Von Jürgen Heimann
In diesen Tagen dürfte der olle „Hubsi“ wieder wenn auch nicht in aller, so doch in vieler Munde sein. Hubertus von Lüttich, wie er korrekt heißt bzw. hieß, ist einer von mehreren tausend Heiligen, die die katholische Kirche als solche verehrt. Wie viele Namen dieser erlauchte, elitäre Kreis umfasst, weiß man im römischen Hauptquartier auch nicht so genau. So um die 6.500 sollen es aber inzwischen sein, die Seligen bzw. Seliggesprochenen mitgerechnet. Wie viele der posthum verehrten und erhöhten Kollegen hatte auch der frühere Bischof von Maastricht ein Spezialgebiet: die Jagd. Der er zwar letztendlich geläutert und reuig abschwor, was seine selbst ernannten Nachlassverwalter aber nicht daran hinderte, ihn zu ihrem Schutzpatron umzubiegen.
Der 3. November gilt im Kirchenjahr als Gedenktag des “Holy Hunter”, weil die Erhebung seiner Reliquien (Translation) an eben diesem Tag anno 743 erfolgt war. Darunter versteht man die Umbettung bzw. Verlagerung sterblicher Überreste an einen geweihten Ort. Egal, ob wesentliche Kapitel seiner Lebensgeschichte auf Legenden oder historisch verifizierbaren Tatsachen beruhen, der Heilige Hubertus wird uns bis in die Neuzeit hinein als leuchtende Galionsfigur und Beschützer der Nimrods vorgeführt. Dafür mussten zwar wesentliche Teile seiner Biografie und Überzeugungen umgeschrieben bzw. umgedeutet werden, aber das war in der Kirchengeschichte ja noch nie ein Problem.
Wie ein Jagdgegner zum Jäger-Paten wurde
Auch 1289 Jahre nach seinem Ableben pirscht der Jäger-Patron unverdrossen über nach ihm benannte Märkte, ist unsichtbarer Ehrengast bei unzähligen in seinem Namen zelebrierten kirchlichen Messen und verleiht den Hubertusjagden eine christlich verbrämte Legitimation. Nach ihm sind sogar Pfadfindergruppen benannt (“jeden Tag eine gute Tat”), ebenso Hotels, Schützen- und Jägervereine. Klar, dass sich auch die Hersteller jagdlichen Zubehörs auf das große Vorbild berufen.
Vielleicht würde sich der Mann ob dieser Umdeutung heute noch mit den Gebeinen klappernd im Grab herumdrehen. Nur, wo seine morschen Knochen geblieben sind, weiß kein Mensch. Die Spur der sterblichen Überreste verliert sich in der französischen Revolution. Bis dahin waren die Reliquien in Andagium, dem heutigen Saint-Hubert, stationiert, was der belgischen Kleinstadt Wallfahrtsort-Status einbrachte.
Hubertusjagden, die meist um den 3. November herum terminiert werden, sind für die “Heger” ein willkommener Anlass, wieder einmal durchzuladen. Das Kind braucht ja einen Namen. Und Tradition verpflichtet schließlich. Nun ist es für das finale, blutige Resultat aber eigentlich völlig unerheblich, ob man die als Event inszenierte gemeinschaftliche Hatz auf Wildtiere einem Heiligen widmet, nach einem Filmstar benennt oder die Blutspur zu Ehren eines Jagdwaffenherstellers legt. Zumindest in letzterem Fall wäre sicherlich außer dem Spaß an der knallenden Freud‘ noch eine saftige Sponsorenkollekte drin. Aber dass sich unsere Kirchen vor diesen Karren spannen lassen, um in eigens dafür choreografierten Messen und Gottesdiensten die Jäger, ihre Knarren und ihre Opfer zu segnen, schlägt dem Weihwasserbecken den Boden aus. Das Weihen von Waffen ist aber, wie die Geschichte lehrt, auch die jüngere, keine Erfindung der Neuzeit.
Wo Seelsorger auf schlüpfrigen Grat pirschen
So etwas gibt es nicht nur bei den Katholiken, sondern auch bei den Protestanten. Auch wenn die Zahl der entsprechenden von Jagdhorngetöse untermalten und nicht selten ökumenisch zelebrierten “Gottesdienste” überschaubar ist und bleibt. Viele der Priester und Pfarrer mögen nicht auf diesem schmalen, schlüpfrigen Grat pirschen. Aber viele ihrer Oberen haben offenbar weniger Skrupel, geschweige denn Probleme damit. Dass solch grenzwertige Veranstaltungen nicht selten von Protesten aufgebrachter Tierfreunde begleitet werden, ist nachvollziehbar. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein. Beispielsweise am kommenden Sonntag (6. November) im und am Eifelkloster Steinfeld in der Eifel. In der großen Basilika der ehemaligen Prämonstratenserabtei möchte sich die Kreisjägerschaft Euskirchen inszenieren. Tierschützer aus der näheren und weiteren Umgebung wollen dagegen halten.
Im Mittelhessischen ist es beispielsweise das evangelische Dekanat Weilburg, das zum zweiten Male zum fröhlichen Kesseltreiben in die Schlosskirche der ehemaligen Residenzstadt bittet. Schließlich habe die Premiere im Vorjahr gezeigt, dass Bedarf (bei wem?) an Derartigem bestünde. Insofern folgt das Angebot wohl der Nachfrage, oder? Etwas weiter nördlich haben die Sinner diesen Unsinn bereits hinter sich. In der katholischen Pfarrkirche “St. Michael” der südlich von Herborn gelegenen Glockengießergemeinde durften die Dillkreis-Jäger bereits Anfang Oktober priesterlichen Segen empfangen und sich selbst feiern.
„Diana“ und „Artemis“ wären die bessere Wahl
Statt den ganzen Zauber wider besseres Wissen als einen mit der christlichen Lehre in Einklang stehenden darzustellen, könnte man sich ja auch auf “Diana” berufen. Nein, nicht “Lady D”, sondern die Jagdgöttin aus der römischen Mythologie, die bei den Griechen “Artemis” hieß. Aber das würde vielen das jagdliche Treiben noch suspekter machen und wäre für die PR kontraproduktiv. Jäger sind schließlich keine heidnischen Barbaren, sondern tief und fest in der Tradition des christlichen Abendlandes verwurzelt. Dem gilt es durch ein entsprechend ausgelegtes Brimborium Rechnung zu tragen.
Mit spitzem Stift gegen durchsichtige Mythen
Zu den kreativsten und pointiertesten Kritikern des „edlen Waidwerks“ gehört der österreichische Karikaturist Bruno Haberzettl. Ein ganz großer seiner Zunft. Mit spitzem Stift bringt er die Lügengebäude der Jäger regelmäßig zum Einsturz – zumindest auf dem Papier. In seiner unnachahmlichen Weise hat sich der Künstler auch ihres aktuellen Schmierenstücks angenommen. In diesem Zusammenhang sei auf ein Interview verwiesen, das der Mann dem Magazin „Freiheit für Tiere“ gegeben hat und in dem er seine Positionen ausführlich darlegt und dezidiert erläutert: Nachzulesen ist das hier:
Da wurde der „Hubs“ fast zum Hirsch
Der Legende zufolge hatte Hubertus von Lüttich, in seiner Sturm- und Drangzeit ein leidenschaftlicher, exzessiver Jäger, einst ein Schlüsselerlebnis, das ihn seinem blutigen Handwerk ein für allemal abschwören und die Knarre für immer aus der Hand legen ließ. Einem Hirsch auf der Spur, soll sich jener dem Edelmann plötzlich entgegen gestellt und gefragt haben: „Hubertus, warum jagst Du mich?“ Zwischen dem Geweih habe ein Kreuz geleuchtet, in der Stimme, die der perplexe Waidmann zu hören vermeinte, glaubte er die von Jesus Christus zu erkennen.
Hubertus stieg , wie von selbigem getreten, vom Gaul und kniete vor dem Tier nieder. Das war das Ende seiner Jägerkarriere. Er wurde Christ. Und die Moral von der Geschicht‘: Christentum und Jagd passen nicht zusammen, besetzen einander diametral entgegen gesetzte Positionen. Die Gegensätze sind eigentlich unüberbrückbar, ziehen sich aber in dem aktuellen Fall kurioserweise an. Was wohl auch mit dem eher gespaltenen Verhältnis, das die offizielle Religion zum Tier hat, zusammenhängt. Die ursprüngliche der Hubertuslegende innewohnende Botschaft, dass der Mensch in Einklang und Frieden mit der Natur und den Tieren leben und nicht ihr Jäger, sondern ihr Beschützer sein soll, wird negiert.
Durchsichtige Thesen der Selbstbeweihräucherung
Das Bistum Hildesheim führt auf seiner Webseite vor Augen, wie man so etwas öffentlichkeitswirksam macht. Dort darf ein braver Katholik in epischer Breite all diese verklärenden, volksverdummenden Selbstbeweihräucherungs-Thesen herunterbeten, mit denen er und seine Kollegen seit Jahrhunderten hausieren gehen. Man lebe als Jäger mit und in der Natur und hätte sich die Bewahrung der Schöpfung auf die Fahne geschrieben, ist dort zu lesen. Und: “Die Achtung vor der Kreatur drückt sich in uralten Bräuchen aus wie das Verharren beim erlegten Wild, ihm als letzten Bissen einen Zweig ins Maul zu stecken oder es am Ende einer Jagd mit einem Hornsignal und dem letzten Halali zu ehren”. Schlecht werden kann es einem dabei! Und dann das “i”-Tüpfelchen: Am Hubertus würden die Jäger für die “Ernte” danken, machten sich dabei aber auch noch einmal bewusst, welche Verantwortung sie als Heger für die Kreatur und die Umwelt hätten. Narhallamarsch! Nachzulesen ist das hier:
Legende verfälscht und ins Gegenteil verkehrt
Die Geschichte einer Umkehr wird bewusst und gezielt verfälscht, missbraucht und ins Gegenteil verkehrt. Statt im Heiligen Hubertus den Schutzpatron der Tiere zu sehen, machen die Kirchen und ihr schießendes Fußvolk ihn zum Maskottchen und Beschützer derer, die dem Wild in finsterer Absicht nachstellen. Und das tun sie heute, von dunklen nicht kontrollierbaren Trieben gehetzt, lustbetonter denn je. Nicht zur Nahrungssicherung, sondern als Hobby, bei dem der Kick, sich als Herr bzw. Frau über Leben und Tod aufspielen zu dürfen, dominiert.
Lust-Genuss im Wald und auf der Heidi
Es gibt ja die abenteuerlichsten Begründungen, das sogenannte “Waidwerk” als Notwendigkeit zu rechtfertigen und zu erhöhen. Viele davon glauben die Beteiligten, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz, selbst nicht. Beispielsweise, dass es sich bei dem, was sie tun, um aktiven, von tiefster Tierliebe diktierten Naturschutz handelt. Einen tiefen Blick in die Psyche seiner Brüder und Schwestern im Geiste gewährt der Hamburger Jurist und Jäger Florian Asche in seinem richtungsweisenden Buch “Jagen, Sex und Tiere essen”. Da tun sich Abgründe auf. Originalzitat aus dem Pamphlet des schießenden Winkeladvokaten: “Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet. Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet”. Die erste Begegnung oder eine Pirsch im Frühlingswald sei vergleichbar mit der wachsenden Erregung angesichts des begehrten Partners oder des Wildes. Sie sei vergleichbar mit dem Drang, die Beute zu töten beziehungsweise zum Orgasmus zu kommen. Oh Mann! In irgendeiner geschlossenen Gummiwand-Abteilung dieser Republik müsste doch noch ein Zimmer frei sein!!!
Die blonde Nicole hat Bock auf Bock
Und immer dann, wenn man denkt, es ginge nicht schlimmer, kommt jemand, der setzt noch eins drauf. In diesem Fall ist es eine Frau – die blonde Nicole. Eine fesche, dem ersten äußeren Eindruck nach zu urteilen noch nicht einmal ganz unsympathische Amazone. Die Deutsche Jagdzeitung hatte ihr bereits im vergangenen Jahr auf ihrem Videokanal auf Youtube einen eigenen, denkwürdigen Beitrag gewidmet. Die Macher sind ja bekannt für ihre emotionalen, sensibel aufgemachten und atmosphärisch dichten und informativen Dokumentationen:
Ein Kamerateam begleitete die Dame bei ihrem (letztendlich von Erfolg gekrönten) Versuch, ihren ersten Bock zu schießen, und war ganz dicht dran am Geschehen. Das berühmte erste Mal. Was den Zuschauer mitfiebern und mitfühlen lässt. Die Aufregung und Anspannung der Lady auf dem Hochstand sind greif- und spürbar. Der Puls rast und ist auf 180, das Adrenalin und andere Botenstoffe schießen achterbahngleich durch ihren Körper. Der Atem geht stoßweise. Und dann die ersehnte Erlösung, die innere Befreiung nach dem finalen Schuss. Schweißtropfen perlen auf der Stirn der euphorisierten Frau, während roter “Schweiß” aus der Schusswunde des Tieres strömt. “Geil, das ist ja so geil”, hechelt Blondie. Die Antwort auf die Frage, mit was diese soeben gemachten Erfahrungen und Eindrücke denn vergleichbar seien, kommt wie aus der Flinte geschossen: “Ich glaub‘ als mein Kind zur Welt kam!“ Dagegen gibt’s wohl auch nix bei Ratiopharm…