Von Jürgen Heimann
Lassen wir Google mal nach dem Stichwort “Fuchswochen” suchen. Das Resultat: 7.720 Treffer in 0,25 Sekunden. Das ist wenig im Vergleich zum Suchbegriff “GroKo”: 3.350.000 Anzeigen. Das Interesse am krampfhaften Bemühen der großen Verliererparteien um eine Fortsetzung ihres visionären Regierungsbündnisses ist doch ein klein wenig größer. Da interessiert das, was (alle Jahre wieder) den Reinekes in diesen Tagen widerfährt, kaum einen. Und doch sagt das mehr über den Zustand gewisser Teile unserer Gesellschaft aus als der unsägliche Politpoker um Macht, Einfluss und Pfründe in Berlin. Den Wildhunden im Rahmen konzertierter Aktionen auf den Pelz zu rücken und das Lebenslicht auszublasen, hat in unserem Land Tradition und gehört zur jagdlichen Folklore dazu wie das Hornblasen und der Schnaps davor, zwischendurch und danach. Der grenzwertige “Spaß” ist zu einer beliebten, blutigen Freizeitgaudi ausgeartet. Wer die meisten Buschschwänzigen umnietet, ist Schützenkönig. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass hier keine hölzernen Adler, sondern lebende Wesen ins Visier genommen werden – und fallen.
Kein noch so popeliger “Hegering”, der glaubt, etwas auf sich halten zu müssen, mag da abseits stehen. Das Blutbad kann beginnen. Nie hatten es unsere tapferen Jäger leichter, ihren potentiellen Opfern beizukommen, als in diesen Tagen. Die ansonsten scheuen und misstrauischen Füchse wandeln auf Freiersfüßen, sind liebesblind und lassen es an der nötigen, zum Überleben wichtigen Aufmerksamkeit fehlen. Was aktuell wiederum zigtausenden von ihnen Kopf und Kragen kostet. Was von den Tieren übrig bleibt, wird dekorativ “auf Strecke ” gelegt. In Reih und Glied angeordnet liegen die Kadaver “hübsch” nebeneinander. Viele von ihnen schlimm zungerichtet, mit zerschossenen Kiefern und Läufen oder herausquellenden Eingeweiden.
Abartige Tötungsorgien als Fun-Events
Man muss moralisch und ethisch schon ziemlich degeneriert sein, um sich an einem solchen Anblick erfreuen zu können. Aber die meisten der 381.821 deutschen Scheininhaber mit der Lizenz zum Töten haben sich diese “Fähigkeit” bewahrt oder diese sogar noch “kultiviert”. Halali! Die so zur Schau gestellte Beute ist meist aber nur die Spitze des Eisbergs. Denn, um es mit Bert Brecht zu formulieren: Die im Dunklen sieht man nicht. Erwischt es nach der Paarung beispielsweise nur den Rüden, dem eine wichtige familiäre Rolle bei der späteren Aufzucht der Jungen zukommt, verrecken in Folge auch die Jungen elend. Und die Fähe oft gleich mit.
Aktionsbündnis Fuchs fordert generelles Jagdverbot
Gegen diese völlig sinnlose und schöpfungsverachtende Tradition der Weidleute macht das unlängst aus der Taufe gehobene und bundesweit agierende “Aktionsbündnis Fuchs” mobil. Ein seit seiner Gründung stetig wachsender, auch von vielen Hunderten engagierten Privatleuten getragener Zusammenschluss, dem inzwischen über 40 Tier- und Naturschutzorganisationen beigetreten sind. Erklärtes Ziel dieses Verbandes ist es, die Jagd auf Füchse in Deutschland generell abzuschaffen. Dass das funktioniert, ohne dass dadurch das zivilisatorische und wildbiologische Gefüge zusammenbricht, zeigt das Beispiel Luxemburgs. In dem kleinen Großherzogtum stehen die nützlichen Prädatoren seit 2015 unter Schutz. Wer auf sie anlegt, macht sich strafbar. Kurioserweise muss hier deshalb keine andere Tierart um ihre Existenz bangen. In anderen fuchsjagdfreien Gebieten auch nicht. Anderes und vor allem selten gewordenes (Nieder-)Wild auszurotten, wird den Füchsen ja gerne mal unterstellt und in die Pfoten geschoben. Weshalb man sie, so die offizielle Begründung der Jagdfunktionäre und vieler ihnen höriger Pseudo-Biologen, vehement bejagen müsse. Das ist Quatsch. Und kontraproduktiv. Die wissenschaftlich verifizierte Erkenntnis intellektuell zu verarbeiten, der zufolge Füchse Jagdverluste durch steigende Geburtenraten und Zuwanderung schnell wieder ausgleichen, fällt gewissen Leuten nach wie vor schwer. Ist bei Wildschweinen ja auch so. Gilt jetzt für den Populationsausgleich, nicht für die Erkenntnis.
Blutvergießen ohne Sinn und Verstand
Ein völlig sinnloses Blutvergießen, das in diesen Tagen wieder an Fahrt aufnimmt. In der letztjährigen Jagdsaison waren unter besagtem Vorwand wiederum mehr als eine halbe Million Füchse eliminiert worden – ohne Hirn und Verstand. Zumindest fehlte solcher bei jenen, die am Drücker saßen und sitzen. Letztendlich f… sich die Verantwortlichen, die vorgeben, für das biologische Gleichgewicht in der Natur einzutreten, damit aber selbst ins Knie. Anderen auch. Füchsen obliegt nicht nur eine wichtige gesundheitspolizeiliche Funktion in Wald und Feld. Sie halten auch die Mäuse (und weitere “Schädlinge”), über deren Gefräßigkeit sich die Getreide-Agrarier ja bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit beklagen, klein und kurz. Ein erwachsener Fuchs verspeist im Mittel 3.000 Nager pro Jahr.
Von Bandwürmern, Zecken und Mäusen
Nachdem die Tollwut längst Geschichte ist, muss eine andere Rechtfertigung für das massenweise Abschlachten dieser Tiere her. Wie wär’s mit dem Fuchsbandwurm? Der kam gerade richtig. Einmal davon abgesehen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich mit selbigem anzustecken, noch deutlich geringer ist als jene, sechs Richtige im Lotto zu landen. Zwei weltweit beachtete Studien aus dem vergangenen Jahr haben gezeigt, dass die entsprechenden Infektionsraten bei hoher Bejagungsintensität eher ansteigen und eine exzessive Verfolgung damit das Risiko für den Menschen, sich eine solche “alveoläre Echinokokkose” genannte Parasitenerkrankung einzufangen, sogar noch erhöht. Der niederländische Biologe Hoofmester hat darüber hinaus aufgezeigt, dass Füchse auch wertvolle Verbündete im Kampf gegen die Lyme-Borreliose sind, weil ihr Einfluss auf das Verhalten von Mäusen, die als Hauptreservoir des Erregers gelten, die Infektionswahrscheinlichkeit für den Menschen reduzieren kann.
Das klingt jetzt erst mal ziemlich abstrakt, lässt sich aber ganz einfach erklären: Zecken befallen zunächst einmal vor allem Mäuse. Gibt es weniger Füchse, haben Feivel und Co. auch weniger Stress. Wo der Reineke jedoch Flagge zeigt, sind die Nager vorsichtiger – und schneller. Sie rennen, um sich in Sicherheit zu bringen, was wiederum die Chancen von Zecken reduziert, sich an ihre potentiellen Wirte zu heften. In Gebieten, wo der Fuchs nicht stark bejagt wird, ist der Befall von Mäusen mit Zecken um 80 bis 90 Prozent niedriger.
Inzwischen ist fast wieder jedes Mittel recht
Nun ist bei der Verfolgung der roten Wildhunde inzwischen fast wieder jedes Mittel recht. In Nordrhein-Westfalen sowieso, wo die neue Landesregierung ganz neue naturschutzrechtliche Standards setzt. Nachdem das Ökologische Jagdgesetz aus dem Jahr 2015 dem Tierschutz noch einen etwas größeren Stellenwert bei der Jagd zugebilligt hatte, wird es inzwischen wieder aufgeweicht. Die Jagd in Kunstbauen ist mittlerweile wieder landesweit legal. Mit ihrer Forderung, diese auch wieder auf Naturbauen auszudehnen, dürften die Flurschützen im Umweltministerium früher oder später ebenfalls offene Türen einrennen. Das gilt auch für die Jagdhundeausbildung am lebenden “Objekt” oder den Einsatz von Totschlagsfallen. Stichhaltige, wissenschaftlich fundierte Begründungen für diese “Offensive” blieb das Ministerium aber bisher schuldig. Stattdessen markige Worte und viel heiße Luft.
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