Von Jürgen Heimann
Jetzt mal unabhängig davon, ob diese richtungsweisende Erkenntnis nun auf dem Mist von Wilhelm Busch, Bert Brecht oder dem des Kabarettisten Werner Kroll gewachsen ist: Im nordrhein-westfälischen Umweltministerium hat man bzw. Frau sie jedenfalls verinnerlicht und zum Programm erhoben: “Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!” Die neue Chefin, Christina Schulze Föcking (CDU), ist dabei, eben jenen guten Ruf, den das Haus noch unter ihrem grünen Amtsvorgänger Johannes Remmel genoss, erfolgreich und ungeniert zu ruinieren- und wesentliche Elemente des Natur- und Tierschutzes gleich mit. Diese beiden Bereiche fallen ebenfalls in ihre Zuständigkeit, womit ein weiteres geflügeltes Wort Bestätigung findet: das vom Bock, den man zum Gärtner gemacht hat. Oder halt, wie in diesem Falle, die Ziege zur Floristin. Da könnte man auch gleich einen Pädophilen zum Leiter der Kita-Krabbelgruppe ernennen.
Erklärtes Ziel der sowohl burschikos als auch aufgesetzt-verbindlich auftretenden Blondine und ihrer Freunde ist es, das geltende Natur- und das ökologische Jagdgesetz entweder aufzuweichen oder gänzlich in die Tonne zu kloppen. Daran hat die Dame während verschiedener öffentlicher Auftritte keinen Zweifel gelassen. Das glaubt die 40-Jährige, die als neue Hoffnung der Bauern in Nordrhein-Westfalen gilt, der Agrar- und Jägerlobby auch schuldig zu sein. Und den Ankündigungen folgen Taten. Wie beispielsweise die Aufhebung des Verbots, Füchse in Kunstbauen zu jagen, beweist.
Homestory: So geht Tierschutz!
Mit dem Respekt gegenüber dem Mitgeschöpf Tier hat es die Schlagzeilen generierende Lady sowieso nicht so, wie schockierende Bilder aus ihrem Schweinemast-Gulag in Steinfurt/Münsterland unterstreichen. Stern-TV hatte die Zustände unlängst in einem Beitrag dokumentiert. Die Aufnahmen waren zwischen Frühjahr und Sommer undercover von Tierschutzaktivisten gemacht worden und sind nur schwer erträglich:
Wer mistet hier endlich mal aus?
Stark verletzte Tiere; Wutzen mit angefressenen, entzündeten Schwänzen und absterbendem Gewebe; solche mit schweren Gelenkentzündungen, die sich kaum noch bewegen können. Und wenn doch, dann nur humpelnd und unter offensichtlich schweren Schmerzen. Die gemessene Ammoniakkonzentration war mitunter mehr als doppelt so hoch als erlaubt. Demnächst wird hier wohl eine neue Folge von „Emergency Room“ gedreht. Auch die Produzenten von „Der Landtierarzt“ verhandeln noch um die Rechte. Arbeitstitel: „Jolanthe – eine arme Sau geht durch die Hölle“.
Und was die Sauberkeit angeht, trifft ein weiteres geflügelte Wort vollumfänglich zu: Es sieht (halt) aus wie im Schweinestall! Die Tiere stehen in ihrem eigenen Urin und Kot. Eine Veterinärmedizinerin nannte die hygienischen Zustände „erschreckend“. Da ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Rüsseltiere Infektionen und Krankheiten einfangen. Erst recht, wenn sie sowieso schon verletzt sind. Die Vorfreude darauf, irgendwann mal als Salami oder Kotelett im Kühlregal eines Discounters zu landen, sieht man den gepeinigten Kreaturen förmlich an. Nachts wurde ihnen sogar mitunter das Wasser in den Nippeltränken abgestellt.
„Aus Überzeugung dem Wohl der Tiere verpflichtet“
An dem Skandal-Betrieb, der sogar mit dem QS-Qualitätssiegel hausieren geht, war die gelernte Landwirtin bis kurz nach ihrem Amtsantritt in Düsseldorf zu 50 Prozent beteiligt. Ihr Ehemann zeichnet inzwischen als alleniger Geschäftsführer verantwortlich. Vor der Kamera hatte sich Frau Ministerin nicht zu den Vorwürfen äußern wollen. Und sonst auch nicht. Stattdessen versicherte ihr Göttergatte in einer schriftlichen Erklärung, dass sich der Betrieb aus tiefer Überzeugung dem Wohl der Tiere verpflichtet fühle. Und er meinte das nicht ironisch. Scheinbar bewerten „unabhängige“ Prüfer, die hier hin und wieder einmal einen offensichtlich getrübten Blick hinter die Kulissen riskieren, die Lage genauso. Da gibt es meist die höchste Punktzahl. Auch ein QS-Sonderaudit am 8. Juli, einem Zeitpunkt also, als die inkriminierenden Filmaufnahmen längst vorlagen, habe zu keinerlei Beanstandungen geführt, sagt der Schweinebaron.
Das Latein des Herrn Jaeger
Das lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder stehen die „Warentester“ dioptrienmäßig auf der Schattenseite des Lebens und sind mit völliger Blindheit geschlagen, oder aber das gesamte Prüf- und Siegelsystem ist faul und somit für den A…. Aber es gibt noch eine dritten Option: Man redet sich die Lage (auf Geheiß?) einfach schön. Wie es der verbeamtete Tiermediziner Friedhelm Jaeger (nicht Jäger) getan an. Der Mann ist im Ministerium beschäftigt und stellte seiner Chefin eine Art Persilschein aus, der diese bzw. ihren Menne von allen Anschuldigungen reinwaschen sollte. Hausintern heißt das Papier “Jaeger-Latein”. In einer zwei Tage nach Publikwerden der Vorwürfe erstellten „Studie“ war der F(l)achmann zu dem Schluss gelangt, es gebe in dem Musterbetrieb der Ministerin weder Haltungsfehler noch Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen. Eine solche in willfähriger Ergebenheit getragene Gefälligkeitsdiagnose muss belohnt werden. Soll sie auch. Schulze Föcking will im Ministerium eine neue Stabsstelle schaffen, zu deren primären Aufgaben es zählt, eine neue Nutztierstrategie zu erarbeiten. Und jetzt die Millionenfrage bei Jauch: Wer soll sie leiten? Friedhelm Jaeger! Da hätte man jetzt auch ohne Telefonjoker drauf kommen können. Und der Gärtner-Bock meckert ein weiteres Mal.
Keine Gnade für Meister Reineke
Aber das darbend-grunzende Kapital mit den nur noch rudimentär vorhandenen Ringelschwänzen ist ein Umsatzbringer. Daraus lässt sich viel Kohle herauspressen. Das ist beim Fuchs nicht so. Insofern hat der erst recht keine Gnade zu erwarten. Mit dem Buschschwänzigen kann man, so er einmal in die ewigen Jagdgründe befördert ist, wenig anfangen. Selbst wenn er sich, dumm gelaufen, eine rein zufällig vorbeischwirrende und wie aus dem Nichts kommende Kugel einfängt oder so blöd ist, in eine Falle zu tappen. Die Kadaver der exekutierten Bestien werden in der Regel verbuddelt – und gut ist’s. Die Viecher taugen noch nicht einmal für eine Trophäenschau. Und mit ihren zu schmückenden Pelzen verarbeiteten Fellen mag sich auch niemand mehr zieren. (Ausnahmen, die die Regel bestätigen: Für schöne Tiere gedacht, von hässlichen Menschen getragen). Aber den Kick, erfolgreich gewesen zu sein, kann den hegenden Vollstreckern jedenfalls keiner nehmen. Angesichts dieses Triumphs wird es in diversen und nicht selten die Dimension einer Festzeltplane erreichenden Höschen mitunter feucht. Und Abgang!
Kleine Gesten der Wertschätzung
Aber irgendwann und irgendwo muss man/frau ja damit beginnen, offen geäußerte oder verdeckt gemachte Wahlversprechungen, mit denen man sich weit aus dem Fenster gelehnt hat, umzusetzen. Deshalb hat Frau Ministerin Schulze Föcking gleich schon mal das (wenn auch löchrige) landesweit geltende Verbot der grausamen Baujagd auf die Reinekes kassiert. Zumindest in Kunstbauen dürfen die Damen und Herren im modisch-funktionellen Lodenlook nebst ihren hoch motivierten Waldis jetzt wieder flächendeckend zuschlagen. Wie sie das tun und was das für die Opfer bedeutet, wird hier erklärt. Und als kleines Zeichen der Wertschätzung für ihre Verdienste um den Artenschutz ist den Pirschgängern inzwischen auch gestattet worden, bei ihrem aufreibenden, aufopferungsvollen Dienst für die Allgemeinheit Schalldämpfer zu benutzen. Dabei hören sie den Knall sowieso längst nicht mehr.
Ein Prosit auf eine alte Männerfreundschaft
Der Segen von Regierungschef Armin Laschet für solche kleinen Gefälligkeiten gilt per se als sicher. Dahingehend muss der kraftlose Kraft-Nachfolger wohl weniger Protest fürchten als bei der umstrittenen Abschaffung des Sozialtickets für Bedürftige im Nahverkehr. Und jetzt auch noch die Affäre um verschlampte Klausurarbeiten. Als Lehrbeauftragter der Rheinisch-Westfälischen-Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, als der er inzwischen zurückgetreten ist, waren dem Mann zahlreiche Testate seiner Studenten abhandengekommen. Er benotete sie trotzdem.
Der neue CDU-Ministerpräsident und der Vorsitzende des Landesjagdverbandes, Rechtsanwalt Ralph Müller-Schallenberg, sind alte Freunde und Studienkollegen. So etwas verbindet. Dem LJV-Präses ist sowieso nichts Weltliches (und Jenseitiges) fremd. Er findet auch nichts Verwerfliches daran, wenn sich die Kameraden vor Dienstantritt an der Waffe mittels Alkohol etwas stimulieren und auf Betriebstemperatur bringen. Der Loden-Funktionär vermag in einem Schlückchen vor, während oder nach dem Pirschgang per se nix Abträgliches zu erkennen, sofern der Drink auf den Waffenbesitzer nicht beeinflussend wirkt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht das allerdings nicht so. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte. Wie dem auch sei: Die Tatsache, dass der Regierungs- und der Jägerchef so gut miteinander können, eröffnet dem schießenden Fußvolk ganz neue, vor einem Jahr noch kaum für möglich gehaltene Perspektiven. So funktioniert (Klientel-)Politik.
Erklärungsnöte in der Karnevals-Bütt
Das Schulze-Föcking-Ministerium gerät inzwischen jedoch zunehmend in Erklärungsnöte. Auf die Frage, auf welche Erkenntnisse sich der Beschluss, die “Gebietskulisse für die Kunstbaujagd” landesweit auszudehnen, denn stütze, gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. So beschied ein Ministerialbeamter aus der Düsseldorfer Schwannstraße dem Vorsitzenden der gemeinnützigen Organisation „Wildtierschutz Deutschland“
, Lovis Kauertz, auf eine entsprechende Nachfrage hin, “eine intensivere Bejagung von Prädatoren entspreche einem seitens des Vogelschutzes nachdrücklich eingeforderten Bedarf”. Hallo? Ist da jemand? Mit der Nummer könnte der Verfasser, ein gewisser Walter Schmitz, auch beim Kölner (oder Düsseldorfer) Karneval in die Bütt steigen. Tusch! Narhallamasch. Zugabe! Wolle mern reinlasse???
Aus dem Bestseller der Gebrüder Blattschuss abgeschrieben
Mit einer ähnlich schwammig-belanglosen und fast gleichlautenden Erklärung versuchte das Ministerium auch die Vorsitzende der NRW-Tierschutzpartei, Sandra Lück, abzufertigen. Natürlich ohne auf deren sich auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz stützenden Antrag auf Einsicht in Gutachten und Protokolle einzugehen. Auf solche hatte sich die Regierung bei ihrer Anordnung nämlich (zunächst) berufen. Erst auf eine weitere bohrende Nachfrage hin musste sie zugeben, dass es diese Expertisen und weitere Unterlagen gar nicht gibt. Und das bedeutet: Die Entscheidung war quasi aus dem hohlen Bauch heraus getroffen worden. Um die Interessen einer kleinen bewaffneten, aber höchst einflussreichen Minderheit zu bedienen. Wie immer in solchen Fällen zu Lasten der Schwachen. Das sind in diesem Fall die Wildtiere, die sich dagegen nicht wehren können. Weitergehende, nachgeschobene Begründungen scheinen hingegen 1:1 aus dem aktuellen Standard-Werk der Gebrüder Blattschuss abgeschrieben zu sein. Demnächst in der SPIEGEL-Bestsellerliste: “Jägerlatein in Wort und Bild”.
Füchse sind als Zielobjekte unersetzlich
Füchse (und weitere heiß geliebte tierische Feindbilder) gefährden schließlich ja auch die Niederwildbestände und müssen deshalb intensiv verfolgt werden, heißt es. Nun haben die NRW-Jäger in den vergangenen zehn Jahren 506.000 rotpelzige Räuber erlegt, ohne dass sich dadurch auf der anderen Seite die Population bei Fasanen, Feldhasen und Rebhühnern merk(e)lich erholt oder wenigstens einigermaßen stabilisiert hätte. Dass die Nimrods im gleichen Zeitraum ihrerseits 960.000 Fasane, 1,1 Millionen Langohren und 8.800 um ihre Existenz kämpfende Rebhühner über den Regenbogen geschickt haben, wird natürlich verschwiegen. Das waren sicherlich auch zu vernachlässigende Kollateralschäden. Wo gehobelt wird, fallen nun mal Späne. Das Leben ist halt grausam.
Mit dümmlichen Antworten abgespeist
„Wildtierschutz Deutschland“ hat sich in einem an das Umweltministerium übersandten Fragenkatalog u.a. auch dezidiert danach erkundigt, welche Belege es denn überhaupt dafür gibt, dass die seit Jahrzehnten exzessiv praktizierte Fuchsjagd (nicht nur) in Nordrhein-Westfalen überhaupt einen nachhaltigen Einfluss auf die Bestände der nominierten „Zielarten“ hat. Verbunden war das Ersuchen mit der Bitte, nicht wieder mit solchen dümmlichen Antworten wie jenen aus der Feder des Herrn Schmidt abgespeist zu werden. Besagte Arten haben allerdings eher unter agrar-industriellen Einflüssen und der Schießwut gewisser Lusttöter zu leiden. Aber reden wir nicht drüber. Mit einer erschöpfenden schlüssigen Antwort rechnet Lovis Kauertz inzwischen freilich nicht mehr. Eine solche könnte noch nicht einmal der Heilige St. Hubertus liefern, auf den sich die Jagenden in Verdrängung seiner tatsächlichen und historisch überlieferten Positionierung ja so gerne berufen. Während die Ministerialen ihr Fachwissen vermutlich aus dem Satz ihres Pausenkaffees extrahiert haben.
Wenn in Verantwortung stehende Politiker schon auf einem solchen vergleichsweise „unbedeutenden“ thematischen Feld derart fahrlässig und schlampig operieren und ihre Entscheidungen auf ähnlich wackeligen Grundlagen fußen, mag man sich lieber nicht vorstellen, zu welchen kühnen und fatalen Schnellschüssen diese Landeslenker (un-)fähig sind, sollte es tatsächlich mal um Wohl und Wehe unseres demokratischen Staatswesens gehen. Dahingehend dürfte von der aktuellen NRW-Regierung noch einiges zu befürchten sein.
Tierschutzpartei: Abartig und pervers
Und was sagt die Tierschutzpartei dazu? „Die neue Landesregierung schert sich einen Dreck um Tierwohl und Naturschutz!“ Sandra Lück, Landes- und Bundesvorsitzende der Partei in Personalunion: „Die Kunstbaujagd auf Füchse ist ein abartiges Treiben und an Perversion kaum zu überbieten“. Die unglaubliche Vorgehensweise des Schulze-Föcking-Ministeriums sei an Dreistigkeit nicht mehr zu toppen. Man werde die Rechtmäßigkeit der fatalen Verfügung juristisch prüfen lassen. Das gilt besonders auch für die Art und Weise, wie diese zustande gekommen ist.
Ein Kommentar
Schreibe einen Kommentar →