Von Jürgen Heimann
Viel Feind, viel Ehr‘! Das geflügelte aber flugunfähige Wort hatte sich seinerzeit ein gewisser Georg von Fundsberg (1473-1528) aus den Rippen geleiert. Ein damals in kaiserlich-habsburgischen Diensten stehender Landsknechtführer. Hätte er recht, müsste sich auch der Reineke geehrt fühlen. Denn der hat ebenfalls viele Gegner. Viel zu viele. Dabei würde er auf die zweifelhafte Ehre, dass jährlich etwa eine halbe Million der Seinen abgeknallt werden oder in Fallen sinnlos sterben, sicherlich gerne verzichten. Füchse gelten zwar nach wie vor als Freiwild, stehen aber nicht mehr ganz ohne Lobby da. Die Zahl derer, die die wichtige (nicht nur gesundheitspolizeiliche) Funktion dieser prächtigen Wildhunde als Aasvertilger im Naturhaushalt erkennen und zu würdigen wissen, steigt. Die losen Enden dieser weit verzweigten Gegenbewegung miteinander zu verknüpfen sowie Kräfte und Know-how zu bündeln und zu kanalisieren, ist Ziel des neuen, bundesweit agierenden “Aktionsbündnisses Fuchs”.
Die Initiatoren wollen damit einen Kontrapunkt zur bestens organisierten und vernetzten Jägerschaft setzen. Die ist, gemessen an ihrer tatsächlichen Zahl, in den etablierten Medien deutlich überrepräsentiert und bestimmt mit ihren teils kruden Thesen und gezielt gestreuten Falschinformationen die öffentliche Diskussion. Dadurch entsteht in der Wahrnehmung vieler Menschen ein Zerrbild nicht nur des rotrockigen Räubers. In Deutschland gibt es 381.821 Weidmänner und -frauen mit der Lizenz zum Töten. Was die, um ihr blutiges Hobby zu rechtfertigen, von sich geben, stimmt mit der Wirklichkeit selten überein. Journalisten machen sich dann, vielleicht auch aus Bequemlichkeit, zu ihren Helfershelfern. Die Damen und Herren Schriftgelehrten in den Redaktionsstuben lassen sich (gerne?) instrumentalisieren und somit vor einen holprigen Karren spannen. Weil’s so einfacher ist. Nur wenige Autoren nehmen die Mühe auf sich, entsprechende Behauptungen, die ihnen quasi auf einem silbernen Tablett serviert werden, kritisch zu hinterfragen, und seien diese noch so abenteuerlich und absurd. Die Pressestellen der Jagdverbände und ihrer bestens aufgestellten Helfershelfer liefern druckreifen Stoff – und Lieschen Müller glaubt das dann. Weil’s ja so in der Zeitung stand.
Die Unterstützer formieren sich
Das neue “Aktionsbündnis Fuchs” will dagegen halten. Von einigen engagierten Privatleuten und Naturfreunden angestoßen, wird es von zahlreichen Organisationen, Bürgerinitiativen, Tierschutzvereinen, regionalen Gruppierungen, politischen Verbänden, Wildbiologen, Wissenschaftlern und vielen Einzelpersonen gestützt und getragen. Dazu zählen beispielsweise auch der gemeinnützige Verein “Wildtierschutz Deutschland” sowie Dag Frommhold, Deutschlands Fuchs-Papst schlechthin. Der Buchautor und IT-Spezialist gehört zu den anerkanntesten Experten auf diesem Gebiet. Seine Internetpräsenz “fuechseinfo.de” ist eine aktuelle, unerschöpfliche Informationsquelle für alle, die sich dem “Vulpes vulpes” nahe fühlen und enthält eine Fülle von auf wissenschaftlichen Untersuchungen basierenden Fakten, die jene, die die Jäger als solche verkaufen, widerlegen und Lügen strafen.
Es gibt unzählige regional und überregional operierende Gruppierungen, Privatleute, vereinsgebundene Initiativen und Internet-Portale in Deutschland, denen dies ebenfalls ein Anliegen ist. Das fängt bei der wiederum mit 70 weiteren Organisationen kooperierenden Initiative “Schonzeit für Füchse” an und hört bei der inzwischen 2.643 Mitglieder zählenden Facebookgruppe “Schützt die Füchse in Deutschland” noch lange nicht auf. Da gibt es die Bürgerinitiative “Pro Fuchs” in Ostfriesland, die informative Webseite “Wir Füchse” von Marc Buchtmann oder die von Thorsten Emberger (“Frecher Fuchs”), der in Bayern eine vorbildliche Auffangstation betreibt. Und vielleicht sollte man auch noch “Pelz war Leben”, die Kampagnenseite der bundesweiten “Operation Allerleirau”, einer von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) initiierten Initiative für das Verbot von Pelztierhaltung und dem Handel mit Pelzprodukten in Deutschland, erwähnen.
Da ist auch der bekannte Tierfilmer Helmut Sütsch (Fuchsfilm.de), der durch seine Arbeit so trefflich die den verfolgten Prädatoren eigene Eleganz, Faszination und Ästhetik aufzeigt. Gleiches gilt für ein ganzes Heer ambitionierter und hochprofessionell agierender Naturfotografen, die eine Menge Zeit und Engelsgeduld aufwenden, um ihre Motive einzufangen und die anmutigen Objekte ihrer Begierde auf die Kamera-Chips zu bannen. Stellvertretend seien Werner Zimmer aus Hungen im Landkreis Gießen und Mirko Fuchs aus dem mittelhessischen Eschenburg genannt. Letzterer heißt mit Nachnamen genauso wie seine Lieblings-Models. Die beiden Pixelkünstler leben ihre Passion mit nicht nachlassender Begeisterung aus. Die Ergebnisse sind entsprechend.
Aber da sind andererseits auch zweifelhafte Trittbrettfahrer, die sich vorzugsweise in den sozialen Medien tummeln. Wie jene aus Essen stammenden und sich als große Fuchsliebhaber inszenierenden Eheleute, die Silberfüchse aus zweifelhaften Nachzuchten als Fotomodelle für erotische Shootings offerieren, um so auf dem Rücken wehrloser Tiere einen schnellen Euro zu machen. Einfach ekelhaft so etwas. Aber solche windigen Zeitgenossen sind hier sowieso fehl am Platze.
Im Hessischen Linden-Leihgestern (Landkreis Gießen) gibt es sogar ein Reineke-Fuchs-Museum mit einer riesigen Sammlung an Exponaten (Gemälde, Grafiken, Plastiken, Bücher) rund um den Rotpelzigen. Es sind weit über 2.000 Ausstellungsstücke. 1996 gab’s dafür sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde.
Kräfte bündeln und vernetzen
All diese Leute und Stellen leisten, von den oben erwähnten unrühmlichen Ausnahmen abgesehen, engagierte und hervorragende Arbeit, wissen aber oft nichts voneinander und/oder agieren nebeneinander her. Da verpufft und versandet viel Potential und Sachwissen. In der Summe dürften die in den einzelnen Gruppierungen organisierten Tier- und Naturfreunde die Zahl der Jagenden deutlich übersteigen. Diese Kräfte zu bündeln und zu vernetzen ist Ziel des Aktionsbündnisses.
Getrennt marschieren, vereint zuschlagen
Gelingt es, ein aufeinander abgestimmtes, Regional- und Ländergrenzen überschreitendes koordiniertes Handeln und Auftreten zu erreichen, wäre in der Sache viel gewonnen. Dann dürften es sich bestimmte und von durchsichtigen Motiven geleitete Interessengruppen, Kreise, Behörden und Regierungsstellen zweimal überlegen, ob sie es sich weiterhin leisten können, ungeniert einem zweifelhaften “Bloodsport” das Wort zu reden und einer Clique sich als “Heger” tarnender Schießwütiger die Stange zu halten. Oder, wie es aktuell das Umweltministerium in NRW in der Frage der landesweiten Zulassung der Kunstbaujagd tut, haarsträubende mit dumpfen Plattitüden garnierte Begründungen abzuliefern und kritische Fragensteller mit hochkomprimiertem Unsinn abzuspeisen. Und die beliebten “Fuchsjagd-Festwochen” stehen ja demnächst bundesweit auch wieder ins Haus bzw. Revier.
Wo Töten Lustbefriedigung verschafft
Der einzige Grund, warum Füchse in dem heutigen Ausmaß bekämpft und gejagt werden, ist die Lustbefriedigung, die eine bewaffnete Minderheit aus dem Akt des Tötens zieht. Davon abgesehen gibt es für die blutigen Massaker keine Rechtfertigung. Und eine “Wertabschöpfung” erfolgt auch nicht. Die Kadaver landen in der Tierbeseitigung oder werden verbuddelt. Der jüngst gestartete Versuch, die Felle kommerziell zu verwerten, um Kapital aus den Tötungsorgien zu schlagen, dürfte kläglich scheitern. Wer, bitteschön, will sich mit Textilien aus solch grenzwertigen, trüben Quellen kleiden?
Die bis zum Abwinken propagierte These, dass es zwingend sei, die Fuchspopulation durch jagdliche Mittel zu “regulieren”, weil die Tiere schließlich keine natürlichen Feinde hätten und sich somit unkontrolliert vermehren könnten, ist Blödsinn. Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Außerdem ist es kontraproduktiv. Je mehr Füchse durch Jagd oder Unfälle sterben, desto stärker steigt ihre Geburtenrate. Andererseits “führt eine sinkende Sterblichkeit durch soziale Regulationsmechanismen der Fuchspopulationen zu weniger Nachwuchs”. Es ist wildbiologisch verifiziert, dass für jeden abgeschossenen Fuchs mindestens zwei nachwachsen bzw. aus anderen Revieren zuwandern. Dort, wo man die Tiere in Frieden lässt, bleiben ihre Bestände konstant und erhöhen sich nicht, wie man auch in den Nationalpark Eifel und Bayerischer Wald feststellen kann.
Es ist leichter, Füchse zu erschießen, als sich ihnen unbemerkt mit der Kamera zu nähern. Wobei die letztere „Jagdmethode“ der ersteren allemal vorzuziehen ist. Welche Mühen Fotografen und Tierfilmer auf sich nehmen, um die „Objekte ihrer Begierde“ in ihrer natürlichen Lebensumgebung zu porträtieren, zeigt diese WDR-Doku über den Tierfilmer Helmut Sütsch aus Grevenbroich.
Bandwürmer und Lottomillionäre
Als Überträger von Krankheiten und Seuchen, den tatsächlichen wie den herbei geredeten, taugt diese Spezies auch nur bedingt. Die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem gefürchteten Fuchsbandwurm zu infizieren, ist noch kleiner als die Chance, einen Sechser im Lotto zu landen. Zwischen 20 und 30 Menschen fangen sich deutschlandweit pro Jahr einen “Echinococcus multilocularis” ein. Denen gegenüber stehen 115 neue Lottomillionäre in 2016. Auch durch Blitzschlag und Jagdwaffen kommen deutlich mehr Menschen zu Schaden bzw. zu Tode.
Gesundheitspolizei und Gift-Alternative
Füchse sind auch als Gesundheitspolizei im Ökosystem wichtig und aktiv, weil sie als Aasfresser dafür sorgen, dass sich Krankheiten nicht ausbreiten. Stattdessen wird ihnen unterstellt, solche zu verbreiten. Je nach Angebot besteht ihre Nahrung jedoch bis zu 90 Prozent aus Mäusen. Ein erwachsenes Tier verspeist pro Jahr bis zu 3000 dieser Nager, die sich andernfalls auf den Getreidefeldern der Landwirte gütlich tun würden und hier dann mit tonnenweise Gift bekämpft werden, woran nebenbei auch viele andere und zum Teil unter Schutz stehende Arten krepieren. Da wäre es doch logischer, die Burschen in Ruhe ihren Job tun zu lassen, anstatt sie und die Umwelt mit Blei und Chemie zu vergiften.
Füchse halten das Zeckenaufkommen klein
Einer im Juli dieses Jahres von niederländischen Wissenschaftlern veröffentlichten Studie zufolge reduzieren Füchse dort, wo man sie in Frieden lässt, sogar das Zecken-Aufkommen – und schützen somit indirekt auch den Menschen vor Ansteckung. Von diesen Biestern, also den Zecken, werden ja zunächst vor allem auch Mäuse befallen. In Gebieten, in denen der Reineke nicht stark bejagt wird, ist der Befall der Nager mit diesen Milben um zwischen 80 und 90 Prozent niedriger als dort, wo man ihm intensiv nachstellt. (Nebenbei bemerkt sind die blutsaugenden Parasiten auch wesentlich seltener mit dem Borreliose auslösenden Erreger infiziert). Diese Erkenntnis mag zunächst etwas abgedreht erscheinen, ist aber ein weiteres Beispiel dafür, wie kreativ und großartig die Natur konstruiert und konzipiert ist. Die Forscher vermuten, dass es nicht daran liegt, dass die Füchse in den befriedeten Bezirken mehr Appetit entwickeln, sondern daran, dass die Mäuse aus Angst vor ihnen schneller rennen. Die Zecken hätten somit weniger Möglichkeiten, sich an ihre potentiellen Wirte zu heften. Das hat der liebe Gott (oder wer auch immer) genial eingerichtet.
In Luxemburg ist die Welt nicht untergegangen
Die Behauptung, Füchse würden die Bestände der Feldhasen, Rebhühner und anderer Bodenbrüter gefährden, ist genau so steil und abwegig. Wenn es da klemmt, liegt das an etwas anderem. Beispielsweise am Verlust von Lebensräumen durch Bebauung und die industrielle Agrarwirtschaft. Es gibt keine einzige Tierart in Deutschland, die der böse Fuchs ausgerottet hat. Davon abgesehen: In Luxemburg darf er seit 2015 nicht mehr bejagt werden. Im kleinen Großherzogtum ist die Welt deshalb aber auch nicht untergegangen. Weder die Fuchsbestände noch die Wildtierkrankheiten haben dort zugenommen. Und im Schweizer Kanton Genf, wo die Fuchsjagd seit 40 Jahren verboten ist, war in Punkto Artenvielfalt sogar ein kräftiges Plus zu verzeichnen. Vor allem bei den Wasservögeln. Geht also doch.
Endziel ist ein ganzjähriges Jagdverbot
Es gibt also genügend Argumente, die dafür sprechen, dass der zivilisierte Homo sapiens sein Verhältnis zu den Füchsen überdenken sollte. Und das tut er ja bereits. Tierschutz und Tierrechte gewinnen für immer mehr Menschen an Bedeutung. Gut, nicht für alle. Und genau da will das “Aktionsbündnis Fuchs” den Hebel ansetzen. Ziel ist es auch, “die politisch Verantwortlichen dazu zu bewegen, die Jagdgesetzgebung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage anzupassen”. Das müsste in letzter Konsequenz auf ein totales, ganzjähriges Jagdverbot in Deutschland hinaus laufen. Ob wir das noch erleben werden? Millionen und Abermillionen Füchse bis dahin ganz sicherlich nicht. Aber wie hatte der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King 1963 in seiner legendären Rede vor 250.000 Menschen am Washingtoner Lincoln Memorial noch gleich ausgerufen? „I have a dream!“ Den Mann haben sie allerdings (fünf Jahre) später auch erschossen.
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