Von Jürgen Heimann
Ein neues Gespenst geht um in Europa. Und wir reden jetzt nicht vom Kommunismus. Der hat sich ja inzwischen längst selbst erledigt. Nach BSE, Tollwut, Vogelgrippe, Hamster-Mumps, Amsel-Husten und Blauzungenkrankheit wird jetzt eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Aktuell bedroht die Afrikanische Schweinepest (ASP) auch das christliche und weniger christliche Abendland. Deren klassische europäische Variante (KSP) scharrt hierzulande bereits seit Anfang der 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit den Hufen und wurde inzwischen durch ein noch aggressiveres schwarzkontinentales Update verstärkt. Der afrikanische Angreifer steht seit längerem einmal mehr, einmal weniger dicht vor unseren Ostgrenzen – bereit zum Sprung. Dies, um jetzt auch die Wutzen im Stammland des deutschen Michels heimzusuchen. In Tschechien und Rumänien sind vereinzelte Exemplare des wildlebenden Borstenviehes inzwischen schon davon befallen, im Baltikum, in Polen und in der Ukraine zudem auch solche der kasernierten Arten. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis die speckigen Steckdosennasen auch hierzulande die Ohren hängen lassen und entsprechend mit den Ringelschwänzen wackeln – sofern man ihnen diese nicht schon abgeschnitten hat.
Also: Wenn Jolanthe unter Appetitlosigkeit leidet, fiebern sollte, Durchfall bekommt oder Atembeschwerden zeigt, wird es höchste Zeit für die Keule. Und bei dieser Gelegenheit werden dann gleich prophylaktisch komplette Bestände ausradiert. Sicher ist sicher. Allein zwischen 1993, dem Jahr der ersten großen KSP-Welle, und 2002 wurden EU-weit vorsorglich mehr als 15 Millionen grunzender Schinkenlieferanten eliminiert, um in Folge kostenintensiv in Abdeckereien bzw. Tierverbrennungsanlagen entsorgt zu werden. Von den Opfern dieses tierischen Genozids waren jedoch nur knapp fünf Prozent unmittelbar infiziert. Der Rest musste dran glauben, weil die Verantwortlichen meinten, nur so eine weitere Verbreitung des Erregers stoppen zu können.
Für den Mensch ist die Wutzen-Pest ungefährlich
Wobei sich spätestens an dieser Stelle schon die Frage stellt, ob sich die massenhafte Tötung überwiegend gesunder Tiere ethisch und wirtschaftlich überhaupt rechtfertigen lässt. Zumal es ja inzwischen neue diagnostische Verfahren und moderne Markerimpfstoffe gibt, die ganz neue Bekämpfungs- und Vermarktungschancen eröffnen. Aber eine entsprechende Impfung von Hausschweinen ist EU-weit gesetzlich verboten. Das gilt allerdings nicht für deren wildlebende Vettern. Die Rüsselviecher verbreiten die Krankheit lediglich untereinander. Wildschweine können auch Hausschweine infizieren. Für den Menschen ist, egal um welche Spielart es sich handelt, die Wutzen-Pest hingegen ungefährlich. Selbst dann, wenn er sich ein Kotelett zwischen die Kiemen schiebt, das von einem entsprechend infizierten Tier stammt.
Bei der Bekämpfung entsprechender Seuchen waren unsere Behörden bekanntlich noch nie besonders kreativ. Sie setzen, wie damals bei der Fuchstollwut, (erst einmal) einzig und allein auf den finalen Rettungsschuss, den auszuführen keiner so berufen zu sein scheint wie der passionierte Jägersmann. Der ist aber schon in normalen Zeiten überfordert, die angeblich zu hohen Bestände an Schwarzkitteln einzudämmen. Vielleicht auch deshalb, weil die (wider-)borstigen Kreaturen cleverer sind als ihre Verfolger und gegebenenfalls, sollte die Verwandtschaft durch „unfriendly fire“ dezimiert werden, entsprechend mehr Nachwuchs produzieren.
Ballermann und Co.: Kugeln statt Impfstoff
Der Tollwut unter den Füchsen war man, als alle martialischen Mittel, zu denen auch Giftgasangriffe gehörten, versagt hatten, seinerzeit erst durch die flächendeckende Ausbringung von Impfködern beigekommen. Heute ist Deutschland tollwutfrei. Ein Immunisierungs-System, das sich regional auch bei der Bekämpfung der klassischen Schweinepest bewährt (hat). Obwohl sich diese von der Afrikanischen klinisch nicht unterscheiden lässt, gibt es nur für sie einen Impfstoff, für die andere angeblich nicht. Deshalb bleibt, so wird suggeriert, als Alternative nur die Kugel. Was ganz im Sinne gewisser Kreise ist.
Friedensnobelpreis für Glyphosat-Chrissi
Aus den Impf-Erfahrungen der Vergangenheit hat man nichts gelernt und setzt weiter vor allem auf die Pulverdampf-Lösung. Die aber keine ist. Dieser schlichten und einseitigen Denke ist auch, wen wundert’s, unser Bundesagrarminister verfallen. Glyphosat-Chrissi stellt sich ideologisch an die Spitze der Bewegung, indem er, wie unlängst geschehen, tönt: “Ich bin mit meinem tschechischen Kollegen einig, dass insbesondere eine signifikante Ausdünnung der Wildschweinpopulation von entscheidender Bedeutung ist, um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern”. Tusch! Dafür hat sich der Mann schon mal für den nächsten Friedensnobelpreis ins Gespräch gebracht.
Um das Risiko einer Weiterverbreitung mit jagdlichen Mitteln gänzlich auszuschließen, müssten die Nimrods jedoch die Wildschweinpopulation in Wald und Feld auf Null reduzieren. Dass ihnen das nie und nimmer gelingt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Halleluja! Aber der Glaube (daran) versetzt bekanntlich Berge – und ersetzt mitunter das rationale Denken. Das ist auch innerhalb der Schweriner Landesregierung so. Landwirtschaftsminister Till (Eulenspiegel) Backhaus (SPD) hatte ja schon 2014 eindrucksvoll bewiesen, dass er nicht auf der Höhe der Zeit ist. Der Mann forderte allen Ernstes eine verstärkte Jagd auf Dachs, Fuchs, Waschbär und Krähenvögel, um auf diese Weise die klassische Schweineseuche einzudämmen. Spätestens da wäre schon mal eine MPU fällig gewesen. Der Ökologische Jagdverband hatte dem Politiker damals in vornehmer Zurückhaltung denn auch bescheinigt, „haarsträubenden Unsinn“ zu verzapfen.
“Weidgerechtes Jagen in ethischer Verantwortung”
Jetzt hat der Genosse der (Schweine-)Bosse zwar nicht gleich sein eigenes Sparschwein geknackt, aber ein aus Steuermitteln gespeistes 2 Millionen Euro schweres Sofortprogramm angekündigt, aus dem insbesondere Abschussprämien an seine Jäger fließen sollen. Die 12.700 Kameraden und Kameradinnen mit der Lizenz zum Töten sind gehalten, auf der Pirsch vor allem Frischlinge unter Feuer zu nehmen, also den Nachwuchs der Wildsauen. Als Rechtfertigung für die geplanten Massaker in den schweinischen Kinderstuben gilt die Vermutung, dass jüngere Tiere schließlich leichter an der Seuche erkranken würden als ihre alten Herrschaften. Denen man sowieso nicht beikommt. Immerhin soll es versucht werden. Inzwischen gibt es für Alt und Jung unter den gefährlichen Schweinderl keine Gnade und auch keine Schonzeiten mehr. Die wurden gänzlich aufgehoben. NRW hat das im Juli auch schon getan, Niedersachsen zieht dahingehend in Kürze nach.
25 Euro Kopfgeld für Herrchen und Hund
Natürlich deckt sich das alles auch voll und ganz mit dem hehren in der Satzung des Landesjagdverbandes MV festgeschriebenen Ziel eines „weidgerechten Jagens in ethischer Verantwortung“. Darunter fällt natürlich auch der Einsatz der umstrittenen “Saufänge”. Das sind relativ schnell zu errichtende Gitterkäfige, in denen ganze Rotten festgesetzt werden – angelockt von im Inneren der Fallen mundgerecht servierten Leckerlies. Die stellen dann in der Regel auch die Henkersmahlzeit dar. Das Einlasstor saust nach unten, die Delinquenten sitzen fest. Die Jäger brauchen dann nur noch jenseits des Zauns Aufstellung zu nehmen und können bequem und aus sicherer Distanz ein Tier nach dem anderen exekutieren. Eine ziemlich effektive Methode, die auch in Brandenburg und Bayern mit Erfolg und zum Entzücken der dortigen Hubertus-Jünger praktiziert wird. In Hessen möchte man sie ebenfalls gerne einführen. Dass es dabei zu ”Beifängen” kommt und sich auch schon mal ein paar Rehe, Fasane, Kolkraben, Ringeltauben oder Enten in die Gefängnisse verirren, wird billigend als Kollateralschäden in Kauf genommen.
Pro erlegtem Rüssel gibt es 25 Euro Kopfgeld aus der Staatskasse. Den gleichen Betrag kassiert Herrchen noch einmal für seinen tapferen Jagd-Wuffi, sofern der ebenfalls in die Schlacht zieht. Damit wäre das Chappi schon mal für die beiden nächsten Wochen gesichert und finanziert. Apropos Bello. Neulich war in einem populär-wissenschaftlichen Fachmagazin folgende interessante Definition zu lesen: Der glückliche Jäger hält den (erlegten) Hasen in der Hand, hat die Flinte geschultert und der Hund steht daneben. Der unglückliche Jäger hat den Hasen im Bett, die Hand in der Büchse und der Hund steht nicht. Doch auf die Potenz kommt es gar nicht an, zumindest in Polen nicht. In Kaczynskis Bananen-Republik gibt man sich in Sachen Schweinepest noch hysterischer und bekloppter. Dort erhalten Jäger Kraft einer Regierungsverfügung ab Anfang 2018 bis zu sechs Tage bezahlten Sonderurlaub im Jahr, wenn sie diesen zur Bejagung von Wildschweinen nutzen. Das Urlaubsgeld können die Schützen dann in den Kauf von Viagra investieren.
In der vergangenen Saison hatten die MV-Nimrods 60.500 Wildschweinen den Garaus gemacht. Der Minister hofft, diese „Strecke“ durch die finanziellen Anreize erheblich ausdehnen zu können. Sein nächstes Etappenziel für die kommende Spielzeit: 80.000 Tote. Wenn es mehr werden, müsste Backhaus den Blutgeld-Etat aber noch aufstocken. Macht er aber sicherlich gerne. Auf die Idee, dem schießenden Volk den fragwürdigen Freizeitspaß zu vergolden, sind andere auch schon längst gekommen. In der Region Hannover kassieren die „Heger“ 40.000 EUR jährlich dafür, dass sie Waschbären eins auf den Pelz knallen. Dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld ist das ebenfalls ein stattliches Erfolgshonorar wert, während der Landkreis Potsdam-Mittelmark in Brandenburg den Schützen auf Antrag Kopfgelder für Füchse, Marderhunde und Kleinpetze auszahlt. Nur heißen die hier „Aufwandentschädigung“.
Bestandsgarantie für ein schöpfungsverachtendes System
Die zweifelhafte Backhaus-Initiative dient an- und vorgeblich zuallererst dem Zweck, die Bestände der domestizierten Sauen in den 200 zu den größten Deutschlands gehörenden Zuchtanstalten Mecklenburg-Vorpommerns, in denen 830.000 Rüsseltiere vor sich hin grunzen, vor Krankheiten zu schützen. Sagt er zumindest. Diese Fürsorge ist rührend. Es ist aber auch ein Signal an die in hartem Wettbewerb zu ihresgleichen in den anderen Bundesländern stehenden regionalen Schweinebarone, denen sich Herr Bakschisch, ähmm Backhaus so inniglich verbunden fühlt. Man wird, so die Botschaft, die Strukturen des schöpfungsverachtenden Systems der Massentierhaltung und -ausbeutung, das allen ethischen und tierschutzrechtlichen Grundsätzen Hohn spricht, nicht antasten. Sondern es im Gegenteil noch zementieren, fördern und ausbauen. Da muss der gelernte Agrotechniker irgendetwas falsch verstanden haben, als seine Parteifreundin, Bundesumweltministerin Babsi Hendricks, im Frühjahr reimen ließ: “Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein!”
Perfektionierte Tierquälerei durch Millionen-Subventionen
Dass die Zustände in diesen Schlachtvieh-KZ’s vielleicht sogar eine Verbreitung der gefürchteten Seuche befördern könnten, darüber sollten gewisse Leute in einer stillen Stunde allerdings auch einmal nachdenken. Ebenso darüber, dass es ja gerade diese Form des „Wirtschaftens“ ist, die nicht nur den Tieren unvorstellbare Grausamkeiten zumutet, sondern auch Mensch und Natur zunehmend und nachhaltig schädigt. Beispielsweise durch die steigende Nitratbelastung des Trinkwassers durch Gülle. Hinzu kommen eine steigende Ammoniakbelastung der Luft sowie Folgeschäden durch Bodenauslaugung und Überdüngung.
Steter Tropfen höhlt das Schwein
Doch die wild lebenden, sich zunehmend unkontrolliert durch die Pampa wühlenden und ausschließlich auf Krawall gebürsteten Wildschweine stellen in den Augen der amtierenden Schwesig-Administration die größere Gefahr für die Volksgesundheit dar. Das Hauptaugenmerk der Landesregierung gilt der Abwehr eines diffusen Risikos, nicht der eines real existierenden Problems. Deshalb müssen die Jäger, so die Überlegung, auch durch finanzielle Anreize motiviert werden, noch öfter durchzuladen.
Die versprochenen und aus Steuermitteln abgezwackten Geldgeschenke sollen diese aber nicht nur bei Laune halten, sondern auch ein klein wenig dafür entschädigen, dass auf dem Markt für Wildschweinfleisch kaum mehr ein müder Euro zu erzielen ist. Die Nachfrage ist zusammengebrochen. Was dazu geführt hat, dass die Kadaver der vorsorglich erlegten Schädlinge verbrannt werden. Obelix hatte den Wildschweinen weiland in Gallien immerhin ja noch zur Deckung des Eigenbedarf nachgestellt; die Jäger von heute tun dies aus Spaß an der Freud‘ – und neuerdings des Kopfgeldes wegen. Für den selten gewordenen Fall, dass die Reste des Tieres doch noch als Braten Verwendung finden sollen, muss sich der Erleger tief in dessen Eingeweide vorarbeiten. Ein auf youtube eingestelltes Lehrvideo der Deutschen Jagdzeitung, zeigt wie’s gemacht wird. Viele Wege führen nach Rom. Das gilt auch für das Ausweiden bzw. „Aufbrechen“ der Beute. Hier wird die „Ringel“-Technik vermittelt. Dabei wird ein Kreisschnitt rings um den Afterschließmuskel angebracht, um den Darm vollständig „auslösen“ zu können. Ein appetitliches Schauspiel:
Moralische und ethische Bankrotterklärung
Von den etablierten Parteien hinterfragt keine diesen ministerialen und keck als “Präventivmaßnahme” deklarierten Schaumschläger-Aktivismus auf Stichhaltigkeit hin. Sie sind alle auf Linie. Einzig die kleine Tierschutzpartei wagt es, das Ganze als das zu bezeichnen, was es ist: eine moralische und ethische Bankrotterklärung zugunsten einer durchsichtigen Klientel-Politik.
Die Funktionäre und Lobbyisten der Flintenfraktion arbeiten seit Jahren auf solche paradiesischen Zustände hin, wie sie sich ihnen jetzt in Meck-Pomm bieten. Steter Tropfen höhlt das Schwein. Die Kampagne zeigt Wirkung. Andere Bundesländer, insbesondere solche, die geografisch jenseits der früheren innerdeutschen Grenzen verortet sind, werden dem Beispiel folgen. Es würde zudem an ein Wunder grenzen, wenn die Nordrhein-Westfalen da nicht ebenfalls nachziehen. Immerhin steht mit Christina Schulze Föcking (CDU) eine Schweinemästerin an der Spitze des dortigen Umweltministeriums, in deren Betrieb im Münsterland es aussieht wie bei Hempels unterm Sofa. Und der Frau geht das Wohl der ihr anvertrauten bzw. sich angeeigneten Mitgeschöpfe völlig am A… vorbei. Ihr (Regierungs-)Chef, Armin Laschet, ist ein Studienfreund des NRW-Landesjagdpräsidenten. Noch Fragen?
Schüsse in den Ofen
Somit dürfen sich die wackeren “Heger” als Retter inszenieren und feiern lassen. Und bekommen obendrein noch Kohle für ihr Schießorgien in Wald und Feld. Was will man mehr? Die deutschen Printgazetten und Online-Portale sind ja in diesen Tagen wieder voll von entsprechenden und völlig unreflektiert verbreiteten Erfolgsmeldungen. Täglich lesen wir, wie viele gefährliche Dreckschweine wo zuletzt wieder im Rahmen von Drück-, Hetz- und Treibjagden ins Gras gebissen haben. Dass die vielen zusätzlichen Schüsse, die jetzt abgegeben werden, solche in den Ofen sind, interessiert keine Sau.
Die Jäger als Teil des Problems
Aber die bewaffneten Flurschützen wären, kommt es hart auf hart, nicht die Lösung, sondern Teil des Problems, wenn auch nicht dessen alleinige Ursache. Im Rahmen ihres aufopferungsvollen Dienstes kommen sie zwangsläufig mit dem euphemistisch “Schweiß” genannten Blut erlegter Tiere in Berührung. Der Kontakt damit wäre der effizienteste Übertragungsweg, sollte sich der Afrika-Bazillus bis zu uns vorkämpfen. Sei es, dass der Virus über das an Stiefeln, Messern, Wildwannen, Jeep-Reifen oder Kleidungsstücken klebende Blut weitergetragen wird, oder eben durch entsprechende Jagdtrophäen und/oder Schwarzwildprodukte. Die können es dann nämlich im wahrsten Sinne des Wortes auch in sich haben. Dass ein erlegtes Tier entsprechend kontaminiert ist, dürfte eingedenk der Inkubationszeiten für den erfolgreichen Schützen auf den ersten Blick ja nicht immer gleich erkennbar sein. Und vielleicht landet dann ein besonders feines und selbstverständlich aus “natürlich-biologischem Anbau” stammendes, aber belastetes Stück Fleisch auf dem Teller des lieben Nachbarn, der die Essensreste dann in der Mülltonne oder auf dem Kompost entsorgt, wo sie wiederum von einer Wildsau goutiert werden. So schließt sich der Kreis. Elton John hat das einmal als “Circle of life” besungen.
Starke Bejagung reduziert das Ansteckungsrisiko nicht
In Europa war die Afrikanische Schweinderlpest erstmals Anfang 2014 bei zwei Wildschweinen in Litauen diagnostiziert worden. Seit 2007 hatte sich der Virusstamm bereits in den transkaukasischen Gebieten und innerhalb der Russischen Förderation breit gemacht. Was bestimmte Handlungen und Entscheidungen eines Wladimir Putin nachträglich zum Teil erklären könnte. Deutschland hat bis dato Schwein gehabt. Hier hat es noch keine einzige Sau erwischt, in Estland, Lettland Litauen, Polen und der Ukraine schon. Und jüngst auch in Tschechien und Rumänien.
Das Friedrich-Loeffler-Insitut (FLI), die bundeseigene Forschungsstelle für Tiergesundheit, sieht die größte Gefahr einer möglichen Ausbreitung (wir reden jetzt wieder von der Afrika-Pest, nicht von Wladimir) in der (illegalen) Einfuhr infizierter Schweine oder daraus generierter Fleisch- und Wurstprodukte aus Osteuropa. Der Virus kann in kontaminiertem Kühlfleisch bis zu 104 und in verschiedenen Schinken sogar bis zu 400 Tage überleben. Auch der Gebrauch entsprechend belasteter Gerätschaften in Jagd- und Landwirtschaft würde zur weiteren Verbreitung beitragen. Dass hingegen eine noch exzessivere Wildschwein-Bejagung das Ansteckungsrisiko reduziert, davon ist in den entsprechenden Expertisen der verbeamteten Fachleute jedoch nicht die Rede. Bestimmte Interessengruppen interpretieren das freilich gerne so in ihrem Sinne. Das ist so, als würde man bei Ausbruch einer durch einen neuen Bazillus ausgelösten Grippewelle in den Trumpel-States, in Erdoganien oder Absurdistan in Thüringen alle Hartz-IV-Empfänger keulen, weil die sich theoretisch früher oder später ebenfalls damit anstecken könnten. Jäger- und Behördenlogik liegen so weit auseinander eben nicht.
Steigende Abschusszahlen sind kontraproduktiv
Festgehalten werden muss: Es ist der deutschen Weidmann- und -frauschaft trotz aller heroischer Anstrengungen unter Inkaufnahme persönlicher Opfer bislang nicht gelungen, die Wildschweinbestände zu reduzieren. Im Gegenteil: Die steigenden Abschusszahlen haben sich als kontraproduktiv erwiesen und zu einer Populationszunahme der ins Fadenkreuz genommenen Zielgruppe geführt. Das aber nicht nur bei den Schweinen, sondern auch bei den Jagdscheininhabern. Im Jagdjahr 2015/16 hatten die Lodenmäntler deutschlandweit 610.631 Borstenträger erlegt, 17,2 Prozent mehr als in der Saison zuvor. Deren Gesamtbestand, also der der wilden Kunschel, lässt sich aber nur schwer schätzen. Man geht von mehreren Millionen aus. Tendenz steigend.
Wenn das Imperium zurückschlägt
Insofern liegt vor den wackeren Schützen noch ein gutes Stück Arbeit. Eine Aufgabe, die sie sich in bester ABM-Manier zur eigenen Erbauung und keineswegs zum eigenen Nachteil ja selbst aufgehalst haben. Der sie andererseits aber offensichtlich nicht gewachsen sind. Trotzdem sind sie bereit, im Dienst für Natur und die Allgemeinheit auch persönliche Opfer zu bringen und einen hohen Preis zu zahlen. Mitunter trifft es da einen völlig Unbeteiligten. Ab und an verwechseln die Wamsträger im Eifer des Gefechtes auch schon mal einen der Ihren mit dem Feind. Oder der dreht den Spieß um und schickt seinen Verfolger in die ewigen Jagdgründe. Wie unlängst in der Nähe von Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern geschehen. The Empire strikes back!
Die Pille für die wilde Wutz
Auf von den Jägern künstlich angelegten und “Kirrungen” genannten Futterplätzen finden die Schwarzkittel einen reich gedeckten Tisch vor, während die Landwirte, die ja gerne über die von Wildschweinen angerichteten Ernteschäden lamentieren, diesen ebenfalls ideale Voraussetzungen bieten. Die hiesigen, monokulturell konzipierten und ausschließlich der Tierfutterproduktion dienenden Maisfelder und -plantagen gewähren den Tieren nicht nur idealen Unterschlupf, sondern auch energiereiche Nahrung in Hülle und Fülle. Sie wirken wie Magnete und zeitigen bevölkerungspolitisch entsprechende Resultate. Das Problem an sich ist also zu einem nicht unerheblichen Teil künstlich erzeugt und hausgemacht. Da es mit herkömmlichen Knallmethoden nicht wirklich in den Griff zu bekommen ist, hilft vielleicht nur eins: die (Verhütungs-)Pille für die Wildsau. Die gibt es längst. Zumindest wäre diese Form der Geburten- und unblutigen Bestandskontrolle mal einen Versuch wert. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Tierarzt oder erproben Ihre neue Motorsäge – aber nicht unbedingt gleich am nächstgelegenen Hochsitz.
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