Von Jürgen Heimann
Im Ergebnis bleibt es sich egal, ob wir es hier mit Erkenntnisresistenz oder infantilem, spätpubertärem Trotz zu tun haben. Ob die Pulverdampf-geschwängerten Muskelspiele, die die Jägerschaft derzeit wieder in ganz Deutschland veranstaltet, nur der Befriedigung eines krankhaften Tötungstriebs und damit der eigenen Luststeigerung dienen oder dem Ganzen tatsächlich, wie behauptet wird, eine zwingende Notwendigkeit zugrunde liegt. Letzteres kann und darf in Gänze verneint werden. Alle wildbiologischen Erkenntnisse sprechen dagegen.
Die Zeche zahlen, wie immer, die Tiere, deren Bestände regulieren und ihnen auf die Pfoten klopfen zu müssen die Weidleute ja nicht müde werden zu verbreiten. Aktuell ist es wieder mal der Fuchs, der ins Visier der grünen Abiturienten gerät. Nachdem die beliebten Treib- und Drückjagden, bei denen zum Jahresende hin jeweils auf alles geballert wird, was bei drei nicht auf oder hinter einem Baum in Deckung gegangen ist, erfolgreich gestemmt worden sind, sieht sich nun der Rotrock in allen Teilen des Michel-Landes einem konzentrierten Feuer ausgesetzt. Insofern dürfte neben dem “Problemwolf” auch der Begriff “Fuchswoche” als “(Un-)Wort des Jahres” durchaus Chancen haben.
“Fuchswoche” klingt so ein klein wenig nach “Matratzentage bei Betten-Fischer” oder “Woche des Vollkornbrötchens” beim Lecker-Bäcker, ist aber tatsächlich eine verharmlosende Umschreibung für eine Tötungsorgie schrecklichen Ausmaßes. Ein Großteil der über 500.000 exekutierten Reinekes, die jährlich in den germanischen Revieren auf der Strecke bleiben, um selbige anschließend dekorativ aufzufüllen, kommt bei solchen als Freizeitspaß inszenierten Massakern ums Leben. Ein solches dann als “sinnvollen Beitrag zur Erhaltung einer gesunden Flora und Fauna” zu verbrämen, wie es der Jagdverein Gießen und Umgebung aktuell wieder versucht, ist mehr als kühn. Oder haben wir da ein Quentchen Realsatire übersehen?
Beim Bart des Heiligen Hubertus
Die “Argumente”, die als Legitimierung für eine solche Aktionswoche angeführt werden, sind so alt wie der Bart von “Hubertus”, falls er denn einen gehabt hat. Der Heilige gilt ja als Schutzpatron der Pirschgänger und wird auch von den Gießener Hegern explizit im Vereinsnamen geführt. Was aber die Intention und Lebensideale des so dreist von den Lodenmäntlern vereinnahmten “Holy Hunter” völlig auf den Kopf stellt. Um zum Schutzpatron der Jäger aufzusteigen, mussten wesentliche Teile der Biografie und Überzeugungen des früheren Bischofs von Maastricht und Lüttich umgeschrieben bzw. umgedeutet werden. Das aber ist wieder eine ganz andere Geschichte. Und die wird hier erzählt.
Auch die Gießener Freizeitschützen sind sich nicht zu schade zu behaupten, der Fuchs würde den Bestand an Feldhasen, Rebhühnern und Fasanen dezimieren. Das tun sie am liebsten ja nämlich selbst. Und dass sich der böse Predator unkontrolliert vermehre und Krankheits- und Seuchenüberträger sei, wird auch gerne angeführt. Deshalb müsse man ihm auch die Krallen stutzen. Mit solchem und ähnlichem Blödsinn gehen einschlägige Kreise ja seit Jahrzehnten hausieren, ohne dass er durch gebetsmühlenhafte Wiederholung wahrer wird. Gut, ab und zu werden die fadenscheinigen Gründe auch schon mal im Detail variiert. Im ostfriesischen Landkreis Leer muss beispielsweise der Wiesenvogelschutz dafür herhalten, ein entsprechendes Schlachtfest zu rechtfertigen. Aber auch dagegen regt sich Widerstand.
Töten im Dienste der Wissenschaft
Im Mittelhessischen sind die Argumente auch nicht gehaltvoller. Man unterstütze ja schließlich auch die Veterinär-Pathologie der Gießener Justus-Liebig-Universität und das Veterinäramt bei wissenschaftlichen Untersuchungen, heißt es da. Also Töten im Dienste der Forschung! Das ist doch mal etwas Neues. Und wenn dem so ist, wird das sicherlich auch bei den unmittelbar Be- und Getroffenen auf Verständnis stoßen. Für den veterinärmedizinischen Fortschritt muss man halt gewisse Opfer bringen. Das sehen die Füchse ganz sicher auch so. Aber was für ein verquollener Quatsch! Weder die Uni noch das Kreisamt nehmen wissenschaftliche Untersuchungen an Füchsen vor. Wildtiere, ob nun gezielt erlegt oder tot aufgefunden, werden vom Hessischen Landeslabor (kontinuierlich) untersucht.
Weniger Füchse, aber deutlich mehr Jäger
Belastbare Zahlen, wie sie (mit Abstrichen) auch den jährlich veröffentlichen Jagdstatistiken zu entnehmen sind, führen eine weitere Behauptung ad absurdum. Nämlich die, dass die Fuchspopulation in den vergangenen 40 Jahren um den Faktor 7,5 gewachsen sei, der Rebhuhn- und Hasenbestand aber um das Zehnfache abgenommen hätte. Tatsächlich aber ist die Fuchsdichte in den vergangenen 20 Jahren um ein Drittel geschrumpft und hat einen historisch niedrigen Stand erreicht. Hingegen stieg die Population der Jagdausübungsberechtigten im gleichen Zeitraum um 15 Prozent. Diese Entwicklung ist es ja, die uns nachdenklich stimmen sollte.
Und der Schwund bei Rebhühnern, Hasen und Fasanen zeichnet sich erst seit 2008 ab. Der hat aber andere Gründe. Auch im Großraum Gießen wurde der Anbau sogenannter “Energiepflanzen” seit 2006 verdreifacht, was den Lebensraum der Tiere in gleichem Maße reduzierte. Überdüngung der Felder sowie der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden schwächen die Bestände zusätzlich. Den Rest erledigen dann die Jäger. So wird ein Schuh draus. Dass sich die “Heger” ihre eigenen Zahlen biegen, wie sie sie gerade brauchen, wird am Beispiel von Meister Lampe deutlich. In der Jagdsaison 2014/15 hatten die bewaffneten Waldläufer deutschlandweit 236.106 Langohren abgeschossen, neben 113.914 Fasanen und 2322 Rebhühnern. In Hessen fielen ihnen im gleichen Zeitraum 3.290 Hoppelmänner und –frauen zum Opfer. Aber plötzlich soll es der Fuchs gewesen sein. Noch im Frühjahr 2016 hatten die Gießener Jäger auf ihrer eigenen Webseite Entwarnung gegeben und vermeldet, dass in den hiesigen Revieren noch ein relativ hoher und stabiler Bestand an Hasen vorhanden sei. Die Situation muss sich quasi über Nacht dramatisch verändert haben. Denn jetzt sind es angeblich auf einmal deutlich weniger, woran der böse Fuchs schuld ist. Deshalb muss er als Sündenbock herhalten. Eine durchsichtigere Begründung, ihm massiv nachzustellen, gibt es wohl nicht.
Online-Petition gestartet: Abstimmen für die Füchse
Für den bundesweit agierenden Verein „Wildtierschutz Deutschland“ ist die Fuchsjagd „ein grausames Treiben, für das es keinerlei sinnvolle Rechtfertigung gibt“. Die Organisation hat eine (auch an die Hessische Umweltministerin adressierte) Online-Petition initiiert, deren Ziel es ist, diese unseligen “traditionellen” Fuchswochen in Gießen ein für allemal aus der Welt zu schaffen und zu verbieten. Das wird nicht gelingen. 52.453 Unterschriften hatten ja auch die Weidkollegen im Oberbergischen Kreis nicht dazu bewegen können, den Buschschwänzigen vom Zielradar zu löschen. Wie viele Tiere bei dem fröhlichen, einwöchigen Jagdtreiben in Hückeswagen und Wipperfürth auf der Strecke geblieben sind, wird bis dato wohlweislich verschwiegen. Aber das Thema ist gesetzt. Stärker denn je wird in der Öffentlichkeit über Sinn und Unsinn dieser Schützenfeste diskutiert. Die Oberbergische Initiative wurde inzwischen umadressiert und dient jetzt dem Ziel, die Fuchsjagd in NRW generell zu untersagen. Dass das funktioniert, ohne dass unser fragiles zivilisatorisches Gesamtgefüge zusammenbricht, zeigt ja das Beispiel Luxemburgs. Und in Hessen wird es auch höchste Zeit, einmal ernsthaft darüber nachzudenken. In diesem Zusammenhang sei auf die Webseite Schonzeit für Füchse verwiesen, die viele interessante Informationen zum Thema liefert.
Aufruf zur „scharfen Bejagung“
Aber erst einmal darf die interessierte und staunende Öffentlichkeit begutachten, wie sich die Gießener Jäger uneigennützig ins Zeug legen, Wind und Wetter trotzen und persönliche Interessen hintenan stellen, um das Gleichgewicht in der Natur zu wahren. “Hubertus”-Vorsitzender Dieter Mackenrodt, der Chef des mit 1.100 Mitgliedern größten Vereins innerhalb des Landesjagdverbandes, hat die Kollegen, alle Hegegemeinschaften der Region sowie die Studentische Jagdgemeinschaft Gießen (die ist für die wissenschaftliche Begleitung der Aktion zuständig) eindringlich zur “scharfen Bejagung des Haarraubwildes” (dazu zählen auch Waschbären und Marder) aufgerufen. Die Zeit dafür ist günstig. Die Füchse wandeln derzeit auf Freierspfoten und sind in diesen Wochen deshalb weniger aufmerksam und misstrauisch als sonst. 2012 hatte das fröhliche Jagen 66 Füchsen ein weniger fröhliches Ende bereitet, 2013 forderte der Kugelhagel unter ihnen 106 Opfer.
Stolz präsentieren wollen und können die erfolgreichen Naturschützer ihre Beute dann am Samstag, den 4. Februar, auf dem Vereinsgelände in Garbenteich. “Dann wollen wir gemeinsam die Strecke legen und verblasen”, ist der Vorsitzende voller Vorfreude. Vielleicht bläst den Akteuren dann (oder auch schon vorher) außer Jagdhornklang aber noch etwas anderes entgegen.
Erst zur Strecke gebracht, dann die Strecke gelegt
Ein Fototermin steht auch auf dem Programm. Das gibt dann bestimmt eindrucksvolle und dekorative Motive für den oder die Pressefotografen. So einige Dutzend toter Reinekes in der Horizontalen, malerisch auf Fichten- oder Tannenzweigen gebettet, dahinter vielleicht in Reih und Glied die heldenhafte Schar jener, die das vollbracht haben und die nun fotogen in stillem, ehrfurchtsvollen Gedenken an die Oper eine knappe Minute innehalten, das macht schon was her. Man muss ja schließlich auch etwas ans Image denken. Wenngleich: Ob solches der Eigen-PR dienlich ist? Zweifel sind erlaubt. Die Öffentlichkeit steht solchen anachronistischen, vom Blut unschuldiger Tiere durchtränkten Ritualen inzwischen weitaus kritischer gegenüber als noch vor ein paar Jahren. Insofern könnte das durchaus auch ein Schuss werden, der nach hinten losgeht.
Auf jeden Fall wird sich dem ganzen Brimborium ein gemütliches Beisammensein anschließen. Für Essen und Trinken (ganz wichtig!!!) ist dabei natürlich gesorgt. Cheerio Miss Sophie!
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