Von Jürgen Heimann
Es ist nicht das erste Mal, dass die streitbare und international agierende Tierrechtsorganisation PETA Strafanzeige gegen Jäger stellt. Das gehört zum klassischen Repertoire dieser mit weltweit über drei Millionen Unterstützern größten Vereinigung ihrer Art. 65.000 Förderer stehen in Deutschland auf der Liste. Das Kürzel “PETA” bedeutet “People for the Ethical Treatment of Animals”, was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie „Menschen für den ethischen Umgang mit Tieren“. Auch wenn diese juristischen Aktionen in den seltensten Fällen Konsequenzen zeitigen, worauf es den Initiatoren ankommt, ist, bestimmte Praktiken, Handlungsweisen und Traditionen der Waidmann- und frauschaft, die diese gerne als von Naturliebe diktiert kaschieren, kritisch zu hinterfragen und die öffentlicher Diskussion darüber zu beflügeln. Steter Tropfen….
Das gelingt meistens, worüber die Betroffenen, die sich an den Pranger gestellt sehen, natürlich nicht sonderlich glücklich sind. Der aktuelle Fall, einer aus Mecklenburg-Vorpommern, beweist das wieder exemplarisch. Das Heulen und Zähneklappern ist groß, weil, wie der Volksmund weiß, ein getroffener Hund ja auch meistens bellt. Und die Mär vom angeblich schlauen Bäuerlein steht gleich mit auf dem Prüfstand.
Wo Blut und Geld fließen
Zwischen Jarmen und Loitz im Landkreis Vorpommern-Greifswald waren Mitte November bei einer revierübergreifenden und auch vom hiesigen Bauernverband unterstützten Drück- und Treibjagd 67 Stück Schwarzwild, drei Rehe, ein Stück Damwild sowie sechs Füchse, ein Marderhund und ein Waschbär exekutiert worden. Solche bleihaltigen Veranstaltungen gibt es zwischen Oktober und Dezember überall in Deutschland. Und es sind nicht nur die privaten Jagdpächter, die sich und ihresgleichen dieses blutige Vergnügen gönnen. In Hessen beispielsweise geriert sich vor allem der Landesbetrieb “HessenForst” als kompetenter All-Inclusive-Anbieter und lockt mit Dutzenden von gesellschaftsjagdlichen Erlebnisangeboten, eintägigen und zweitägigen. Da fließt nicht nur Blut, sondern auch (viel) Geld. Die meisten “Events” sind “ausverkauft”. Immerhin lautet der Auftrag ja auch, den hessischen Wald nachhaltig, wirtschaftlich und unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinwohls zu bewirtschaften. Und das schließt das “Wildtiermanagement”, wie es in euphemistischer Schönfärberei heißt, natürlich mit ein.
Zumindest Landesfürst Volker Bouffier scheint nach dem von einem verheerenden Medien-Echo begleiteten Image-Debakel des vergangenen Jahres dazu gelernt zu haben. Von einer feudalen, ministerpräsidialen Gesellschaftsjagd, wie sie 2015 unter dem Schutz eines massiven Polizeiaufgebots im Mörfeldener Wald über die forstliche Bühne gegangenen war, hört man dieses Jahr erstaunlicherweise nichts. Vielleicht gehen der Landesvater und die von ihm umworbenen Promi-Schützen aber diesmal auch nur still und heimlich auf die Pirsch…
Erbarmungslos, aber „rekordverdächtig“
Beteiligt an der blutigen und von den Beteiligten selbst als „rekordverdächtig“ eingestuften Hatz in Meck-Pomm waren 90 Schützen sowie 30 Treiber mit Hunden. Nun stellt diese Form des Jagens, weil mit besonderem Leid für die Wildtiere verbunden, nicht nur für PETA eine besonders erbarmungslose Praktik dar. Millionen von Menschen in Deutschland, die gegen anderslautende Indoktrinationen resistent sind und den cleveren PR-Strategen des grünen Lagers nicht auf den Leim gehen, sehen das ebenfalls so. (Inzwischen sollen 70 Prozent der Bundesbürger gegen die Jagd sein. Eine Zahl, die die stets um Zuspruch bemühten “Heger” allerdings anzweifeln. Im dunklen Wald soll man ja schließlich pfeifen.) Für eine derartige, als brutale Freizeitbeschäftigung inszenierte Massentötung, bei der das Wild über einen längeren Zeitraum erheblichem Stress oder Schmerzen ausgesetzt sei, gebe es keinen vernünftigen Grund. Auch würden viele der Opfer nach Fehlschüssen erst nach einem langsamen und qualvollen Todeskampf verenden.
Deshalb hat PETA bei der Staatsanwaltschaft in Stralsund inzwischen gegen alle Teilnehmer der Gesellschaftsjagd Strafanzeige wegen Verdachts auf Verstoß gegen § 17 des Tierschutzgesetzes erstattet. Wenn das Schule macht …. Bundesweit, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Baden-Württemberg, laufen weitere von den Tierschützern angestrengte Verfahren. Dem Gesetz zufolge droht jenen, die ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund töten oder ihm erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügen, Strafe. Die Staatsanwaltschaft in Stralsund prüft derzeit, ob der Anfangsverdacht ausreicht, um strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen.
Amigotum, Abhängigkeiten und Seilschaftspflege
Aber selbst wenn der Fall zu den Akten gelegt wird und das Ganze ausgeht wie das Hornberger Schießen, ist der Sinn oder Unsinn solcher umstrittener Treibjagden zumindest wieder mal ein öffentliches (Reiz-)Thema und wird kontrovers diskutiert. Schaden kann das ja nicht. In den einschlägigen Internet-Foren grunzt dahingehend die Wutz. Da wird mit harten Bandagen gefochten und Tacheles geredet. Die Gefahr, dass die Sachlichkeit hin und wieder auf der (Jagd-)Strecke bleibt, ist natürlich latent. Die Berichterstattung in den etablierten Printmedien hingegen, und da macht der Mecklenburger Nordkurier keine rühmliche Ausnahme, erfolgt eher undifferenziert und einseitig – zugunsten des Jägerlagers. Dessen Lobby ist schließlich (finanz-)stärker sowie politisch und gesellschaftlich einflussreicher. Und deshalb kommen überwiegend auch jagdaffine Zeitgenossen und Jäger-Funktionäre in den von der Redaktion zu verantwortenden Beiträgen zu Wort. Das Blatt, das sich selbstverständlich dem objektiven Journalismus verpflichtet fühlt, startete sogar eine Online-Umfrage unter den Lesern. Die Suggestivfrage lautete: „Geht PETA zu weit?“ Sauberer wäre es hier sicherlich gewesen, man hätte sich danach erkundigt, ob die Menschen Treib- und Drückjagden für erforderlich halten. Aber dem stehen Amigotum, Abhängigkeiten und Seilschaftspflege entgegen. Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing‘.
Aber immerhin hat das Blatt, Ortswechsel, knapp zwei Wochen später eine weitere Erhebung nachgeschoben. Diesmal lautete die Frage: “Sollte das Jagen in der Uckermark eingedämmt oder gar verboten werden”? Auch in dieser Region ist eine heftige, vom “Verein Natur ohne Jagd” angestoßene Diskussion über diesen “Blutsport” entbrannt.
Man könnte auch von Stimmungsmache durch die Hintertür reden. So wird beispielsweise Achim Froitzheim als offizieller Pressesprecher des Landratsamtes Vorpommern-Greifswald und Bediensteter der Unteren Jagdbehörde wiederholt zitiert. Der wackere Mann äußert sich lobend über die Anstrengungen und „Leistungen“ der Kollegen. Und Kollegen sind es tatsächlich. Oder „Kameraden“. Oder Genossen, Jagdgenossen. Froitzheim ist nämlich selbst Jäger und agierte bis mindestens 2011 als Pressesprecher des Landesjagdverbandes. Aber wer wird den gleich von Interessenkollision reden? Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Andererseits scheißt keiner auch (gerne) vor die eigene Haustüre.
Zwischen Tradition und afrikanischer Schweinepest
Auch Beate Schlupp, die artenschutzpolitische Sprecherin der CDU im Schweriner Landtag, hängt ihr grünes Lodenmäntelchen in den Wind. Die Dame hatte es dann auch sehr eilig, die kollektive Ballerei als wirksame und beispielhafte Aktion gegen die Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest zu glorifizieren. Schließlich könne man sich neben der Vogelgrippe keinen weiteren Seuchenzug leisten. Derweil versuchen die örtlichen Jäger und ihre bäuerlichen Unterstützer, ihr grenzwertiges Tun mit den enormen Schäden, die vor allem durch Wildschweine in der Landwirtschaft und in häuslichen Gärten verursacht würden, zu rechtfertigen. In erster Linie geht es ja darum, den Kreis der dreisten Borstenviecher zu dezimieren. Außerdem hätten Treibjagden ja eine lange Tradition. (Das nenne ich mal ein schlagkräftiges Argument!) Und weiter: Zu große Bestände würden außerdem auch die Zahl der Wildunfälle weiter in die Höhe treiben, argumentieren die „Schießsportler“ Und ein paar Kollateralschäden wie Rehe, Füchse, Marder, Waschbären usw. nehmen sie halt in Kauf, schweren Herzens natürlich. Wo gehobelt wird, fallen schließlich Späne.
Dann dürfe man die Sauen aber auch nicht gezielt füttern und aufpäppeln und sie selbst in milden Wintern mit tonnenweise Kraftfutter “verwöhnen”, halten Kritiker dagegen. In vielen Fällen sind die beklagten Überpopulationen nämlich bewusst erzeugt. Erst gibt es Zuckerbrot, dann die Peitsche. Auch verweisen Tierfreunde auf die wissenschaftlich verifizierte Erkenntnis, dass erhöhter Jagddruck im Tierreich automatisch eine höhere Fortpflanzungsquote bewirkt und deshalb eigentlich kontraproduktiv ist. Aber diese Argumente sind seit Jahrzehnten im Spiel. Man kann auch einem Ochsen ins Horn petzen…
Im Leben geht halt mancher Schuss daneben
Der “Shitstorm”, der sich in Folge der Anzeigenerstattung durch PETA entwickelt hat, ist ein gewaltiger. Dabei ist es ja eigentlich eine Domäne der Jäger und ihrer Interessenverbände, unliebsamen Kritikern mit der Paragrafenkeule zu drohen und zu versuchen, sie mit allen juristischen Mitteln mundtot zu machen. Dafür gibt es genügend Beispiele. Die Jägervereinigung Lauterbach im Hessischen Vogelsbergkreis hilft Kameraden, die sich in dieser Hinsicht profilieren möchten, sicherlich gerne weiter. Im aktuellen Fall erreicht der Schlagabtausch aber insofern eine neue “Qualität”, da der örtliche Bauernverband und der Arbeitskreis der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden des Landes sich jetzt sogar in die (absurde) Forderung flüchten, der gegnerischen und als Feind identifizierten Organisation die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. PETA missbrauche diesen Status regelmäßig, indem der Verband die Strafverfolgungsbehörden auf Kosten der Steuerzahler mit Anzeigen überschütte und beschäftige. Dies sei der haltlose und pauschale Versuch, bestimmte Gruppen wie Angler, Landwirte und Jäger zu kriminalisieren. Tataaa! Im Leben, und das wusste schon Katja Ebstein, geht halt mancher Schuss daneben. In der Schule hätte der Lehrer unter einen entsprechenden Aufsatz die Bemerkung „Thema verfehlt“ geschrieben.
Schlaue Bauern mit hinkenden Argumenten
Die Begründung hinkt natürlich gewaltig. Jeder Bürger hat das Recht, juristisch gegen Missstände und Gesetzesverstöße vorzugehen. Dafür muss er kein Gemeinnütziger sein. Und warum sollte eine Organisation, die sich dem Wohl von Tieren verschrieben hat, dieses Recht nicht ebenfalls in Anspruch nehmen dürfen? Gerade von einer solchen darf man das doch erwarten, und muss es sogar. Gut, das passt jetzt nicht allen ins ideologische Weltbild und nagt am Selbstverständnis gewisser Interessengruppen. Aber da müssen auch Bauernschlaue und ihre Brüder und Schwestern im Geiste mit leben. Doch mit dem Leben und dem Leben lassen haben sie‘s ja nicht so….
Damit dreht sich die Debatte aber jetzt in eine ganz neue Richtung, was den schießenden und auf Ablenkung bedachten Akteuren nur recht sein kann und von ihnen ja auch beabsichtigt war. Das Ursprungsthema tritt (erst einmal) in den Hintergrund. Es geht plötzlich nicht mehr um Sinn und Unsinn solcher Treibjagden, sondern um die, die sie anprangern. Doch in der Stuttgarter PETA-Zentrale sieht man derlei Vorwürfe entspannt und gelassen. Ihr Rechtsexperte, Dr. Edmund Haferbeck, nennt die Forderung nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit „hinterwäldlerisch“. Solche habe es aber in der Vergangenheit wiederholt gegeben. Auch Überprüfungen durch das Finanzamt. Die letzte erfolgte 2013 – und ergab keinerlei Beanstandungen.