Prädator par excellence, der alles frisst, was er überwältigen kann, darf hier nicht fehlen. Vom Flutenden Heusenkraut, dem Kleinen Mungo, dem Heiligen Ibis oder dem Grauhörnchen ganz zu schweigen. Die vollständige Unionsliste hier:

Angeblich 12 Milliarden Euro jährlicher Schaden

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Die asiatische Tigermücke ist ein besonders unangenehmes Geschöpf. Das Insekt gilt als Überträger von für den Menschen lebensbedrohlichen Krankheiten. Dazu zählen Denguefieber und Gelbfieber. Foto: Pixabay

Sogar der südamerikanische Nasenbär hat es auf die Liste geschafft, auf welchen verschlungenen Schleichpfaden auch immer. 99, 99 Prozent der Deutschen dürften einem solchen zwischen Kiel, Konstanz, Aachen und Bitterfeld noch nie in freier Wildbahn begegnet sein. Ganz einfach deshalb, weil es ihn hierzulande ganz einfach nicht gibt. Trotzdem soll der entfernt mit dem Marder verwandte Räuber auch bei uns ein enormes Risiko darstellen und muss deshalb bekämpft werden. Sinnfreier geht’s nimmer. Wie es der Bursche trotzdem zum Staatsfeind gebracht hat, ohne dass er, von Zoos und Tierparks mal abgesehen, im realen deutschen Leben überhaupt existiert, ist eine Geschichte für sich. Sie wird hier erzählt.

Schätzungen zufolge sollen sich die der EU durch invasive gebietsfremde Arten während der vergangenen 20 Jahre entstandenen Kosten und Schäden bei steigender Tendenz auf inzwischen mindestens 12 Milliarden EUR pro Jahr belaufen. Da ist irgendwann wirklich Schluss mit lustig. Und diesen Zeitpunkt hält die EU-Kommission   jetzt für gekommen. Die Gegenoffensive ist angelaufen.

Viele Positionen auf der Liste der zur Vernichtung freigegebenen Spezies mögen durchaus schlüssig und nachvollziehbar sein. Denn: Wer säugt schon gerne die giftige Natter an der eigenen Brust? Das monatelange unter Einbeziehung diverser Lobbyisten-Gruppen erfolgte Tauziehen hinter den EU-Kulissen, wem letztendlich der Fangschuss zuteil werden soll, hat im finalen Ergebnis aber nicht nur Zustimmung, sondern auch Entsetzen, zumindest aber heftiges Kopfschütteln ausgelöst.

Im Fall der amerikanischen Schwarzkopfruderente beispielsweise wird argumentiert, dass sie die in Europa ansässige Weißkopfruderente langfristig zu verdrängen drohe. Kann sein, muss aber nicht. Auf jeden Fall ist so etwas ein immer wieder gern bemühtes Totschlagargument. Das sich natürlich auch auf den Waschbären, den erfolgreichsten Neozoen des europäischen Kontinents, übertragen lässt. Sein Siegeszug hierzulande hatte Mitte der 30-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts begonnen. Die Vorfahren des Maskierten fühlten sich jedoch schon im späten Oligozän vor 25 Millionen Jahren in Germanien und Frankreich wohl.

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Das nordamerikanische Grauhörnchen kann den heimischen Eichhörnchen gefährlich werden und hat sie in Großbritannien, Irland und Italien schon weitestgehend verdrängt. Foto: Pixabay

Der Waschbärenbestand wird deutschlandweit mittlerweile auf über 500. 000 Exemplare geschätzt. Diese Tiere gelten als teuflische Badboys unter den lästigen (und gefährlichen) Schädlingen. Nicht nur, weil sie dort, wo sie besonders massiv in Erscheinung treten, den Menschen gehörig auf den Senkel gehen und angeblich erhebliche Schäden an und in Häusern und andernorts anrichten. Darüber klagen beispielsweise die Kasselaner. Die Behauptung von Jägern, Förstern und einigen Naturschützern, der clevere Kleinpetz hätte erhebliche negative Auswirkungen auf das Ökosystem der deutschen Wälder, lässt sich wissenschaftlich allerdings nicht belegen. Das gilt auch für den Vorwurf, der Waschbär würde heimische Raubtiere und geschützte Vogelarten verdrängen bzw. ausrotten.

“Argumente”, die keine sind

Das ist eigentlich völliger Blödsinn. Niemand, der sich unvoreingenommen mit diesem Thema beschäftigt, kann nachvollziehen, warum der Waschbär so allgemeingefährlich sein soll. Dessen Nahrung besteht zu 43,7 % aus wirbellosen Tieren und zu 41,3 % aus pflanzlichem Erzeugnissen. Nur bei 15 Prozent seiner Beute handelt es sich um Wirbeltiere, und davon entfallen lediglich 1,8% auf Vögel und 4,8% auf Amphibien. Die Tiere taugen auch nicht als “Buhmänner”, wenn es um die Übertragung von Krankheiten geht. Und die Schäden, die sie in bebauter Ortslage anrichten, liegen, republikweit betrachtet, im Promillebereich.

Dagegen, den Waschbären jetzt EU-weit massiv zu verfolgen, regt sich denn auch Widerstand. Mehrere entsprechende Online-Petitionen wurden gestartet. Deren Ziel ist es, Barbara Hendricks, die Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz, dazu zu bewegen, in Brüssel auf eine Rücknahme des Todesurteils zu drängen und den Namen des Waschbären von der Exekutionsliste zu streichen. Die Petition hier: Eine weitere, ähnlich ausgerichtete Aktion kann man hier unterstützen.

Gegen solche Initiativen wäre ja zunächst einmal nichts einzuwenden. Nur: Sie bewirken gar nix! Selbst im günstigsten Fall können sie nicht halten, was sich die Autoren vielleicht davon versprechen, oder es vorgeben zu tun. Das läuft alles ins Leere. Aber gut, dass wir mal drüber gesprochen haben. Möglicherweise haben die Urheber  von  den politischen Abläufen und Strukturen auf europäischer Ebene aber auch keine Ahnung. Ihr Adressat ist die Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz. Bitteschön, was soll Frau Hendricks unternehmen, selbst wenn eine Million Menschen das gerne hätten und dies durch ihre Unterschrift bekunden?

Die Chancen sind gleich null

Deutschland war schon während der Vorberatungen zur Unions-Liste (neben einem bescheidenen Häuflein dreier weiterer Länder) einsamer Mahner in der EU-Wüste – und wurde gnadenlos überstimmt. Gegen die Phalanx der 24 anderen Staaten war nichts auszurichten. Und das EU-Parlament konnte sich per Resolution noch so vehement (mit 75-prozentiger Mehrheit) gegen das Papier aussprechen, die Kommission tat die Einwände in der ihr eigenen selbstherrlichen Art mit einem Achselzucken ab.

Jetzt ist die Verordnung europäisches Gesetz und kann nur geändert oder zurückgenommen werden, wenn das eine Mehrheit der Mitgliedsländer verlangt. Dass das geschieht, ist in Anbetracht der Vorgeschichte so gut wie undenkbar. Also kann es für die Tierschützer eigentlich nur um Schadensbegrenzung gehen. Darum, dass auch der Tierschutzaspekt bei der Durchsetzung der Verordnung nicht unter die Räder kommt. Heißt: Länderübergreifend muss versucht werden, verbindliche Standards festzulegen, die bei allen Maßnahmen gegen die inkriminierten Arten zwingend zu beachten sind. Im Falle des Waschbären könnte das bedeuten, dass eine Lebendfang mit anschließender Unterbringung in einem Zoo oder einer Auffangstation gegenüber einer rigorosen Tötung absoluten Vorrang hat.

 Blutbäder und “Management-Maßnahmen”

Wie dem auch sei: Die Zeiten werden härter für den Kleinbären. Bereits etablierte Invasoren-Arten wie er sollen, siehe oben, zwar nicht gleich durch ein flächendeckendes Blutbad beseitigt, aber, wie erwähnt, durch “geeignete Management-Maßnahmen” bekämpft werden. Wie diese Maßnahmen aussehen werden, liegt im Ermessen der einzelnen Länder. Zumindest in Hessen besteht deshalb die Chance, dass dem Waschbären hier weniger übel mitgespielt wird als andernorts. Theoretisch jedenfalls.

Der die Landesregierung beratende Tierschutzbeirat in Hessen drängt darauf, dass bei der Umsetzung der neuen EU-Richtlinie der Tierschutz zwingend Beachtung findet. Noch in der erst vor wenigen Monaten novellierten Hessischen Jagdverordnung hatte das Wiesbadener Umweltministerium dem Petz (und anderen Wildtieren, wie z. B. dem Fuchs) gegen massive Widerstände der Jägerschaft erstmals sogar Schonzeiten eingeräumt. Weitere Arten wie Baummarder, Hermeline, Iltisse, Mauswiesel, Möwen oder Türkentauben wurden ganzjährig unter Schutz gestellt.

 Die Jäger bekommen wieder Oberwasser

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Mit großer Vorsicht zu genießen: Der Riesenbärenklau ist äußerst giftig und kann schwere Hautverbrennungen hervorrufen. Foto: Pixabay

Die unter anderem von den grüngewandeten Pirschgängern vertretene These, Waschbären müssten u.a. auch deshalb exzessiv bejagt werden, weil sie keine natürlichen Feinde hätten und eine erhebliche Gefahr für unser Ökosystem darstellten, ist zwar recht steil, bekommt aber durch die EU-Verordnung neuen Schub. Der “Order di Mufti” aus Brüssel könnte die Jägerschaft die Legitimität entnehmen, künftig noch mehr Racoons zu schießen und dies dann als eigene, schließlich den Interessen aller dienende “Management-Maßnahme” zu deklarieren. Im Jagdjahr 2014/15 hatten die Hessen-Nimrods 24.509 Waschbären zur Strecke gebracht. 116.068 dieser Pelztiere waren in diesem Zeitraum bundesweit “gefallen”. Jetzt wird man uns erklären, dass dies noch viel zu wenige waren. Und jetzt möchten sich die organisierten Pirschgänger und Fallensteller ihren “Dienst an der Allgemeinheit” auch noch von der Öffentlichkeit bezahlen lassen.

Die Diskussion darüber wird kommen. Das ist mal sicher. Und schon meldet sich die um Aufmerksamkeit heischende, aber zunehmend zur Bedeutungslosigkeit verkommende blau-gelbe Pünktchen-Partei lautstark zu Wort. Die FDP-Landtagsfraktionen in Nordrhein-Westfalen und in Hessen wollen die neuen Jagdverordnungen in ihren Ländern kippen. Die Hessen durch eine Klage beim Staatsgerichtshof. Die abenteuerliche Begründung: Eine Einschränkung der Jagdzeiten würde einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen.

 Teuflische Kreaturen oder Mitgeschöpfe?

Die Zahl privat unterhaltener Auffangstationen für Waschbären ist in den vergangenen  Jahren gewachsen. Immer mehr Menschen sehen in diesen Tieren nämlich nicht die teuflischen Geschöpfe, als die sie uns gewisse Interessengruppen gerne “verkaufen”.  Mit erheblichem finanziellem und zeitlichem Aufwand werden in diesen ehrenamtlich betriebenen Einrichtungen Jungtiere aufgezogen, deren Eltern per Jägerhand oder durch Unfall getötet worden sind. Das wird künftig, wenn überhaupt, nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich sein.

Die Betreiber müssen zudem ausschließen bzw. garantieren, dass sich ihre Schützlinge nicht vermehren. Sie haben also zusätzlich zu den Kosten für Unterhalt, Futter, Wurmkuren und Impfungen auch die Ausgaben für die Kastration oder Sterilisation zu schultern. Und ausgewildert werden dürfen Waschbären nach erfolgreicher Aufzucht sowieso nicht mehr. Ihnen droht also lebenslange Gefangenschaft.

 Zwei Seelen schlagen in der Entenbrust

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Der nordamerikanische Ochsenfrosch kann bis zu 20 Zentimeter lang werden und frisst alles, was er überwältigen kann. Vor allem für andere Amphibien hierzulande soll er eine ernsthafte Bedrohung sein. Foto: Pixabay

Deshalb werden solche privaten Gehege kurzfristig verschwinden. Das Land wird dann gezwungen  sein, seinerseits entsprechende Stationen zu errichten und zu unterhalten, um solche verwaisten Tiere tierschutzgerecht unter zu bringen. Die Zeche übernimmt allerdings nicht Brüssel. Die trägt der nationale Steuerzahler. Die Länder befinden sich also in einem klassischen Zielkonflikt: Einerseits müssen sie die Verordnung der EU, die auf Vernichtung bzw. Bestandsreduzierung bestimmter Tierarten abzielt, umsetzen, andererseits aber auch dem Tierschutz, der ja als Staatsziel Verfassungsrang genießt, Genüge tun. Wie war das gleich noch mal mit den zwei schlagenden Seelen in der Entenbrust?

 Fühlende Wesen und geduldiges Papier

Ach ja: Das Wohlergehen der Tiere als “fühlende Wesen” ist in Art. 13 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, einer der Gründungsverträge, verankert. Durch die Aufnahme in das EU-Primärrecht wird dem Tierschutz eine ähnliche Bedeutung zugemessen wie den Grundrechten. Die EU-Kommission ist durch dieses “Protokoll gesetzlich verpflichtet, Tierschutzgedanken zu berücksichtigen. Aber Papier ist ja geduldig.

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Vom Kleinen Mungo versprach sich der Mensch ursprünglich Hilfe bei der Bekämpfung von Ratten, doch seine Verbreitung in Europa hat auch zu Problemen geführt. Der Mangustenart wird nachgesagt, eine erhebliche Bedrohung der heimischen Tierwelt darzustellen. In der “Global Invasive Species Database” werden diese Räuber zu den hundert schädlichsten invasiven Neobiota weltweit gezählt. Foto: Pixabay

Zoos und Wildgehege werden sich über kurz oder lang von allen Tierarten verabschieden müssen, deren Namen auf der “schwarzen Liste” stehen. Das gilt beispielsweise für Waschbären, südamerikanische Nasenbären, Grau- und Rotbauchhörnchen, Nutrias, Zwergmuntjaks und Kleine Mungos. Diese dürfen hier zwar, soweit vorhanden, bis zu ihrem Lebensende verbleiben, aber nicht mehr ersetzt oder nachgezüchtet werden. Auch müssen sie in ausbruchssicheren Käfigen gehalten werden. Aus Freigehegen könnten sie ja ausreißen. Unsere Enkel werden vergeblich danach suchen. Aber es gibt ja genügend Bilder im Internet.

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