Von Jürgen Heimann
“Die Wahrheit triumphiert nie, ihre Gegner sterben nur aus.“ Wenn es denn stimmt, was Max Planck da einst gesagt hat, dann besteht Hoffnung. Dann zählen aktuell all diejenigen, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, die sie dehnen und sich zurecht biegen, zu einer aussterbenden Spezies. Und das sind in diesem speziellen Fall die Jäger. Sie sterben derzeit einen Tod auf Raten, sehen sich mit dem Rücken an der Wand – und werden früher oder später auf der Strecke bleiben. Einer „Strecke“, die sie gerne selbst mit vielen Leichen pflastern – Tierleichen. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Nimrods bzw. die ihres blutigen Hobbys ist im Sinkflug. Und daran ändern auch alle, dem Pfeifen im dunklen Wald nicht unähnlichen gegenteiligen Beteuerungen nichts. In ihrem nachgerade existentiellen Überlebenskampf, der aber letztlich nichts anderes ist als der verzweifelte, schon schizophrene Züge annehmende Versuch, anachronistische, mittelalterlicher Privilegien zu verteidigen und über die längst abgelaufene Zeit zu retten, suchen und finden sie mächtige, willfährige Verbündete. Die sitzen in der Politik und in der Wirtschaft, in den Behörden, in den Verlagshäusern und abgeschotteten Kungel-Logen. Man kennt und schätzt einander, mitunter aus ganz unterschiedlichen Motiven und Erwartungen heraus. Und wenn es dann jemand wagt, die Kreise dieser unheiligen Allianz zu stören, trifft sie der heilige, vernichtende Zorn dieser unsäglichen Phalanx. H.R. und F.D. können inzwischen ein Lied davon singen – ein Klagelied. Es ist ein Abgesang auf Anstand, Fairness und Wahrhaftigkeit.
Mit einer bis dato beispiellosen Rufmord- und Verleumdungskampagne versucht sich der Jagdverband in diesen Tagen zweier Tierfreunde und -schützer zu erwehren, die er, Personifizierung des Bösen, neben den grünen Ideologen im Umweltministerium als Hauptfeinde ausgemacht hat. Und in deren Richtung wird – nicht Kleckern, Klotzen! – mit großen Kanonen geballert. Aber in der Diktion des HJV sind die „selbsternannten Waschbärenschützer“, die, koste es, was es wolle, mundtot gemacht werden sollen, in erster Linie einmal „Jagdgegner“. Worum geht es? Die Jägerschaft muss fürchten, dass ihrem bis dato unkontrolliertem Agieren in Wald und Feld Grenzen gesetzt werden. Der Entwurf der neuen Hessischen Jagdverordnung könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Das Papier sieht u.a. längere Schon- und verkürzte Abschusszeiten für bestimmte Arten vor. Einige Tiere sollen gar nicht mehr bejagt werden. Und das geht ja schon mal überhaupt nicht!
Entsprechend hoch brandet die Gischt der vom Protest-Tsunami ausgelösten Wellen an die Mole des Ministeriums von Priska Hinz. Das ist (aber nur ein) Teil des von Reflexen getriebenen und dominierten „Spiels“, in dem es für die Jäger, die ihre (Waschbär-)Felle davon schwimmen sehen, um Sein oder Nichtsein geht. Diese, gemessen an der Bevölkerungszahl bewaffnete Minderheit tritt hochgerüstet an, von ihren überholten Vorrechten zu retten, was zu retten ist. Ein Ziel völlig frei von Eigennutz, natürlich! Und um dieses zu erreichen, muss und darf den Pirschgängern jedes Mittel recht sein. Ist es auch!
Klumpfuß Joseph hätte es nicht besser hingekriegt
Der Öffentlichkeit dauerhaft und erfolgreich weiszumachen, dass das Abknallen Hunderttausender von Tieren nichts anderes als angewandter Natur- und Umweltschutz ist und dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl ebenso dient wie der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in der Natur, dazu gehört schon etwas. Dazu bedarf es „argumentativer“ Klimmzüge, die, wären sie olympische Disziplin, direkt zur Goldmedaille führen würden. Aber die Propaganda- und Desinformationsabteilung des Hessischen wie die des Deutschen Jagdverbandes ist dahingehend blendend aufgestellt und disponiert. Joseph, der alte Klumpfuß, könnte da noch eine ganze Menge lernen… Und Reichsjägermeister Hermann I. wäre mächtig stolz auf seine Jünger gewesen.
Der Vogelsbergkreis ist das Epi-Zentrum der aktuellen Schmutzkampagne. Hier, im Mittelhessischen zwischen Fulda, Alsfeld, Büdingen und Nidda, gibt es malerische alte Fachwerkbauten und tiefe menschliche Abgründe. Und hier ist die Basis der Nimrods besonders gut aufgestellt. Hier zerfließen alle Grenzen zwischen Einzelinteressen, Gemeinwohl, Lobbyistentum, Politik, Behörden und Amtsträgern zu einem undurchdringlichen Konglomerat. Und hier nahm die unsägliche Geschichte auch ihren Anfang, ausgerechnet in jener Nacht, in der die Römer 1984 Jahre zuvor den Messias ans Kreuz geschlagen hatten. Heute sind die Handelnden andere, aber es mag irgendwie aufs Gleiche hinaus laufen. Es ist ein Kreuz!
In der Nacht zum Ostersamstag 2015 waren auf dem Gelände des umzäunten Lauterbacher Schlossparks zwei Waschbärinnen auf bestialische Weise massakriert worden. Nachdem der oder die Täter die Tiere in Lebendfallen festgesetzt hatten, erschlugen sie ihre Opfer mit einem Hammer bzw. einer mit einem Nagel bewehrten Latte. Eine der Klein-Petzinnen war offenbar als Osterbraten auserkoren. Sie wurde “fachgerecht” filetiert, große Teile Fleischs nahmen die Tierschänder mit. Siehe auch http://www.rotorman.de/entfesselte-tierhasser-schlachteten-waschbaerenmuetter-auf-bestialische-weise/
Horrorgeschichten vom petzigen Zorro
Das Werk von Psychopathen? Denkbar. Möglich. Wahrscheinlich. An diesem Punkt kamen zwei Herren ins Spiel, Harald R. und Francesco D.. Zwei bis dato recht unauffällig und bescheiden im Hintergrund agierende Tierfreunde, die sich in aller Stille, aber mit immensem persönlichen, zeitlichen und finanziellen Aufwand um ihre „Klientel“ kümmern. Dabei handelt es sich um jene schwarz-weiß-maskierten Mini-Petze, die sich bundesweit exzessiver Verfolgung ausgesetzt sehen. Die zwingende Notwendigkeit, den putzigen „Zorros“ gnadenlos nachzustellen, begründen die Jäger mit immer neuen haarsträubenden Horror-Stories, die das zerstörerische Treiben dieser Invasiven belegen sollen. Sie sind die Speerspitze der Angriffsarmee, deren selbst gestellter Auftrag es ist, diese Tiere auszurotten. Man arbeitet daran.
Harald R. unterhält in seinem Heimatort in Herbstein eine Auffangstation für verwaiste Bärenkinder, deren Eltern entweder unter die Räder gekommen sind oder einen „Jagdunfall“ erlitten haben. Francesco D. versucht mit einer Gruppe von Tierfreunden, solchen Tieren durch Vermittlung an Tierparks und Zoos ein neues Zuhause zu geben In den Augen ihrer natürlichen Gegner, den Waidmännern und -frauen, haben sich die beiden Männer einer unverzeihlichen Sünde schuldig gemacht. Sie haben den inkriminierten, verteufelten Tieren die Maske der Bestie vom Kopf gerissen und sie als das hingestellt, was sie sind – hochintelligente Tiere, liebenswürdige Tiere mit einem ausgeprägten Sozialleben. Geschöpfe, die trotz ihrer großen Zahl kaum an den Grundfesten unserer Zivilisation zu rütteln vermögen oder andere Tierarten auslöschen. Diese Meinung hätten sie aber mal lieber für sich behalten ….
Die beiden hatten das österliche Waschbär-Massaker seinerzeit öffentlich gemacht. Zeitungen, Fernsehen und Radio berichteten bundesweit über diesen zur Anzeige gebrachten Akt beispielloser Grausamkeit. Aus der damaligen hr-Sendung „Maintower“:
Harald R. stellte Strafanzeige bei der Lauterbacher Polizei, der Tierschutzverein TierfreundLich schloss sich Wochen später mit einer weiteren Strafanzeige an. Warum sich aber nun ausgerechnet die Jäger diesen Schuh angezogen haben und dadurch an den Pranger gestellt sahen/sehen, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht geschah das unter Einwirkung von zu viel Kräuterlikör. „Jägermeister“ ist ja nun mal ein süffiges Zeugs. Doch die Risiken und Nebenwirkungen sind nicht ohne….
Damals war mit keiner Silbe die Rede davon gewesen, diese Barbarei könnte auf das Konto der Fraktion Waidmann gehen, wenngleich diese durch die propagandistischen Trommelfeuer schon den ideologischen Boden für derartige Verwerfungen bereitet haben mag. Und eine Verbindung zur Jagdverordnung, wie sie in unserem Lande erst Monate späte ganz heiß diskutiert werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht richtig abzusehen. Doch wie auch immer: Die Retourkutsche kam, allerdings nicht prompt, sondern mehrere Monate später. Und das Timing dafür war nahezu perfekt.
Vernichtungsfeldzug gegen unbequeme Kritiker
In diesen Tagen lesen wir die Fortsetzung der Geschichte, deren Drehbuch diesmal aber von anderen Autoren „erdacht“ wurde. Das Ganze sei frei erfunden gewesen, getürkt und inszeniert, verkündete der Landesjagdverband auf seiner Internetseite und in einer gleichlautenden, durch die ganze Republik gejagten Pressemitteilung. Und zwar einzig und allein aus dem Grund, den Jägern zu schaden und Inhalte der neuen Hessischen Jagdverordnung zu beeinflussen. Auch dahingehend, die Fallenjagd auf den Index zu setzen und eine Schonzeit für Waschbären einzuführen. Eine steile, kühne These, die die Jäger aber in Folge aufwändig zu belegen versuchten. Höhepunkt ihrer Kampagne: Der Landesjagdverband und zwei namentlich nicht genannte Jäger aus dem Vogelsbergkreis erstatteten gegen Harald R. und Francesco D. Strafanzeige bei der Gießener Staatsanwaltschaft – wegen Vortäuschens einer Straftat und sogar gegebenenfalls Wilderei. Ferner habe man eine Irreführung der Öffentlichkeit und der Polizei geltend gemacht. Und weil auch dabei der Grundsatz „tue ‚Gutes‘ und rede darüber“ gilt, wurden die Namen derer, denen man solches vorwirft, in den einschlägigen Veröffentlichungen auch vollständig ausgewiesen, nicht aber die der Anzeigenerstatter. Schließlich geht‘s ja hier auch um Persönlichkeitsschutz.
Das Kalkül, das dahinter steckt: Sollte es gelingen, Jagdgegner und Befürworter der neuen Jagd-Verordnung als Spinner, Verschwörer und Straftäter zu „entlarven“ oder zumindest solche in deren Reihen zu verorten, festigt das die eigene Verhandlungsposition. Und diese Rechnung scheint aufzugehen. Beglichen werden soll sie von zweien bis dato unbescholtenen, rechtschaffenen Bürgern, die bundesweit in die Nähe von Verbrechern und Terroristen gerückt werden und deren persönliche Integrität öffentlich zur Disposition gestellt wird.
Verdrehungen, Auslassungen, abenteuerliche Schlussfolgerungen
Die Medien übernahmen die entsprechenden Anschuldigungen unreflektiert. Kaum ein Presseorgan machte sich die Mühe, nachzufassen. Der Lauterbacher Anzeiger, der neben ausufernder Vereinsberichterstattung und unkritischem Verlautbarungsjournalismus bislang noch nichts Pulitzerpreis-Verdächtiges zu Papier gebracht hat, setzte noch eins drauf und titelte gleich „Die Fabel vom bestialischen Tod zweier Waschbären“. Investigativ-Redakteur Christian Stang übernahm die „Argumentationskette“ der Jäger eins zu eins, machte sie zu seiner eigenen und stellte den „Sachverhalt“ in Folge so dar, wie es seine Einflüsterer wollten. Meinungen, Verdrehungen, Weglassungen und abenteuerliche Schlussfolgerungen mutierten zu Fakten und Tatsachen. Aber auch vermeintlich honorige Printmedien wie die „Frankfurter Rundschau“ verfuhren entsprechend. Letztere setzten sogar noch eins drauf. Eine gewisse Regine Seibel titelte in der Online-Ausgabe vom 4. November: „Zwei Tierschützer sollen Waschbären getötet haben, um die Fangpraxis von Jägern zu verunglimpfen“. Soweit hatten sich noch nicht einmal die Wald- und Revierbeherrscher aus dem Fenster gelehnt. Aber eine solche plakative Headline verkauft sich natürlich besser. Gute Arbeit, Frau Kollegin!
Und so raschelten die diesbezüglichen Verschwörungstheorien alsbald an den Zweigen zahlloser Bäume im gedruckten und digitalen deutschen Blätterwald der Republik. Damit auch beim letzten und allerletzten Leser der letzte Zweifel, bei Harald R. und Francesco D. könnte es sich vielleicht doch um respektable Zeitgenossen handeln, zerstreut werden möge. Inzwischen weiß jeder, dass die beiden von der Gründung und Etablierung einer kriminellen Vereinigung nicht weit entfernt waren und sind.
Damit nicht genug. Plötzlich sieht sich einer der beiden auch als Verfassungsfeind entlarvt, weil er Mitglied im Verein „Wildtierschutz Deutschland“ sei. Diese Organisation werde nämlich auch durch den Verlag „Das Brennglas“ gefördert, der die Zeitschrift „Freiheit für Tiere“ verlege. Und genau dieser Verlag werde zum Umfeld der Sekte „Universelles Leben“ gerechnet, kriegen die Jäger die Kurve mit Leichtigkeit. Bei den “Universellen” handelt es sich um eine aus dem „Heimholungswerk Jesu Christi“ hervorgegangene, totalitär strukturierte religiöse Bewegung mit mehreren tausend Anhängern in Deutschland. Francesco D. in diese Ecke rücken zu wollen ist etwa so ähnlich, als wolle man dem „Islamischen Staat“ den Friedensnobelpreis zuerkennen. D. ist überzeugter Atheist – durch und durch.Und was die angebliche Verzahnung zwischen „Freiheit für Tiere“ und religiösen Spinnern anbelangt, da ließe sich mit etwas schlechtem Willen sicherlich auch eine Querverbindung zwischen „TierfreundLich“ und dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) konstruieren. Oder man stuft den Waschbären als eine von Al-Qaida konstruierte biologische Terrorwaffe an. Der wild wuchernden Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Und dass ausgerechnet dieser als „obskur“ bezeichnete Verein „Wildtierschutz Deutschland“ als Expertenvertreter zur Landtagsanhörung über die Jagdverordnung hinzugebeten wurde, ließ die grünuniformierten Flintenmänner und -weiber fast vom wahren Glauben abfallen…
Aber es kommt noch dicker. Und hier greift die oben skizzierte „Koalition der Anständigen“. Die große Stunde der „Lauterbach-Connection“ schlug. Die Jäger publizierten ihren Coup auf zahllosen Portalen, unter anderem auch auf der Webseite des LVJ und der der Lauterbacher Jägervereinigung. Auf der LJV-Seite wurde der entlarvende Beitrag inzwischen wieder gelöscht, bei den Lauterbacher Halali-Bläsern ist er nach wie vor abrufbar: http://www.jaegervereinigung-lauterbach.de/aktuelles.html. Hier sind auch die „Erläuterungen“ zur Strafanzeige gegen die beiden Tierschützer nachzulesen, wie sie vermutlich gleichlautend der Staatsanwaltschaft übermittelt wurden.
Die Nimrods als treibende Ermittlungsgkräfte
Der Autor, LJV-Pressesprecher Dr. Klaus Röther, zitiert wörtlich aus Aussageprotokollen, die die Lauterbacher Polizei seinerzeit nach dem Waschbär-Vorfall im Zuge der Anzeigenerstattung durch Harald R. angefertigt hatte. Woher wissen er und die Seinen um die Inhalte? Darüber hinaus finden sich ganze Passagen aus jenem Bericht, den das Hessische Landeslabor, eine Einrichtung des Landes, nach der „Obduktion“ des Kadavers einer der im Lauterbacher Schlosspark getöteten Bärinnen angefertigt hatte. Wer hat den Jägern die Expertise überlassen? Das Labor jedenfalls nicht, wie Pressesprecher Dr. Roy Ackmann versichert. Den Auftrag, das tote Tier zu sezieren, hatte seinerzeit das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz in Lauterbach erteilt, und zwar auf Drängen der Jäger, wie diese stolz verkündeten. Ab und an muss man die Behörden schließlich auch mal zum Jagen tragen.
Am 25. Mai war die Studie dem Veterinäramt in Lauterbach übermittelt worden. Welche verschlungenen Vertriebswege sie von dort aus weiter nahm, lässt sich nur vermuten…
Den beiden Tierfreunden wurden Auskünfte darüber, was in dem Papier steht, seitens Polizei und Staatsanwaltschaft trotz mehrmaliger schriftlicher und mündlicher Nachfragen verwehrt. Für die Nimrods war der Bericht von Anfang an ein offenes Buch. Sie wussten frühzeitig, was drin stand, und warteten den taktisch günstigsten Zeitpunkt ab, um ihn zu veröffentlichen. Auch dass das auf der Strafanzeige R’s basierende Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Vergehens gegen das Jagdgesetz bereits im August eingestellt worden war, weil ein (oder mehrere) Täter trotz heldenhafter Recherche durch die Lauterbacher Polizei (wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, illegalen Aufstellens von Fallen und Hausfriedensbruch) nicht hatten ermittelt werden können, erfuhren die, die den Stein ins Rollen gebracht hatten, erst durch Zufall.
Zwischen Amtspflicht und Karrierestreben
Die beiden Strafanzeigen, die von R., datierend vom 8. April 2015, und die von TierfreundLich vom 27. Mai, waren bei der Staatsanwaltschaft unter einem Aktenzeichen geführt und zusammengefasst worden: 606 UJs 57915/15. Wie akribisch die Polizei in diesem Ermittlungsfall vorgegangen ist, beweist die Tatsache, dass Harald R. überhaupt nicht mehr zur Sache vernommen wurde. Der Beamte gab sich mit seinen Auslassungen anlässlich der Anzeigestellung vollauf zufrieden und sah auch keinen Grund, nachzuhaken. Hatte er Anweisung von seinem Werkstattmeister erhalten, hier allenfalls auf zwei Zylindern zu tuckern? Oder anders formuliert: Hätte der Beamte am Ende mehr herausgefunden, als er sollte, wäre das seiner weiteren Karriere bei der blauen Trachtengruppe nicht unbedingt förderlich gewesen.
In dem erstellten, nach wie vor unter Verschluss gehaltenen veterinärmedizinischen Gutachten, das neben dem Auftragserteiler offenbar nur der Polizei und den Jägern zugänglich ist, stehen, so letztere es tatsächlich korrekt wiedergegeben und nicht etwa in ihrem Sinne „geschönt“ haben, einige bemerkenswerte, von Jagdseite genüsslich ausgeschlachtete und interpretierte Auffälligkeiten, die, wenn sie denn den Tatsachen entsprechen würden, dazu angetan wären, den Vorfall aus dem Lauterbacher Schlosspark in einem ganz neuen Licht erscheinen zu lassen. So sei der Kadaver des Tieres schon erheblich in Verwesung übergegangen gewesen. Die Vorderpfoten, an denen sich das Opfer-Tier beim verzweifelten Versuch, sich aus der Falle zu befreien, so erheblich verletzt hätte, fehlten. Und letztendlich habe man die Staupe nachgewiesen. Die könnte die eigentliche Todesursache gewesen sein.
Dass der Waschbärenfreund, der eine private Aufzuchtstation betreibt, sich den Kadaver schon vor Monaten auf „Halde“ gelegt habe, um ihn zum passenden Zeitpunkt zu präsentieren, ist eine weitere steile Hypothese der Nimrods. Was aber ist, wenn eben das Beweisstück nicht von ihm, also R., selbst manipuliert worden ist, sondern nach der Sicherstellung durch die Polizei auf dem Transport ins Hessenlabor eine merkwürdige Wandlung durchgemacht hat? Vielleicht wurde es vertauscht? Und: Vorderläufe und Pfoten waren sehr wohl vorhanden, wie nach der Tatnacht aufgenommene Fotos beweisen. Was ist mit der Tierleiche geschehen? Wer hat da was gedreht und getürkt?
Die großen schwarzen Löcher des Vogelsbergs
Im Vogelsbergkreis gibt es eine Menge großer, schwarzer Löcher. Und die sind, auf das farbliche Spektrum der Parteienlandschaft gemünzt, keineswegs nur schwarz, sondern decken das System parteiübergreifend ab. Daran lässt sich auch das ganze Ausmaß der zielgerichteten Spezie-Wirtschaft erklären. Wenn es stimmt, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, schießt ein Jäger auch nicht auf seinesgleichen, sondern gibt dem Bruder im Geiste Rückendeckung bis zur Selbstverleugnung.
Vogelsberg-Landrat Manfred Görig (SPD), dessen Verwaltung das Lauterbacher Veterinäramt untersteht, ist selbst ein leidenschaftlicher Jäger und als solcher Mitglied im Jagdverein Alsfeld und der Hegegemeinschaft Felda. Der ehemalige Chef der Lauterbacher Polizei, Alfred Hahner, peilt in Wald und Feld auch schon mal gerne über Kimme und Korn und zeichnet aktuell als Pressesprecher der Jägervereinigung Lauterbach verantwortlich. Der ermittelnde Polizeibeamte, ein Hauptkommissar R., soll sich bei Beginn seiner Ermittlungen dahingehend geäußert haben, dass sein Ex-Chef bereits „Zweifel an der Darstellung“ vom Waschbären-Massaker angemeldet hätte. Ja, und dem amtierenden Ober-Schutzmann, Erster Polizeihauptkommissar Peter Muth, fehlt offenbar selbiger, wenn auch einer ohne „H“ nach dem „T“, diesbezüglichen Einflussnahmen seines Vorgängers einen Riegel vorzuschieben. Warum sollte er es in dieser Sache auch tun? Er soll selbst ein passionierter Jagdfreund sein – und ist somit ein „Buddie“. Noch Fragen?