Rotorman's Blog

Als der Himmel brannte: Ausstellung über
den folgenschweren Luftkrieg im Dillkreis

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Als es Feuer vom Himmel regnete: Die Ausstellung im Eschenburger Regionalmuseum ermöglicht detaillierte Einblicke in das Luftkriegsgeschehen im Dillgebiet. Im Vordergrund eine lebensgroße Puppe in der Einsatzausrüstung einer britischen Bomberbesatzung. Foto: Winfried Krüger

Von Jürgen Heimann

72 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs beginnen die Spuren dieses katastrophalen globalen Waffengangs mit Abermillionen Toten langsam zu verblassen. Aber es gibt sie noch. Ebenso wie die Erinnerungen in den Köpfen jener, die Zeugen des blutigen, viele Opfer fordernden Geschehens wurden, und sei es nur am Rande. Die großen Schlachten wurden zwar woanders geschlagen, doch auch die Region an der Dill blieb nicht außen vor. Hier war es vor allem die luftgestützte Kriegsmaschinerie, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzte.  

Zweikämpfe am Himmel, Bombardements, Attacken auf Personen- und Lazarettzüge, Abstürze – das volle Programm. Keine Ereignisse aus dieser Zeit sind  so umfassend dokumentiert wie jene, die sich damals zwischen Himmel und Erde zutrugen. Dieser Thematik widmet sich eine Sonderausstellung im Regionalmuseum Eschenburg, die am kommenden Sonntag (29. Januar) in Eibelshausen (Marktstrasse 1) eröffnet wird.

Der dem Herborner Geschichtsverein angegliederte Arbeitskreis “Luftkrieg im Dillgebiet” hat, was die Erforschung dieses Kapitels anbelangt, Pionierarbeit geleistet. Der inzwischen leider verstorbene Rainer Klug und seine Helfer waren über Jahrzehnte hinweg akribisch jedem noch so vagen Hinweis, jeder noch so kleinen Spur nachgegangen, um ein umfassendes Bild der Geschehnisse zeichnen zu können.

Einzigartige Dokumentation im Regionalmuseum

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Die Arbeitsgruppe „Luftkrieg“ des Herborner Geschichtsvereins hat das martialische Geschehen im Luftraum des Dillgebiets in ihrem Buch lückenlos dokumentiert.

Die Ergebnisse wurden in einem vielbeachteten Nachschlagwerk “Der Luftkrieg im Dillgebiet” zusammengefasst. Daraus schöpft auch die Präsentation im Eibelshausener Museum, zu der Kustos Winfried Krüger einlädt. Sie gewinnt inhaltliches Gewicht dadurch, dass sie unter maßgeblicher Beteiligung der Herborner zustande kam und von diesen wissenschaftlich begleitet wurde. Sie waren in jahrzehntelanger Feldarbeit auf Spurensuche gegangen, um Absturzorte zu vermessen, nach Trümmer- und Wrackteilen zu graben und die Schicksale und die Herkunft der Besatzungen zu hinterfragen. Zu einigen der Überlebenden bzw. ihren Angehörigen in Europa und Übersee halten sie noch heute Kontakt und haben  die wesentlichsten Teile der Ausstellung durch Exponate aus ihrem eigenen Fundus beigesteuert.

Für Heimathistoriker, vor allem aber auch für an der Luftfahrt- und, einhergehend damit,  Technikgeschichte Interessierte dürfte die Ausstellung eine wahre Fundgrube sein. Neben vielen Originaleilen aus in der Region abgestürzten Bomber und Jäger, seien es nun Navigationsinstrumente, Bombenzielgeräte, Luftbildkameras, Teile von Bordwaffen oder gar komplette Luftschrauben, findet sich hier eine Fülle von Dokumenten, Zeitungsausschnitten, Tagebuchaufzeichnungen und Fotos, die das düstere Geschehen zwischen 1939 und 1945 erhellen und transparent machen. Natürlich werden auch die folgenschweren Bombardements auf Niederscheld, Dillenburg und Haiger berücksichtigt, ebenso wie die auf Breitscheid und Medenbach. Oder die vielen erbitterten Zweikämpfe, die sich die Gegner überall am Himmel der Region lieferten.

Deutscher Jet-Pilot am Rettungsschirm erschossen

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Jet-Pilot Willi Ehrecke starb 21-jährig über Hirzenhain, als er am Rettungsschirm baumelnd von drei US-amerikanischen Jagdbombern unter Bordwaffenbeschuss genommen wurde. Sein Grab wird heute noch auf dem hiesigen Friedhof gepflegt.

Die Älteren unter den Eschenburgern und Dietzhölztalern erinnern sich noch sehr genau an jenen denkwürdigen Vormittag des 21. März 1945, als ein von alliierten Jägern abgeschossener M 262-Düsenjet unweit der Eierbank in der Gemarkung von Steinbrücken  in den Berg geknallt und in einer Feuerwolke explodiert war. Details dazu hier. Der 21jährige Flugzeugführer hatte sich zuvor mit dem Fallschirm retten können, war aber über Hirzenhain von drei P-47 Thunderbolt-Piloten in die Zange genommen und, noch während er hilflos am Schirm zu Boden segelte, durch Bordwaffenbeschuss getötet worden. Willi Ehreckes Grab wird heute noch auf dem Hirzenhainer Friedhof gepflegt.

 Kuhfuhrwerke als kriegswichtige Angriffsziele

Die Fightergroups der 9. US-Luftflotte attackierten in diesen unseligen Tagen alles, was bei drei nicht auf oder unter einem Baum bzw. im Schutzkeller war, Kuh- und Pferdefuhrwerke inklusive. Die Tiefflieger hatten an diesem Tag Angriffe gegen Eisenbahnwagen zwischen Sechshelden und Haiger geflogen und das Haigerer Bahngelände mit Bomben eingedeckt. Dabei wurde der Bahnhof zerstört. Acht P-47 der 53th Squadron der 36th Fightergroup griffen hinter Driedorf in Richtung Herborn einen Wehrmachtstransportzug an und zerstörten dabei eine Lok. Auf der Straße von Münchhausen nach Seilhofen attackierte dieselbe Einheit drei Lastwagen, während auch ein Haus in der Altstadt von Herborn zahlreiche Treffer abbekam. Die Verwüstungen waren so erheblich, dass die in dem Gebäude untergebrachte Post in die Aula der Hohen Schule verlegt werden musste.

 Jabos fackelten den Eschenburg-Turm ab

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Hätte mal das Wahrzeichen der späteren Gemeinde Eschenburg werden können. Der Eschenburg-Turm wurde am 23. März 1945 von amerikanischen Jabos in Brand geschossen und fackelte bis auf die Grundmauern ab. Foto: Hans-Hartmut Conrad

Nur drei Tage später legten US-amerikanische Jabos den Eschenburg-Turm in Schutt und Asche, auf dessen Aussichtsplattform eine Flugwache untergebracht war. Die Hintergründe dazu hier. Bereits in der Nacht zum 16. März war am Ortsrand von Roth ein englischer Lancaster-Bomber zerschellt. Die Maschine hatte zuvor an einem konzentrierten alliierten Luftangriff auf Misburg bei Hannover teilgenommen und war auf dem Rückflug von deutschen Nachtjägern abgeschossen worden. Fünf Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, ein Crewmitglied geriet in Gefangenschaft, ein weiteres konnte flüchten.

 Stuka krachte in Dillenburger Kaufhaus

Aber schon zuvor hatte der Dillkreis-Himmel viele Dramen und spektakuläre Tragödien gesehen. Ob das der Zusammenstoß zweiter Halifax-Bomber am Abend des 6. Januar 1945 über Oberscheld und Eibach war, oder der Stuka, der am 13. März desselben Jahres in Dillenburg  ins Kaufhaus König und die Fassade des Hauses Weidenbach krachte.  „Shot by friendly fire“ würde man heute sagen. Die Ju 87 war von der eigenen Flak abgeschossen worden, nachdem der „dem eisernen Kompass“ (dem Schienenstrang) folgende Pilot am Bahnhof Dillenburg eine „Bahnsteigkarte gelöst“ hatte. So pflegte man damals zu sagen, wenn Flugzeugführer mit leichten Orientierungsschwächen so tief flogen, dass sie  ihre Position anhand der Bahnschilder bestimmen konnten. Das war der Geschützbedienung der Bahn-Flak offenbar nicht ganz geheuer vorgekommen. Sie hatte sicherheitshalber das Feuer eröffnet.  Für die zweiköpfige Besatzung der Maschine ein fatale, tödlich endende Entscheidung.

 Toter Bordfunker lag drei Jahre auf dem Grund von Heuslers Weiher

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Die M2 262 war der erste einsatztaugliche und in Serie gefertigte Düsenjäger der Welt und galt als fortschrittlichstes Flugzeug ihrer Zeit. Eine solche Maschine zerschellte am 21. März 1945 in der Gemarkung von Dietzhölztal-Steinbrücken unweit der „Eierbank“. Foto: Luftfahrtarchiv

Und da war der Absturz einer viermotorigen Lancaster in Heuslers Weiher bei Dillenburg Ende März 1944. Fünf Tote, zwei Schwerverletzte. Die Leiche eines achten Besatzungsmitglieds, von dem man gar nicht wusste, dass es existiert hatte, wurde erst über drei Jahre später, nachdem das Wasser aus dem See abgelassen worden war, in dem Wrack gefunden. Der Tote war noch an seinem Sitz angeschnallt.

Solche mit Tod, Verletzungen, Verwüstung, Zerstörung, Feuer, Explosions- und Detonationsknall einhergehenden Ereignisse zählten in dieser Zeit für unsere Eltern und Großeltern zum alltäglichen Wahnsinn. Und das war nur ein kleiner, verkürzter Abriss dessen, was sich auch in unserer Region an martialischem Irrsinn abgespielt hat. Die  erwähnte Luftkriegs-Dokumentation des Geschichtsvereins ermöglicht einen detaillierten Blick darauf. Die Ausstellung im Regionalmuseum, die am kommenden Sonntag (29. Januar eröffnet wird und bis zum 19. Februar jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden kann, versteht sich als lehrreiche und informative Ergänzung dazu.

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