Rotorman's Blog

Der Fall Kempten: Pelzverwertung und
Tierschutz sind nicht miteinander vereinbar!

Fuchspelz

Es ist schon schlimm genug, dass es Pelztierfarmen gibt Aber jetzt sollen auch noch die Felle von freilebenden Füchsen zu textilem Chic verarbeitet werden. Nur damit die Jäger einen Grund für das Blutbad haben, das sie Jahr für Jahr unter den Buschschwänzigen anrichten.

Von Jürgen Heimann

Beim Tierschutzverein im Kempten ist man/frau immer noch um Schadensbegrenzung bemüht. Auch nachdem die erste Shitstorm-Welle erst einmal verebbt scheint. Ausgelöst durch eine (unbedachte?)Äußerung der Vorsitzenden Maria Anna Peter-Sigg, der zufolge es legitim sowie ethisch und moralisch durchaus vertretbar ist, Wildtiere zu erlegen, um ihre Felle zu Pelzen zu verarbeiten. In diesem Falle solche von Füchsen. Eine Steilvorlage nicht nur für die hiesige Jägerschaft, formuliert während eines gemeinsamen Pressetermins. Veröffentlicht in der Allgäuer Zeitung, deren hiesige Lokalausgabe, das Kempter Tageblatt, es auf eine Auflage von 22.000 Exemplaren bringt. In diesem speziellen Fall war die Reichweite jedoch ungleich größer und ging weit über die Region hinaus. Dank Online-Publishing.  Auf dem Web-Portal der Allgäuer ist das Ganze hier für jeden nachzulesen. Ein faustischer Pakt? Der Beginn einer unheiligen Allianz? Schulterschluss zwischen Tierfreunden und Tiertötern?  

Dass  Jäger solche Positionen vertreten, daran hat man sich gewöhnt. Aber aus dem Munde einer Tierschützerin mit Amt und Funktion klingt das wie Blasphemie. Der Aufschrei der Empörung war entsprechend groß – und bundesweit. Und die Kommentare nicht immer schmeichelhaft. Druck erzeugte auch der Deutsche Tierschutzbund, die Dachorganisation der Tierschutzvereine und Tierheime in Deutschland. Weshalb in Folge auf der Facebook-Seite des Kemptener Vereins auch eine „Klarstellung“ veröffentlicht wurde – allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung von mehr als einem Monat. Und danach sollten noch einmal Wochen verstreichen, ehe eine gleichlautende Erklärung auch auf der Internet-Seite  des TSV platziert wurde.  Auf eine Richtigstellung in der Allgäuer Zeitung wartet man jedoch bis heute vergebens. Warum? Ein Deal. Es ist so abgesprochen.

Enormer Imageschaden: Zerreißprobe für den Tierschutzverein

Allgäuer Zeitung 1

Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Kempten hat sich vor den Propagandakarren der hiesigen Weidleute spannen lassen, mutmaßen ihre Vereinskollegen. Doch Maria Anna Peter-Sigg bleibt bei ihrer Aussage, dass die Felle von Wildtieren von der Modebranche verwertet werden dürfen, sofern sie vorher „gut gelebt“ hätten. Foto: Screenshot

Der Fall hat den Kemptener Tierschützern, die mit großem Engagement und erfolgreich auch ein Tierheim mit angeschlossener Tierpension betreiben, mächtig zugesetzt und sie vor eine große  Zerreißprobe gestellt. Heimleiterin Marina Bischof wollte sich dazu nicht äußern. Offenbar gibt es hier aber zwei verschiedene Fraktionen mit unterschiedlichen Meinungen. Die Mehrheit scheint die Ansichten der Vorsitzenden nicht zu teilen. Die hat aber mit Rücktritt gedroht, sollte sich das auch so in einer Veröffentlichung des Lokalblattes niederschlagen. Also Schwamm drüber. Die Frau ist seit acht Jahren im Amt und seit Jahrzehnten im Verein. Man glaubt, weil sie bis auf diesen fatalen Ausrutscher bisher gute Arbeit geleistet hat, nicht auf sie verzichten zu können. Deshalb dieser halbherzige Kompromiss, der schon ein klein wenig nach Fäulnis riecht. Die Zeit soll die Wunden heilen. Und in ein paar Wochen oder Monaten dürfte, so das Kalkül, auch die Öffentlichkeit nicht mehr darüber reden und das Ganze vergessen haben. Das wird jetzt einfach ausgesessen. Früher oder später sollen auch die von einem feurigen Bekenntnis zum Existenzrecht der Füchse durchdrungenen Statements wieder vom Netz genommen werden. Auch das ist Teil der Vereinbarung.

Es ist schwer aus dieser Nummer wieder herauszukommen

tod-chic

Für die Mode muss man Opfer bringen. Am Körper einer schönen (oder weniger schönen)Frau sieht ein Pelz doch gleich viel eleganter und ästhetischer aus als an dem des ursprünglichen Besitzers.

Nun zählt die Hatz auf Füchse und die Jagd allgemein ja nicht unbedingt zu den Themen, die die Kernkompetenz eines städtischen Tierschutzvereins berühren. Wie leicht ein solcher oder seine Repräsentanten sich aber in geschickt ausgelegten Fallstricken verheddern und dann zum Spielball  und Instrument jener Kräfte werden können, deren blutiges Handwerk sich mit dem Wohl der Kreatur nicht unbedingt in Übereinstimmung bringen lässt, beweist der vorliegende Fall. Und für die Eingesponnenen und Eingeseiften wird es dann verdammt schwer, aus einer solchen Nummer wieder heraus zu kommen. Es geht um Gesichtswahrung auf der einen und um Imageschaden auf der anderen Seite. Lachende Dritte in diesem nur auf den ersten Blick undurchsichtigen Spiel sind die organisierten Flintenmänner und -frauen. Die haben das Problem, zusammen zu bringen, was eigentlich nicht zusammen passt, auf nachgerade geniale Art und Weise gelöst. Ein sich auf Kalkül und persönliche Eitelkeiten stützender PR-Coup, den der Deutsche Jagdverband seinen Unterorganisationen sicherlich zur Nachahmung empfehlen wird. Ihm gebührt ein eigenes Kapitel im Standardwerk  „Tarnen und Täuschen – wie mache ich der Öffentlichkeit ein X für ein U vor?“

Frau Peter-Sigg, die TSV-Frontfrau, findet den Abschuss von Füchsen und deren Fellverwertung (nach wie vor) in Ordnung. Vorausgesetzt, die Tiere haben zuvor gut gelebt. Was auch immer damit gemeint ist. Im Umkehrschluss hieße dies, Reinekes, denen es zeitlebens schlecht gegangen ist, müssten auf das Privileg, post mortem als schmückendes und wärmendes Pelztextil an den  Revuekörpern modebewusster Damen (und Herren) dienen zu dürfen, verzichten.

Da passt irgendetwas nicht zusammen

Alexandra Kamp: "Das ist der Rest von ihrem Pelz"

Die Tierrechtsorganisation PETA kämpft neben anderen Tierschutzverbänden seit Jahren gegen die Pelzmode, unter anderem mit einer pointierten Anzeigenkampagne. Viele prominente unterstützen diese Mission. Fotos: PETA

Woran erkennt nun ein Schütze, ob das bisherige Dasein seines potentiellen Opfers ein angenehmes war? So etwas lässt sich selbst durch das beste GPS-gestützte Präzisions-Zielfernrohr mit Restlichtverstärker, variabler Schärfeeinstellung und Sehblendeautomatik nicht zweifelsfrei feststellen.Eine solche Differenzierung ist natürlich auch völliger Humbug, aber die Frau, die sich andererseits sogar dafür ausspricht, hungernde Füchse in strengen Wintern zu füttern, meint das erst mal wirklich so. Das sei wie beim Schlachtvieh. Fleisch von glücklichen Hühnern, Schweinen und  Rindern dürfe man ja auch bedenkenlos essen, das von solchen in der industriellen Massentierhaltung  erzeugten Zombies aber eher meiden. Irgendwie wollen in dieser Gedankenkette die losen Enden nicht so richtig zusammen passen. Da sind die entsprechenden Synapsen noch auf der Suche nach einer entsprechenden und kompatiblen Andockstelle.

Den Jägern auf den Leim gegangen?

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Tatort-Kommissar Mario Kopper alias Andreas Hoppe ist den Tätern auf der Spur. Foto: PETA

Die offiziellen Verlautbarungen des sich in die Defensive gedrängt sehenden Tierschutzvereins lassen sich dahingehend interpretieren, dass seine Vorsitzende den Jägern auf den Leim gegangen ist, sich hat instrumentalisieren und vor deren Propaganda-Karren hat spannen lassen. Das mag stimmen, zum Teil wenigstens. In einem Telefonat, das nach gefühlten 25 vergeblichen Kontaktversuchen schließlich doch zustande kam, hat Frau Peter-Sigg ihre umstrittene Aussage aber sogar noch einmal bekräftigt. Der Termin mit dem Kreisjagdverbandsvorsitzenden Karl Heinz Schader („ein wirklich netter Herr“) sei, räumt sie ein, allerdings wirklich ziemlich kurzfristig anberaumt worden, auch auf Betreiben des Chefs der Zeitung hin, den sie gut kenne und der quasi in ihrer Nachbarschaft wohne. Den habe sie nicht versetzen und/oder enttäuschen wollen. Aha!

Klares Bekenntnis zu pelzigem Chic

Ein denkwürdiges Foto dokumentiert das in dieser Runde erzielte Einvernehmen: Die Vorsitzende der Tierschützer und der Vorsitzende der Jäger posieren darauf mit einem kuscheligen, aus Rotfuchsfell hergestellten flauschigen Pelzmantel. Die Botschaft ist klar. So was kann, sollte und darf man tragen! Bevor der Kunde aber in solch einen pelzigen Chic schlüpft, sollte er vielleicht einmal einem Jäger beim „Abstreifen“ der Beute über die Schulter und auf die geschickten Finger blicken. Dieser euphemistische Begriff umschreibt die hohe “Kunst” des Abhäutens  bzw. Abbalgens, also, wie man dem erlegten Tier das Fell am elegantesten über die Ohren zieht, ohne dass es, also das Fell, darunter leidet. Eine ziemlich blutige und eklige Angelegenheit. Das F(l)achmagazin „Wild & Hund“, die Hauspostille für den ambitionierten bewaffneten Naturfreund, zeigt auf seinem Youtube-Kanal, wie’s gemacht wird. Dann lieber doch eine Jacke aus Trevira:

Die Zusammenkunft war nebenbei auch eine verkappte „Bilanz-Pressekonferenz“, während der die Nimrods das Ergebnis der just zu Ende gegangenen „Fuchswoche 2017“ bekanntgaben. 130 Füchse seien, verkündeten die Heger stolz, dabei ge- und erschossen worden. Das müssen dann aber lauter alte und kranke Exemplare gewesen sein. Zumindest glaubt Peter-Sigg, dass Jäger nur solche im Visier hätten, was ja dann auch in Ordnung ginge. Hallo? Wer hat ihr das erzählt?

Waren etwa alle 466.186 geschossenen Füchse krank?

Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, wer wem hier jetzt was auf die Backe gemalt hat. 466.186 Füchse sind im Jagdjahr 2015/16 in den deutschen Revieren erlegt worden. Wenn die alle und ausnahmslos eine Macke hatten bzw. siechend, asthmatisch und geriatrisch gepolt daher trabten, wirft das ja ein bezeichnendes Bild auf den Gesamtbestand. Das muss dann ja ein ziemlich verluderter und erbarmungswürdiger Haufen sein. Wir reden von den Füchsen, nicht den Jägern. Erstere hätten in diesem Fall, um der natürlichen Auslese auf die Sprünge zu helfen, halt auch nichts Besseres als die Kugel verdient.

Set gegen Pelz

Stimmt!

Lassen wir mal diese persönlichen und verqueren, sicherlich auch auf fahrlässiger Unkenntnis der Tatsachen beruhenden Einschätzungen einer Einzelperson beiseite, selbst wenn es sich bei dieser um die Vorsitzende eines Tierschutzvereins handelt. Die es, unterstellt, vielleicht im Grunde genommen sogar gut gemeint hat. Dabei jedoch nicht bemerkt hat, dass man sie gezielt vor einen rumpeligen und ächzenden, werkseitig mit der Lizenz zum Entgleisen ausgestatteten Karren mit seit Jahren abgelaufenem TÜV gespannt hat. Und die diesbezüglichen Einflüsterungen zwielichtiger Berater blauäugig Glauben schenkt.

Auf der Suche nach einem „triftigen Grund“

Aber bei der ganzen Sache geht es um etwas ganz anderes. Der Kemptener Jäger-Häuptling hat es angedeutet. Originalzitat: „Mir blutet das Herz, wenn erlegte Füchse in der Tierkörperverwertung landen“. Meins blutet da auch, aber deshalb, weil diese Wesen überhaupt in solchen Massen massakriert werden, für nix und wieder nix. Davon abgesehen müssen die Opfer ja auch erst einmal selbst  bluten, um den letzten Weg über den Regenbogen in die Müllpresse antreten zu dürfen.

Den Weidleuten fällt es immer schwerer, das Blutbad, das sie jährlich unter den Buschschwänzigen anrichten, zu rechtfertigen. Als Seuchen- und Krankheitsüberträger taugen sie, die Tiere, längst nicht mehr. Und auch das Märchen, dass diese intelligenten Wildhunde andere Tierarten (die die Jäger liebend gerne als Beute für sich selbst reklamieren) ausrotten würden, findet kaum mehr Glauben und Akzeptanz. Zudem verbietet es das Bundestierschutzgesetz, Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Und genau diesen angemahnten „vernünftigen Grund” haben die Lodenwamsler  jetzt mit viel semantischer Akrobatik künstlich erzeugt und konstruiert.

Verwertungsgesellschaft soll Bedarf erzeugen

Bis dato landen über 99 Prozent der Fuchskadaver in der Tierbeseitigung oder werden gleich an Ort und Stelle verbuddelt. Keiner kann oder will etwas mit diesem „Rohstoff“ anfangen. Eine eigens vom Deutschen Jagdverband und dem Baden-Württembergischen Landesverband gegründete und getragene Pelzverwertungsgesellschaft, die unter dem zynisch anmutenden Namen „Fellwechsel GmbH“ im Handelsregister des Amtsgerichtes Berlin-Charlottenburg unter „HRB 181629“ eingetragen ist und ihren Sitz im 22 Kilometer südwestlich von Karlsruhe gelegenen Rastatt hat, soll das ändern und die Stimmung drehen.

Ein Produkt, das eigentlich niemand haben will und braucht

Kombi-2

Da hat Marco Sailer (links) recht. Tierpelze benötigen auch die US-Schauspielerin Olivia Nunn und das deutsche Top-Model Juliane Raschke nicht, um attraktiv rüber zu kommen. Fotos: PETA.

Offizieller Geschäftszweck: „der Erwerb, die Verarbeitung und der Handel mit Fellen wildlebender Tierarten, die ausschließlich im Wege einer nachhaltigen Jagdausübung gewonnen werden“. Die Betonung liegt natürlich auf „nachhaltig“. Anders formuliert: Die Aufgabe dieser dubiosen, mit 25.000 Euro Grundkapital ausgestatten und von Andreas Leppmann, dem Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes, geleiteten Klitsche ist es, eine entsprechende Nachfrage nach heimischen, aus ökologisch korrekter Freilandexistenz stammenden Pelzen zu generieren, einen Absatzmarkt dafür zu schaffen und die Produkte zu vermarkten. Entsteht ein solcher Markt, was hoffentlich nie der Fall sein wird, hätten die Wald- und Flurschützen einen triftigen (?) “vernünftigen” Grund zum Ballern. Und die EU-Verordnung zur Bekämpfung invasiver Arten spielt den sich gegenüber nicht nur allen wildbiologischen, sondern auch betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen völlig resistent zeigenden Pirschgängern ja auch noch in die Hände. Der zufolge müssen ja Waschbär, Mink, Nutria und Mungo ausgerottet werden. Es gibt also viel zu tun. Packen wir’s an und die Büchse aus. Weidmanns heil!

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